Hamburg. Im ukrainischen Begegnungszentrum Schrödingers City Kids traf ich auf Gefüchtete, für die Streiks ein Zeichen von Demokratie sind.
Vergangenen Sonnabend war ich zur ukrainisch-orthodoxen Weihnachtsfeier im Schrödingers City Kids, dem ukrainischen Begegnungszentrum für geflüchtete Frauen und ihre Kinder, das unser Abendblatt-Verein als Hauptkooperationspartner finanziert. Ich saß mit drei Ukrainerinnen am Tisch, die nach nur 18 Monaten, die sie in Hamburg leben, bereits fließend Deutsch sprechen.
In der Ukraine gab es Korruption und weniger Meinungsfreiheit
Die eine, eine IT-Expertin, sagte in die Runde, dass sie gar nicht verstehen könne, dass die Stadt Hamburg Treckerdemos und Lokführerstreik zulassen würde. „Das hätte es bei uns in der Ukraine nicht gegeben“, meinte sie. Die Antwort ihrer Sitznachbarin, einer studierten Finanzbuchhalterin, fand ich großartig. Die sagte: „Das ist Demokratie und das finde ich absolut richtig. Bei uns in der Ukraine gab es so viel Korruption und weniger Meinungsfreiheit.“ Darüber diskutierten die Frauen dann weiter auf Deutsch, und alle drei kamen zu dem Schluss, dass sie unter anderem deswegen in Deutschland gerne bleiben möchten.
Wir nehmen Demokratie viel zu selbstverständlich
Und ich kam ins Grübeln, denn auch ich hatte mich geärgert über den erneuten Lokführerstreik und die ständigen Demos in der Stadt. Aber mir wurde nach diesem Gespräch klar, dass Demokratie und das damit verbundene Recht auf Meinungsäußerung und öffentlichen Protest in vielen Teilen der Welt - und auch in Europa - nicht selbstverständlich sind. Und das wir das mit allen Mitteln verteidigen müssen.