Altona. Insgesamt 8000 Weihnachtspakete wurden in Kirchengemeinden, Altenheimen und Beratungsstellen verteilt. Was besonders berührte.
Thorsten Heise steht im weißen Glitzer-Jackett auf der Bühne und singt „mein Hamburg lieb ich sehr“. Gleich danach kommt Gaby Huber nach vorne, im roten Bollywood-Kleid und präsentiert einen Bauchtanz zu indischen Rhythmen. Die beiden gehören zu den ganz Mutigen, die bei der Weihnachtsfeier von Insel e.V. am 12. Dezember im Bürgertreff Altona sogar auftreten, und sie werden von den rund 70 Menschen im Saal dafür mit Applaus honoriert.
Sie alle hier nehmen Beratungs- oder Begleitungsleistungen von Insel e.V. an den Standorten Altona oder Eimsbüttel in Anspruch, da sie wegen einer psychischen Beeinträchtigung auf Unterstützung angewiesen sind. Viele von ihnen kämpfen zudem mit Finanznöten, können aufgrund ihrer Einschränkungen nicht arbeiten und leiden unter Kontaktarmut oder Einsamkeit. Aber heute ist ein ganz besonderer Abend, an dem die Sorgen in den Hintergrund rutschen – sie feiern gemeinsam Weihnachten.
Insel e.V. feiert Weihnachten: Höhepunkt sind die gespendeten Geschenke
Und dann ist es endlich so weit. Nach einer Chor-Darbietung, dem köstlichen Buffet und den Einzelauftritten tritt Insel-Teamkoordinatorin Sigrid Dobrunz vor die Gäste und kündigt den nächsten Programmpunkt an: „Das Beste kommt zum Schluss: die Weihnachtspäckchen!“ Aufgeregtes Raunen macht sich im Raum breit, als es losgeht mit der Bescherung und alle Anwesenden einen der grünen Kartons erhalten, die der Verein Hamburger Abendblatt hilft gespendet hat. Auch Oliver Bauer (58), Diana Kluge (43) und Rüdiger Müller (61) öffnen ihre Geschenke. Dieses Jahr gibt es neben verschiedenen Süßigkeiten auch wieder süße von Kindern gemalte Bilder und wunderbare Bastel- und Handarbeiten von Abendblatt-Leserinnen und -Lesern. Außerdem hat Beiersdorf Nivea-Pflegeprodukte beigesteuert und Darboven und Tchibo haben Kaffeepakete gespendet.
Oliver Bauer freut sich am meisten über die Spekulatius im Karton. „Das sind meine Lieblingskekse, die gibt es nur an Weihnachten!“, sagt er. Für ihn ist dieses Fest die einzige Weihnachtsfeier. Zu seiner Exfrau und den gemeinsamen Kindern gibt es keinen Kontakt mehr. Er leidet unter einer Autoimmunerkrankung und ist seit Jahren auf einen Rollator angewiesen. In der Corona-Zeit sei er sehr vereinsamt, bis er kurz davor gewesen sei, sich vor den Zug zu werfen, berichtet er. Insel e.V. sei dann sprichwörtlich seine Rettung gewesen. Seit September nimmt er einmal wöchentlich das Gesprächsangebot der Ambulanten Sozialpsychiatrie (ASP) in Anspruch. Seine Betreuerin habe schon viel für ihn erreicht: Schuldenberatung, Schwerbehindertenausweis, Pflegegrad.
- Weihnachtspäckchen: Das einzige Geschenk zum Fest
- Weihnachtspäckchen-Aktion: Wärme verbreiten in der Krisenzeit
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Auch Diana Kluge nutzt das ASP wöchentlich. Die 43-Jährige macht derzeit einen sogenannten Ein-Euro-Job bei Mook wat e.V., einem gemeinnützigen Träger, der Langzeitarbeitslose in Beschäftigung bringt und qualifiziert. Danach möchte sie sich zur Alltagsbetreuerin weiterbilden lassen. Sie wird Weihnachten zwar auch noch mit ihrem Freund feiern, doch das Insel-Fest bedeutet ihr viel: „Es ist so schön, dass wir uns hier alle sehen“, sagt sie und ergänzt: „Das Beste ist, dass die Kinder etwas zu den Päckchen beigetragen haben“ und schaut mit glänzenden Augen auf das rote Kinderbild mit der selbst gemalten Weihnachtsmannmütze und den guten Wünschen darauf.
Psychisch erkrankt: Insel e.V. in Hamburg gibt Klienten wieder Halt
Rüdiger Müller ist begeistert von dem 500g-Kaffepaket in seinem Karton. „Das habe ich gleich gesehen!“, sagt er freudig. Der 61-Jährige lässt sich von Insel e.V. bereits seit 30 Jahren begleiten und erhält auch Hausbesuche, demnächst aber von einem anderen Insel-Team, denn er zieht um. Für den Verein ist dies kein Problem, denn er verfügt über insgesamt acht Standorte in verschiedenen Hamburger Stadtteilen.
In den verschiedenen Standort-Teams sind bis zu 14 für sozialpädagogisch ausgebildete Mitarbeiter im Einsatz. „Viele unserer Klienten sind durch schlimme Kindheitserfahrungen oder durch Schicksalsschläge psychisch erkrankt, andere haben schwere psychische Störungen“, erläutert Sigrid Dobrunz. Daneben kommen Menschen mit Lern- oder geistigen Behinderungen. Je nach Bedarf werden sie unterschiedlich unterstützt.
Insel e.V. in Hamburg bietet neben Beratung auch einen Chor und ein Kreativ-Atelier an
„Unser Ziel ist es, die Klienten wieder so weit zu stabilisieren, dass sie uns nicht mehr brauchen und zum Beispiel wieder eine Arbeit aufnehmen können“, ergänzt Dobrunz. Dabei versteht der Insel e.V. seine Arbeit nicht therapeutisch, sondern beratend und unterstützend. Neben den wöchentlichen Gesprächen finden dazu – je nach Bedarf – auch Begleitung auf Ämter oder eben Besuche zu Hause statt. Auch Angebote wie ein Kreativ-Atelier, der Chor, das regelmäßige Frühstück oder die Kochgruppe können ein Stück weit heilend wirken.
Die Weihnachtsfeier ist dabei für die Klienten ein absolutes Highlight. „Diese Veranstaltung ist für viele das einzige Weihnachtsfest. Die meisten sind allein“, sagt David Feidler, der Insel e.V.-Regionalleiter des Bereichs Süd/West in Hamburg. „Die Abendblatt-Pakete haben eine ganz besondere Bedeutung für unsere Leute. Es ist für sie eine ganz wichtige Geste.“ Und für viele das einzige Geschenk zum Fest.