Hamburg. Mit 13 erblindete Serdal Celebi, erlebte tiefe Verzweiflung. Neues Selbstbewusstsein bekam er beim FC St. Pauli.

Wenn man als Dreizehnjähriger blind wird, bricht erst einmal eine Welt zusammen. Serdal Celebi, der als Kind in der Türkei aufwuchs, hat einige Jahre gebraucht, bis er seine schleichende Erblindung annehmen konnte. „Ich habe schon als Kind schlecht gesehen, aber in der Türkei hatte ich keinerlei Hilfsmittel, als ich dann als Jugendlicher nach Deutschland kam, habe ich zum ersten Mal einen Blindenstock ausprobiert“, sagt der 39-Jährige im Podcast „Von Mensch zu Mensch“. Ein Mobilitätstraining half ihm, sich sicher mit dem Stock durch die Stadt zu bewegen, Unebenheiten und Hindernisse zu erkennen. „Nur die E-Roller sind eine echte Plage, ich bin gerade wieder über einen in der Stadt gestolpert, der lag mitten auf dem Fußweg.“ Was ihm jedoch am meisten geholfen hat, ist der Sport. Celebi spielte als Kind noch Fußball, später als Blinder hörte er sich zunächst Spiele über das Radio an, seit es Reporter gibt, die Live-Spiele für Blinde reportieren, geht er regelmäßig ins Stadion, natürlich zu St. Pauli, das ist sein Stammverein.

St. Pauli hat Celebi eine Heimat gegeben

Es ist auch der Verein, der dem zweifachen Vater, eine Heimat gegeben hat – beim Blindenfußball. Dabei wird mit zweimal vier Feldspielern plus Torhüter auf einem Handballfeld großen Platz gespielt. Der Blindenfußball rasselt, wenn er rollt, und kann dadurch geortet werden. Die Seitenlinien sind Banden, von denen der Ball abprallen kann und die als Orientierung dienen. Alle Spieler tragen eine schwarze Brille, der Torhüter ist sehend. Hinter dem Torhüter ist ein Guide, der die Spieler dirigiert. Die Spieler untereinander orientieren und warnen sich international mit dem Ausruf „Voy“ – „ich komme“. Es gibt nur eine Bundesliga in Deutschland. „Der Sport hat mir geholfen, selbstbewusster, mutiger und motivierter durchs Leben zu gehen“, sagt Celib, der als Physiotherapeut arbeitet und ehrenamtlich als Spartenleiter des Blindenfußballs fungiert. Er habe dadurch neue Menschen kennengelernt, sei neue Wege gegangen.

Ein Botschafter des Blindenfußballs

Serdal Celebi ist eine Art Botschafter des Blindenfußballs geworden – auch dadurch, dass er durch einen Torschuss im August 2018 viel mediale Aufmerksamkeit erlangte. Sein Tor wurde nämlich zum Tor des Monats gewählt, das erste Mal, dass einem Blindenfußballer diese Ehre zuteil wurde. „Das hat dem Blindenfußball sehr geholfen, wir konnten für den Sport viel Werbung machen.“ Dreimal ist Celebis Mannschaft deutscher Meister geworden. Ab 2014 spielte er in der deutschen Nationalmannschaft, mit der er im selben Jahr an der Weltmeisterschaft in Japan teilnahm. 2015 trat Celebi aus privaten Gründen aus der Nationalmannschaft zurück. „40 Stunden arbeiten, dann am Wochenende Lehrgänge und Urlaub nehmen für die Meisterschaften, das konnte ich nicht mehr durchhalten“, sagt er.

Neben Fußballer nun auch YouTuber

Neben dem Fußball hat Serdal Celebi eine zweite Leidenschaft für sich entdeckt. Er ist zum YouTuber geworden. Unter dem Motto: „Vertrau mir blind“ möchte Serdal Celebi St.-Pauli-Persönlichkeiten, aber auch anderen Menschen zeigen, mit welchen Schwierigkeiten und Hindernissen Blinde in der Stadt zurechtkommen müssen. Es ist eine Art „Dialog im Hellen“ durch die Stadt, die der ehemalige Führer der Ausstellung „Dialog in Dunkeln“ sich ausgedacht hat. In der ersten Folge hat Serdal Celebi Cheftrainer Fabian Hürzeler und die beiden Torhüter Sascha Burchert und Sören Ahlers zum Fußballduell unter gleichen Bedingungen gefordert. Blind von der U-Bahn St. Pauli bis zum Millerntor – das hat FC-St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich in der zweiten Folge ausprobiert. „Wir haben mehr als eine Stunde gebraucht für den Weg“, sagt Celebi lachend.