Schülerin Josephine Kuyateh möchte aktiv am Leben teilhaben. Doch als Rollstuhlfahrerin erlebt sie immer wieder Hindernisse. Ein Erfahrungsbericht.

Als 17-jähriges Mädchen, das aufgrund einer Erkrankung im Rollstuhl sitzt, ist das Thema Barrierefreiheit für mich von großer Bedeutung. Hamburg ist eine wunderschöne Stadt, aber sie bringt auch Herausforderungen für Menschen wie mich mit sich. Und die erlebe ich Tag für Tag.

Es beginnt schon mit den Gehwegen. Viele von ihnen sind ein unschönes Abenteuer, sie sind uneben und haben Löcher. Mit dem Rollstuhl bleibe ich oft an herausstehenden Platten hängen. Und egal wo, fast überall begegnen mir keine, zu hohe oder zugeparkte Bordstein-Absenkungen, meistens kann ich diese alleine nicht bewältigen. Zudem habe ich oft Angst, dass meine Elektroräder durch den Aufprall kaputt gehen.

Als ich das erste Mal mit der S-Bahn gefahren bin, war ich sehr überrascht, dass es keine Möglichkeit gab, als Rollstuhlfahrerin alleine hineinzukommen. Nach Recherchen im Internet habe ich erfahren, dass ich beim Zugführer an die Tür klopfen muss und er mir dann eine Rampe hinlegt. Als ich das in die Tat umsetzen wollte, wusste ich nicht, wo ich mich positionieren sollte, da nirgendwo ein Hinweis stand, in welchem Abschnitt der erste Waggon der S-Bahn hält. Als ich es zur Fahrerkabine geschafft hatte, hat mich der Zugführer sehr unfreundlich darauf hingewiesen, dass ich doch wohl zwei Minuten vorher dort sein müsse, wo er hält. Genervt hat er mir die Rampe zu Verfügung gestellt. Das war eine sehr unangenehme Situation für mich. Ich fahre deshalb nur noch Bus und U-Bahn. An den U-Bahn-Haltestellen sind barrierefreie Einstiegsbereiche immerhin durch Kinderwagen- und Rollstuhl-Symbole und ein Schachbrettmuster auf dem Bahnsteigboden gekennzeichnet.

Barrierefreie Wege in Hamburg: Probleme auch beim Einkauf und mit Fahrstühlen

Auch alltägliche Dinge wie Einkaufen machen mir Probleme, angefangen von zu engen oder vollgestellten Gängen bis hin zu nicht erreichbaren Waren. In einigen Läden – wie etwa bei einem Supermarkt neben meiner Schule – habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mit dem Rollstuhl nicht durch die Kassenzone passe. Dadurch komme ich immer in die unangenehme Situation, einen Mitarbeiter finden zu müssen und ihn darum zu bitten, mir einen anderen Weg zu öffnen, um aus dem Laden herauszukommen.

In mehreren Restaurants und Cafés ist es mir passiert, dass Toiletten nur im Keller sind und es keinen Fahrstuhl gibt. Ich bin auf Fahrstühle angewiesen, kann leider die Alternative einer Treppe nicht nutzen. Zur Nutzung von Fahrstühlen machte ich bisher auch einige schlechte Erfahrungen. An einem Fahrstuhl in einem Harburger Gebäude musste ich lange warten, denn er war durchgehend von vielen Menschen besetzt, sodass ich im Rollstuhl keinen Platz fand. Nach 20 Minuten hat meine Mutter dann vier Erwachsene höflich aus dem Fahrstuhl sozusagen „geschmissen“. Eine Fahrt mit den Aufzügen an meinem Wohnort in Barmbek kann sehr unangenehm sein. An den Türen und Wänden befinden sich Flüssigkeiten, die man nicht berühren möchte, und oft dringen beißende Alkohol- oder Urin-Gerüche in die Nase. In den neun Monaten, in denen ich hier wohne, habe ich nicht einmal mitbekommen, dass einer dieser Fahrstühle gereinigt wurde. Zudem habe ich immer Angst, dass der Fahrstuhl defekt sein könnte.

Eine inklusive Stadt sollte nicht mehr nur Ziel sein, sondern Realität werden

Auch in meiner Schule stoße ich an Grenzen. Viele Türen sind sehr schwer und öffnen sich nicht automatisch. So ist es für mich kaum oder gar nicht möglich, sie zu nutzen. An Unternehmungen mit meiner Klasse konnte ich bisher nicht immer teilnehmen. Wir wollten zum Beispiel einen Ausflug ins Kino machen. Doch das Abaton-Kino, wo ein Film über Drogenkonsum gezeigt wurde, ist nicht komplett barrierefrei. Somit konnte ich nicht mitmachen. Das fand ich sehr schade und traurig. Auch in der späteren Diskussionsrunde zum Film konnte ich nichts beitragen, nur zuhören.

Einer der wichtigsten Punkte sind für mich Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten. Bei vielen dürfen Begleitpersonen mittlerweile kostenfrei mitkommen, doch das ist keine Pflicht. Deshalb wird wahrscheinlich ein Traum von mir platzen: Ich möchte schon seit vielen Jahren auf eine bestimmte Convention gehen, eine Veranstaltung mit Schauspielern, die endlich mal in Deutschland sind. Doch die Eintrittstickets und Extras dafür sind sehr teuer. Ich habe lange gespart, damit ich mir das leisten kann. Leider habe ich nicht bedacht, dass ich auf eine Begleitperson angewiesen bin und diese Convention keine kostenlosen Begleitpersonen zulässt.

Für eine gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben ist noch viel zu tun

Im vielfältigen und offenen Hamburg wurden zwar schon Fortschritte bei der Barrierefreiheit gemacht, aber es gibt noch viel zu tun, um eine wirklich inklusive Stadt zu schaffen. Eine Stadt, in der Menschen wie ich mich frei bewegen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen unsere Anliegen ernst nehmen und sich weiterhin dafür einsetzen, dass Barrierefreiheit keine Ausnahme bleibt, sondern die Norm wird. Gemeinsam können wir eine Gesellschaft schaffen, in der jeder Mensch gleichberechtigt und selbstbestimmt leben kann, unabhängig von seinen Fähigkeiten. Es ist an der Zeit, dass Barrierefreiheit nicht mehr nur ein Ziel ist, sondern zur Realität wird.

Josephine Kuyateh war Schülerpraktikantin beim Hamburger Abendblatt. Sie geht in die Stadtteilschule Winterhude und lebt mit ihrer Familie in Barmbek. Aufgrund der Spinalen Muskelatrophie, einer genetischen Muskelerkrankung, sitzen sie und ihr Bruder im Rollstuhl. Durch ihre fortschreitende Erkrankung kann die Schülerin nur noch wenige Schritte gehen. Seit Kurzem wird sie von ihrem Assistenzhund JayJay begleitet, der vom Abendblatt-Verein finanziert wurde.