Manchen fällt es schwer, ihren Partner gehen zu lassen. Wie eine Trennung gelingen kann, beschreibt Beziehungscoach Heike Klopsch.

Die Partnerschaft ist beendet, der Mann an ihrer Seite ist weg – der Schmerz, den Sina (Namen verändert) empfindet, fühlt sich übermächtig an. Obwohl sie nicht glücklich in ihrer Beziehung war, fiel es ihr dennoch schwer, sich von Thomas zu trennen. Es war ein mühsamer, schmerzhafter Weg. Denn seit Jahren schon prägten fehlende Verbindlichkeit zur Beziehung und Respektlosigkeiten die Partnerschaft. Aber erst nach einer sehr langen Zeit des Leidens war Sina endlich in der Lage, einen Schlussstrich zu ziehen. Das Gefühl der Entlastung, das sie sich versprochen hatte, wollte sich jedoch nicht einstellen. Auf den Punkt gebracht: Der Kopf sagte Ja zur Trennung, dass Herz stolperte traurig und unentschlossen hinterher.

Warum fällt es uns eigentlich so schwer, loszulassen? Sich zu trennen fällt schwer. Viele Menschen halten lieber an einer unglücklichen Beziehung fest, als zu gehen. Die Angst vor dem Alleinsein ist häufig riesig. Aber auch Selbstzweifel spielen eine große Rolle. Werde ich noch mal jemanden kennenlernen? Sind meine Ansprüche vielleicht zu hoch? Bin ich zu kompliziert? Sollte ich nicht doch noch weiterkämpfen? All diese Überlegungen stehen im Raum. Doch wenn der Selbstwert auf Dauer in einer Beziehung beschädigt wird, dann ist es Zeit zu gehen.

Wenn man sich selber in der Partnerschaft aufgibt und klein macht

Einen offenen Blick auf die Beziehung zu werfen ist oft schmerzhaft, aber auch heilsam. Sina musste sich eingestehen, dass ihr Selbstbewusstsein in der Beziehung zu Thomas im Laufe der Zeit stark gelitten hatte. Sein Verhalten war häufig kompromisslos, er nahm wenig Rücksicht auf ihre Bedürfnisse. Aber besonders fatal waren seine immer wiederkehrenden emotionalen Rückzüge. Sina war durch Thomas’ Distanz-Nähe-Spiele irgendwann völlig zermürbt. Mal war er nah und verbindlich, kurze Zeit danach aber abweisend und unverbindlich.

Sina, die beruflich sehr erfolgreich und eigentlich selbstbewusst ist, ließ sich – zu ihrem eigenen Entsetzen – im privaten Bereich zunehmend Demütigungen und Zurückweisungen gefallen. Sie wurde immer kleiner und angepasster. Ständig fragte sie sich, was sie noch tun könnte, um Thomas zu gefallen. Sie achtete noch mehr auf ihr Äußeres, versuchte noch mehr auf Thomas’ Bedürfnisse einzugehen – sie hatte wirklich alles gegeben und war kurz davor, sich selbst in dieser Partnerschaft zu verlieren.

Gehen oder bleiben? Unser Bindungssystem prägt uns

Das Festhalten oder Schwer-Loslassen ist eng mit unserem Bindungsverhalten verknüpft. Wir alle haben einen biologisch sehr starken Wunsch nach Bindung, Trennung löst also bei den meisten Menschen große Ängste aus. Der britische Psychoanalytiker John Bowlby (1907–1990) gilt als Pionier in der Bindungsforschung. Er kam zu der Erkenntnis, dass unser Bindungsverhalten bereits in unserer frühen Kindheit geprägt wird und unser Beziehungsleben prägt. Bindung ist für uns lebenswichtig – ein Leben lang.

Nach der Bindungstheorie neigen Menschen zu Verlustangst oder zu Bindungsangst – die Glücklichen unter uns haben ein sicheres Bindungsverhalten und damit eine gute Balance zwischen Nähe und Distanz. Die Psychologin Rachel Heller und der Psychiater Amir Levine sind Beziehungsforscher und haben sich in ihren Forschungen intensiv mit Beziehungstypen auseinandergesetzt.

Nach ihrer Kategorisierung ist Sina ein eher unsicher-ängstlicher Beziehungstyp, Thomas hingegen neigt dazu, Bindung zu vermeiden. Sie braucht Nähe und Verbindlichkeit, er hat ein hohes Unabhängigkeitsbedürfnis. Die Kombination aus diesen beiden Beziehungstypen ist laut dem Forscherpaar nicht unproblematisch. Denn je mehr Nähe Sina einfordert, umso mehr distanziert sich Thomas. Mit seinem ausgeprägten Autonomiebedürfnis war er in der Beziehung zum Herrscher über Nähe und Distanz geworden, ein unheilvoller Tanz, den Sina atemlos mittanzte. Sie hat sehr große Angst vor dem Loslassen, denn als ängstlicher Beziehungstyp wird ihre tief sitzende Angst vor Verlust und Zurückweisung direkt getriggert.

Unser Gehirn liebt Routinen und belohnt sie mit Wohlfühlhormonen

Der Bremer Biologe und Hirnforscher Prof. Gerhard Roth hat sich mit dem Thema Veränderung beschäftigt. „Das Gehirn ist gefräßig und arbeitet immer an der energetischen Decke“, so Roth. Jede „Umverdrahtung“, also das Herstellen von neuen neuronalen Verknüpfungen, braucht viel Energie, etwas, was das Gehirn vermeidet. „Für das Gehirn bedeutet Veränderung Alarm, Gefahr, also etwas, was unbedingt vermieden werden soll“, so Roth. Das Gehirn liebt Routinen und belohnt uns, indem es körpereigene Opiate – sogenannte Wohlfühlhormone, ausschüttet. Wenn wir uns verändern wollen oder eine Veränderung – zum Beispiel eine Trennung – von außen herbeigeführt wird, müssen wir uns also mit den Widerständen unseres Gehirns auseinandersetzen. Bei rund 80 Prozent der Menschen ist der Wunsch nach Verlässlichkeit und Routinen sehr stark ausgeprägt. Sie halten aus diesem Grund oft lange an allem Vertrauten fest, auch wenn es ihnen subjektiv damit schlecht geht. Um aktiv in eine Veränderung zu gehen, muss laut Roth der Leidensdruck sehr hoch sein.

Im Kern geht es bei einer Trennung fast immer um ein gekränktes Ich, ein stark angegriffenes Selbstwertgefühl. Durch diese finale Zurückweisung fühlen wir uns als Person stark infrage gestellt. Habe ich nicht gereicht, ist jemand anderes attraktiver, begehrenswerter? Die Psychotherapeutin Stefanie Stahl, die sich mit dem Thema Selbstwert in Beziehungen beschäftigt hat, weiß aus ihrer jahrelangen Beratungspraxis, dass „fast alle Menschen ihren Selbstwert durch äußere Anerkennung stabilisieren. Wird uns diese entzogen, zum Beispiel dadurch, dass jemand sich von uns trennt, dann bricht der Selbstwert ein.“ In diesem Moment fühlen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes wertlos, entwertet. Und genau dies versuchen viele Menschen um jeden Preis zu verhindern. Da wird verdrängt, schöngeredet, ausgeblendet.

Veränderung in einer Partnerschaft geht immer nur gemeinsam

Sina hat es irgendwann für sich sehr klar formuliert: „Die Sehnsucht und der Wunsch, wie die Beziehung sein könnte, hat alles dominiert. Ich habe versucht, einen Beziehungstraum zu leben, und dabei die traurige und ernüchternde Realität komplett ausgeblendet.“ Sina hat eine Beziehung im Konjunktiv geführt, in der sie sich immer mehr von sich selbst entfremdet hat. Verzweifelt hat sie versucht, die Kontrolle über die Situation wiederzuerlangen. Doch irgendwann musste sie erkennen, dass das aussichtslos war. „Ich war wie die Beifahrerin in seinem Auto. Er bestimmte das Tempo und den Weg. Ich saß bewegungslos an seiner Seite und hatte einfach nur noch Angst. Ich hatte das Gefühl, auf einem Schleudersitz ohne Gurt zu sitzen.“ In dem Moment wurde ihr bewusst, dass sie dringend anfangen musste, die Steuerung über ihr eigenes Leben zurückzugewinnen.

Sina hat verstanden, dass nur sie alleine für ihren Selbstwert verantwortlich ist. Sie fing an, auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten, fragte sich, was ihr guttun würde. In einem langsamen Prozess hat sie sich wieder an sich selbst angenähert.

Kampfsport hilft, macht körperlich und mental stärker

Was ihr geholfen hat? Kampfsport! Durch das Training wurde sie Stück für Stück körperlich wieder fitter und mental stärker. Ein wichtiger Schritt in Richtung Heilung.

Klar ist, man kann und soll für den Teil Verantwortung in der Beziehung übernehmen, der bei einem selber liegt, aber niemand ist für alles verantwortlich. Veränderung in einer Partnerschaft geht immer nur gemeinsam. Und das gilt es herauszufinden. Dabei hilft die Gretchenfrage: „Willst du gemeinsam mit mir an unserer Beziehung arbeiten?“ Klare Kommunikation erfordert Mut. Man erkennt schnell, ob der Partner es ernst meint. Sina ist tatsächlich noch ein letztes Mal auf Thomas zugegangen. Sie hat ihm diese Frage gestellt. Die Antwort war ein „Jein“. Das war ihr zu wenig – sie konnte endlich loslassen.

Die Autorin berät in ihrer Praxis Herzkümmerei Menschen mit Beziehungsproblemen. Infos unter: www.herzkuemmerei.de/