Die Modedesignerin Bisrat Negassi und der Hamburger Arzt Umes Arunagirinathan berichten über gute und schmerzhafte Erfahrungen

Sie lebt in Hamburg, er in Bremen – zwei Menschen, die noch immer auffallen, weil sie eine dunklere Hautfarbe als die Mehrheit haben. Beide flüchteten als Kinder aus ihren Geburtsländern Eritrea und Sri Lanka nach Deutschland und integrierten sich erfolgreich. Bisrat Negassi und Umes Arunagirinathan leben inzwischen seit Jahrzehnten in Deutschland. Negassi ist Modedesignerin, Arunagirinathan Herzchirurg. Sie haben eindrucksvolle Autobiografien geschrieben über ihre reichhaltigen, oft auch sehr schmerzhaften Erfahrungen, insbesondere den alltäglichen Rassismus.

Kriege in ihren Heimatländern hatten zu ihrer Flucht geführt. Die Themen und Herausforderungen für Fremde, sich in Deutschland zu integrieren, gleichen sich, und doch ist für manche Menschen vieles schwieriger. Arunagirinathan hat das Ziel, „das Farbspektrum unserer Wahrnehmung zu erweitern“. So heißt sein Buch auch „Grundfarbe Deutsch“. Negassi zeigt in ihrem Buch „Ich bin“, wie wichtig der Zusammenhalt von Familien und Gemeinschaften ist, um etwas zu erreichen. Sie hat 2016 neben ihrem Beruf den gemeinnützigen Verein M.Bassy e. V. gegründet. Der Kultursalon fördert die Begegnung mit zeitgenössischen afrikanischen und afrikanisch beeinflussten Künstlern und Kreativen – besonders in Design, Mode und Musik.

Buchcover „Ich bin
Buchcover „Ich bin" von Bisrat Negassi © Goldmann Verlag | goldmann verlag

Arunagirinathan kam mit 13 Jahren nach Hamburg-Mümmelmannsberg. Durch engagierte Lehrerinnen gelang dem intelligenten Jungen der Anschluss ans deutsche Schulsystem. Dagegen habe er als „geduldetes“ Kind oft grimmige oder genervte Mitarbeiter der Ausländerbehörde erlebt.

Positives Gefühl für die neue Heimat

Durch viele gute Erfahrungen und Hilfe in der Gesellschaft habe sich bei ihm trotzdem ein positives Gefühl für die neue Heimat entwickelt. Er weiß jedoch: Alle Flüchtlinge tragen ihre Traumata und ihre Angst ein Leben lang mit sich. Die Vergangenheit berühre ihn immer noch sehr stark, schreibt er.

Er hat großes Mitgefühl für jeden Flüchtling, weil er Fluchtgründe und schlimme Erlebnisse selbst gut nachvollziehen kann. Und doch beschäftigt ihn ebenso die andere Seite: „Als Mitglied der deutschen Gesellschaft sehe ich auch die Probleme.

Tiefe Einblicke in Familiengeschichten

Als Gesellschaft schaffen wir es nicht, unbegrenzt vielen Menschen ein Zuhause zu bieten. Finanziell könnte der deutsche Staat eine Menge leisten, doch in kultureller Hinsicht sehe ich Schwierigkeiten im Hinblick auf die Integration. Und das ist meines Erachtens die Hauptsache.“ Dafür sei eine unabdingbare Hauptaufgabe für jeden Neubürger: die Sprache des Landes zu erlernen.

Die Bücher zeigen, wie schwierig der Weg sein kann, bis ein woanders aufgewachsener Mensch sich in Deutschland zurechtfinden und sich dem Land zugehörig fühlen kann. Sie geben tiefe Einblicke in die beiden Familiengeschichten und wecken Hochachtung vor dem, was Arunagirinathan und Negassi erduldet und ausgehalten haben und was sie leisten können. Negassi wollte schon als Zwölfjährige gekleidet sein wie die Frauen im Sudan – „schick und unpraktisch“, Arunagirinathan brachte eine wichtige Eigenschaft für einen guten Arzt mit, er sagt von sich: „Mein Vorteil ist, dass ich Menschen gern mag.“

Beeindruckende Persönlichkeiten

Die starken und beeindruckenden Charaktere der beiden Autoren sind die eigentlichen Hauptthemen in den Büchern, Gedanken zum Thema Rassismus sind natürlich ebenfalls sehr wichtig.

Bisrat Negassi setzt sich weiterhin ein gegen Rassismus: „Solange jemand kritisiert, dass ich mit meiner Kollektion Models laufen lasse, die so aussehen wie ich, bin ich noch nicht am Ziel.“ Und auch Umes Arunagirinathan wünscht sich genau das: dass die „Grundfarbe Deutsch“, im Vordergrund steht, wenn Menschen in Deutschland einander begegnen.

Bisrat Negassi: Ich bin, Wilhelm Goldmann Verlag, 272 S., 17€

Umes Arunagirinathan: Grundfarbe Deutsch, Ro­wohlt, 240 S., 17€