Die „Sorgende Nachbarschaft“ berät junge Familien im Nordwesten Hamburgs. Der Abendblatt-Verein unterstützt das Projekt.
Im halb abgetrennten kleinen Raum ihres modern eingerichteten Büros der „Sorgenden Nachbarschaft“ in Hamburg-Schnelsen, eines Projekts der Albertinen-Stiftung, sitzt Katharina Bader mit Leili Ahmadi (*Namen der Klienten geändert) an einem runden Tisch. Die Atmosphäre ist entspannt, die beiden kennen sich schon aus mehreren Gesprächen. Leili Ahmadi lebt seit 2015 in Deutschland. Sie verließ ihr Heimatland Iran wegen Eheproblemen und konvertierte zum Christentum, was ihr als Muslimin im Iran verboten war. Vor knapp einem Jahr bekam sie einen Sohn mit ihrem neuen Partner, der ebenfalls Iraner ist. Schon als Schwangere erfuhr sie bei der Anmeldung für einen Kitaplatz von der Sorgenden Nachbarschaft.
Über das Projekt wurde ihr eine persisch sprechende Hebamme vermittelt, es konnten Krankenkassenangelegenheiten gelöst werden, und in Kooperation mit dem Verein „Der Hafen hilft“ erhielt Ahmadi Möbel und Kindersachen für ihren kleinen Sohn Masih. Die 44-Jährige ist überzeugt, dass Migranten, die nach Deutschland kommen und hier nun leben, oft Unterstützung brauchen: „Es geht nicht nur um Geld. Es ist schwer, Formulare auszufüllen oder Briefe zu schreiben. Auch wissen sie oft nicht, wo es Hilfe gibt.“
Tipps für die Bewerbung
„Hamburger Abendblatt hilft e. V.“ unterstützte das seit Herbst 2020 bestehende Projekt Sorgende Nachbarschaft mit 5000 Euro. Leiterin Katharina Bader beschreibt es so: „Die Idee dahinter ist, Menschen zu unterstützen, die sich selbst nicht ausreichend helfen können. Wir wirken im Verbund mit anderen und leben und arbeiten mit unserem Netzwerk. In Hamburg braucht man bei den vielen verschiedenen Angeboten einen Lotsen, der sich auskennt.“ Die 40-Jährige ist auch Systemische Beraterin und Jobcoach, sie war zwölf Jahre im Personalwesen in einer Firma tätig.
Dieser Erfahrungshintergrund kommt Menschen wie Lutz Seifert zugute. Viele Absagen hatte der junge Mann aus Schnelsen bereits auf seine Bewerbungsschreiben für einen Ausbildungsplatz bekommen. Er war entmutigt und wusste nicht, woran es liegt. Deshalb ging Katharina Bader mit ihm seine Unterlagen durch. Es stellte sich heraus, dass Seifert zwar sehr aktiv war, die Bewerbungen jedoch zu generalisiert hielt. Bader gab Tipps für eine ansprechende, zielgerichtete Bewerbung und übte unter anderem mit ihm Frage-Antwort-Situationen für Vorstellungsgespräche. Sie motivierte Seifert schon allein deshalb, weil sie ihm klarmachte, dass Firmen bei Absagen in der Regel selten einen Grund angeben, damit sie sich rechtlich nicht angreifbar machen. Der junge Mann fühlte sich danach nicht mehr gleich persönlich abgewertet, fasste wieder Mut und hatte letztlich Erfolg.
Hilfe für Migranten bei Formalitäten
Momentan liegt der Schwerpunkt auf Familienberatung, Katharina Bader ist aber genauso Ansprechpartnerin für Themen wie Trennung, Krankheit, Überforderung, finanzielle und soziale Notlagen, Umgang mit Behörden – dazu gehört auch Begleitung zu Terminen – und eben Unterstützung bei der Ausbildungs- und Jobsuche. In Schnelsen zum Beispiel leben viele Migranten, die mit der deutschen Sprache besonders bei Formalitäten Probleme haben. Zielgruppen sind unter anderem Alleinerziehende, sehr junge Mütter, Familien mit Geldproblemen und Kinder, die ihre Angehörigen pflegen oder aufgrund von Sprachschwierigkeiten ihrer Eltern vieles organisieren müssen. Gemeinsam mit den Betroffenen werden nachhaltige Hilfskonzepte erarbeitet.
Bader hat ein Netzwerk von Kontakten zu Kinderspielhäusern, Sozialpädagogen, Lehrern bis hin zu Hausmeistern und Ärzten sowie zu Behörden. Sie ist auch eng verbunden mit dem Jugendamt und den „Frühen Hilfen“ – Elternberatung und Familienlotsendienst – im Albertinen-Krankenhaus, sodass gleich nach der Geburt eines Kindes die Weichen für Unterstützung gestellt werden können.
Kontakt durch Frühe Hilfen
„In der Klinik gibt es den Erstkontakt durch die Kolleginnen von Frühe Hilfen. In Problemfällen stellen die Frühen Hilfen auf Wunsch der betroffenen Familien den Kontakt zu uns her, und sei es nur für Gespräche, wie es den Müttern und Familien in der ersten Zeit nach der Entbindung geht. Ich bin sehr vorsichtig und versuche immer erst mal die Situation zu verstehen“, sagt sie, „am wichtigsten ist Unvoreingenommenheit.“
Hauptsächlich liegen Schwierigkeiten bei Formalitäten. Wenn eine alleinerziehende, überforderte Mutter vom Arzt gesagt bekommt, dass sie eine Kur beantragen sollte, scheitert dieses Vorhaben teilweise schon am Ausfüllen der Formulare. „Eine Mutter kurz vor einem Burnout oder einer Depression schafft das oft nicht mehr alleine. Vielfach sind die bei uns Hilfe suchenden Menschen im Prinzip sehr wohl fähig, ihr Leben zu meistern, aber wenn der Druck steigt und etwas Belastendes hinzukommt, helfen wir zu sortieren und zu strukturieren“, sagt Sabine Pfeifer (53), Geschäftsführerin der Albertinen-Stiftung.
Leili Ahmadi ist mit ihrem Baby und ihrem Partner nach 100 erfolglosen Bewerbungen endlich in eine größere Wohnung gezogen, nachdem sie zu dritt unter einem Dach gelebt hatten – auf 28 Quadratmetern. So hat auch sie neue Strukturen in ihrem Leben gefunden mithilfe der Sorgenden Nachbarschaft und ihrer Kirchengemeinde. Bei der Sorgenden Nachbarschaft geht es vielfach um die Frage: Was gibt es im Stadtteil an spezialisierter Hilfe? „Wenn wir nicht direkt helfen können, kennen wir jemanden, der jemand kennt“, sagt Katharina Bader. „Und wenn offizielle Maßnahmen auslaufen, können wir übernehmen und zusätzliche Angebote machen. Wir haben Kapazitäten für den Alltag.“
Albertinen-Stiftung – „Sorgende Nachbarschaft“, Kontakt: Katharina Bader unter E-Mail: katharina.bader@albertinen.de, Telefon: 0151 6109 1314