Zehn Prozent aller gebärfähigen Frauen haben die Erkrankung. Die Hamburgerin Vivian Wagner schreibt darüber auf Instagram
Als Vivian Wagner ihre erste Periode bekam, war sie zwölf Jahre alt. Mit dem Beginn der Regelblutung begann für sie ein Leidensweg. Sie litt unter extrem starken Schmerzen. „Ich hatte Krämpfe, musste mich übergeben und wurde sogar ohnmächtig“, sagt die heute 25-Jährige. Diese Beschwerden begleiteten sie seitdem bei jeder Regelblutung, sie nahm viele Schmerzmittel, um überhaupt zur Schule gehen zu können, und fehlte dennoch häufig im Unterricht. „Mit 13 Jahren ging ich zur Frauenärztin, sie konnte aber nichts finden, sagte mir, Regelschmerzen seien normal, und verschrieb mir Schmerztabletten und ein Jahr später die Pille“, sagt Vivian Wagner.
Doch die Hormone halfen nur vorübergehend. Zu den Unterleibskrämpfen kamen Rückenschmerzen, Verdauungsbeschwerden und Erschöpfung hinzu, die auch unabhängig von der Monatsblutung auftraten. Weil die Symptome ihr Leben extrem beeinträchtigten, suchte sie immer wieder neue Ärzte auf. „Doch keiner nahm mich richtig ernst, ich zweifelte schon an meinem Verstand“, sagt die junge Frau. 2020 sprach ein Gynäkologe erstmals eine mögliche Diagnose aus: „Endometriose.“ Er überwies sie an das Endometriosezentrum des Albertinen Krankenhauses Hamburg, wo sich die Diagnose bestätigte.
Im Albertinen Krankenhaus gibt es ein Endometriosezentrum
Bei der Endometriose handelt es sich um eine Art Gebärmutterschleimhaut, die sich am falschen Platz im Körper befindet. „Statt nur die Gebärmutterhöhle auszukleiden, können sich Schleimhautfragmente auch an den Eierstöcken, Eileitern, am Darm, der Harnblase, den Harnleitern oder in der Gebärmuttermuskulatur anlagern und Schmerzen im Unterbauch verursachen“, sagt Privatdozentin Dr. Enikö Berkes, Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe im Albertinen Krankenhaus Hamburg.
Zu ihrer Abteilung gehört das klinisch und wissenschaftlich zertifizierte Endometriosezentrum. „Die Endometriose ist nach den Myomen die zweithäufigste gutartige Erkrankung in der Gynäkologie. Zehn Prozent aller gebärfähigen Frauen sind von ihr betroffen, jährlich werden etwa 28.000 Frauen wegen Endometriose in Krankenhäusern stationär behandelt“, sagt Berkes, die seit vielen Jahren zu dem Thema forscht.
Das Chamäleon der Gynäkologie
Es gebe auch Frauen, die keine Beschwerden hätten oder neben den Schmerzen als Folge einer Endometriose ungewollt kinderlos blieben, so die Expertin. Weil die Krankheit sich individuell so unterschiedlich zeigt, nennt man sie auch das Chamäleon der Gynäkologie. „Bis eine Diagnose feststeht, vergehen im Durchschnitt sieben Jahre“, sagt Enikö Berkes. Um die nicht leicht erkennbare Krankheit sicher zu diagnostizieren, braucht es erfahrene, auf Endometriose spezialisierte Gynäkologen. Im Albertinen Krankenhaus wird je nach Schwere der Form eine individuelle Therapie eingeleitet.
Bei den häufigen leichteren Formen können sowohl Hormonpräparate wie die Pille eingesetzt werden, um das Wachsen der Schleimhaut zu verhindern, als auch eine operative Therapie erfolgen. Bei mittleren und schweren Formen ist „das erste Mittel der Wahl eine Bauchspiegelung, die unter Vollnarkose vorgenommen wird. Durch kleine Schnitte in der Bauchdecke werden Instrumente eingeführt, die Endometrioseherde entfernen und Verwachsungen lösen können“, sagt Berkes. Bei den meisten Patientinnen ist danach eine Schwangerschaft möglich, bei manchen kommt es zu Rückfällen. „Die Behandlung dieser Formen ist sehr komplex und erfolgt häufig in enger Zusammenarbeit mit den Kinderwunschzentren“, sagt Berkes.
Teilnehmerin bei „Germany’s Next Topmodel“ erkrankt
Das Ausmaß der Krankheit hat auch Anna Wilken erlebt. Die heute 25-Jährige, die nach Auftritten bei „Germany’s Next Topmodel“ mit einer Modelkarriere begann, leidet ähnlich wie Vivian Wagner an einer Form der Endometriose mit heftigen Einschränkungen. Auch sie suchte lange nach Antworten auf ihre extremen Unterleibsbeschwerden, bis sie bei der Endometriose-Expertin der Berliner Charité die Diagnose erhielt. Die operative Entfernung ihrer Endometrioseherde brachte keine dauerhafte Besserung.
Sie stellte sich der Krankheit, setzte sich mit alternativen Behandlungsmethoden, Ernährungsumstellung und der Stärkung der eigenen Psyche auseinander. Und schrieb über ihre Erfahrungen das sehr informative Buch „In der Regel bin ich stark“ (Eden Books). Hier erzählt sie unter anderem, wie sie den Austausch mit Internet-Communitys wie etwa den #endosisters als positive Unterstützung für sich entdeckt hat und warum sie selbst Aufklärungskampagnen über Instagram, YouTube oder ihren Blog startete und zur Influencerin wurde. „Ich war es so leid, dass kein Mensch wusste, was es mit der Krankheit auf sich hatte“, schreibt sie in ihrem ersten Buch. Vor Kurzem ist ihr zweites Werk „Na, wann ist es denn so weit?“ (ZS Verlag) erschienen, in dem es um die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten bei Kinderwunsch geht.
Vivian Wagner schreibt unter #endoloewin
Auf die Krankheit aufmerksam zu machen, über ihre tückischen Symptome zu informieren und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, war auch ein Weg für Vivian Wagner, die ebenfalls an einem chronischen Verlauf leidet. Seit ihrer Diagnose ist sie auf Instagram unter #endoloewin vertreten. „2020 wurde bei mir die Bauchspiegelung durchgeführt, bei der Endometrioseherde an der Blase, einem Eierstock und im Becken entfernt wurden. Seit der OP nehme ich die Pille im Langzeitzyklus, damit habe ich zurzeit weniger Schmerzen“, sagt die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte. Doch beschwerdefrei ist sie nicht. Während einer Reha-Kur lernte sie weitere Strategien der Schmerzbewältigung und erlebte den Austausch mit anderen betroffenen Frauen als „sehr positiv“. Als Influencerin gibt sie nun ihre persönlichen Erfahrungen bei der Bewältigung der Krankheit weiter oder verweist auf neueste Entwicklungen.
Ob die Teemischung aus Himbeerblättern und Frauenmantelkraut, bestimmte Yogatechniken, das spezielle Pflaster, das ihre Bauchnarben geschmeidig hält, oder die Folgen für die Partnerschaft – Vivian Wagner teilt das offen mir ihren Followern. „Ich bekomme viele positive Rückmeldungen“, sagt sie. Sie empfindet es als eine große Hilfe für sich und andere, „wenn man sich bewusst macht, dass man nicht allein mit der Krankheit ist“, sagt sie.