Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg hat mit Museen der Stadt Telefon-Führungen entwickelt. Die Anmeldung ist derzeit kostenfrei
Gemütlich auf dem Sofa sitzen, das Telefon auf laut stellen und sich hörend durch eine Ausstellung mit Gemälden von Max Beckmann bewegen, das ist eine ganz neue Art von Museumsbesuch. Unter dem Motto „Bei Anruf Kultur“ testen der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH), die Agentur grauwert und mehrere Hamburger Museen gemeinsam in einer Pilotphase mit sechs Terminen diese besondere Form des Kunstgenusses.Bei der ersten Telefon-Führung zu den Gemälden Max Beckmanns folgten 15 Zuhörerinnen und Zuhörer den Beschreibungen der freiberuflichen Kunst- und Filmhistorikerin Anja Ellenberger.
Die Expertin, die in Nicht-Corona-Zeiten auch direkt in der Kunsthalle durch die Ausstellung „Max Beckmann. Weiblich-Männlich“ führen würde, nimmt die Telefongruppe mit zu Werken, auf denen sich der Künstler in Selbstporträts dargestellt hat. Sie erläutert etwa das Bild „Florenz“ von 1907, auf dem Beckmann „mit dem Rücken zum Fenster lässig vor uns steht, mit Zigarette in der Hand“. Sie beschreibt den Maler und den Blick aus dem Fenster hinter ihm, auf Büsche und Blumen und die Dächer von Florenz. „Der Blick auf die Vegetation wirkt flimmernd, ist impressionistisch gemalt.“ Auch wenn man als Zuhörer das Bild nicht vor Augen hat, so entsteht doch ein Eindruck, kann man sich einen heißen Sommertag mit flirrender Luft vorstellen.
Man muss sich auf die Beschreibung einlassen
Seinen Stil wird der Maler im Laufe seines Schaffens weiterentwickeln bis hin zu kräftigen Farben und kantigen Formen. Das verdeutlichen weitere Selbstporträts, auf denen man etwa einen Mann erahnen kann, „bei dem der Erste Weltkrieg, in dem er Sanitäter war, auch Spuren hinterlassen hat“, sagt Anja Ellenberger. Nach dem es anfänglich gewöhnungsbedürftig ist, sich auf Bilder einzulassen, die man nicht sieht, kommen einem die Werke doch näher und man erfährt dazu viel über Max Beckmanns Leben (1884 bis 1950), seine Familie und seine Zeit.
Das bestätigen auch die Zuhörer dieses ersten Testlaufs, die aus dem Umkreis des Blinden- und Sehbehindertenvereins kommen. „Sie haben die Bilder sehr gut beschrieben, ich hätte nicht gedacht, dass so etwas am Telefon geht“, lobt eine Zuhörerin die Kunsthistorikerin. Und positiv heben die Teilnehmer auch hervor, dass es während und auch nach der Führung Gelegenheit für Fragen und einen Austausch gab.
Gut für Menschen, die nicht mobil sind
Darauf wollen die Beteiligten des Projekts weiter aufbauen. „Telefonführungen können auch nach der Corona-Zeit für die Museen interessant sein. Vor allem wenn sie sich an Menschen richten, die nicht ins Museum kommen können, etwa weil sie nicht mobil sind“, sagt Mathias Knigge von der Agentur grauwert, die sich um inklusive Lösungen in verschiedenen Bereichen kümmert. Das Projekt wurde von der Aktion Mensch gefördert. „Es ist in der Pilotphase kostenfrei, aber eine Anmeldung ist erforderlich“, sagt Melanie Wölwer vom BSVH.
In diesen Museen gibt es Führungen
Museum für Kunst und Gewerbe: Am 8. Februar um 15 Uhr „Die wilden 1920er Jahre in Hamburg“ mit
Rebecca Junge.
Altonaer Museum: Am 11. Februar um 11 Uhr „Lebendige Vergangenheit in der Vierländer Kate“ mit
Ulla Weichlein.
Bucerius Kunst Forum: Am 17. Februar um 16 Uhr „Georges Braques – Tanz der Formen“ mit Anja Ellenberger
Museum der Arbeit: Am 19. Februar um 10 Uhr „Grenzenlos. Kolonialismus, Industrie und Widerstand“ mit Andreas Kohlschmidt.
Internationales Maritimes Museum: Am 20. Februar um 15 Uhr „Unsere Museumsschätze – Die Höhepunkte der Sammlung“ mit Ulrike Friedrichs.
Anmeldung über den Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg: Melanie Wölwer, E-Mail:
m.woelwer@bsvh.org, Tel. 040/ 209 404 29