Lebensmittelgutscheine, Blumen und Mutmach-Briefe. Wie Vereine für ältere Menschen die Kontaktsperren während der Corona-Krise überbrücken

In der einen Hand hielt er einen bunten duftenden Blumenstrauß, in der anderen eine Grußkarte und einen 25-Euro-Lebensmittelgutschein. Mit diesen Geschenken überraschte Lennard Koeppen zu Pfingsten Alexander S. an der Haustür seiner Wohnung. Sonst begleitet der Schüler der Wichernschule den älteren Mann zu Kunstevents, aber seit der Corona-Krise sind diese Kulturbegegnungen nicht mehr möglich.

Deswegen hat sich der Verein Kulturistenhoch2 (KH2), der sonst bedürftigen und oft körperlich eingeschränkten Senioren ab 63 Jahren die Besuche vielfältiger Kulturveranstaltungen ermöglicht, diese schöne Aktion überlegt. „Fest- und Feiertage sind allein oft schwer zu ertragen und zu Corona-Zeiten fühlen sich viele ältere Menschen noch isolierter als zuvor“, sagt Christine Worch, Projektleiterin von KH2. Die Lebensmittelgutscheine spendete der Verein „Hamburger Abendblatt hilft“, für die Sträuße kooperierten die Kulturisten mit dem Unternehmen Bloomgerie von Anne Cavalier.

Schöne Pfingstaktion für Älters des Vereins Kulturistenhoch2

Rund 30 Schülerinnen und Schüler, die sonst Senioren ins Museum, Theater oder Konzert begleiten, machten bei der Aktion mit und beschenkten gemeinsam mit dem KH2- Team insgesamt 175 ältere Menschen in Hamburg. Bei den Begegnungen entwickelte sich oft ein Austausch, der bereichernd für beide Generationen gewesen sei – über die eigene Biografie, das Alter, das Jungsein und ebenso zu Themen wie Gärtnern oder Tiere, berichtet Worch.

„Oh, wie schön, das sind die ersten Blumen für mich in diesem Jahr!“, freute sich eine ältere Dame, eine andere erzählte dankbar: „Mir ging es heute nicht besonders gut, aber Ihr Besuch hat mich aufgefangen und mir das Wochenende versüßt.“ Peter S. bedankte sich per E-Mail beim Verein: „Persönlich an der Haustür von euch mit einem Frühlingsblumenstrauß überrascht zu werden, ist ein besonderer Höhepunkt für mich, besonders in diesen Tagen mit all den unerfreulichen Corona-Nachrichten. Doch nicht nur allein die Blumengrüße, auch die Karte und der Lebensmittelgutschein ließen meine Laune raketenhaft an die Decke steigen. Vielen herzlichen Dank für die tolle Idee.“

Ein Zeichen für den Zusammenhalt der Gesellschaft

„Wir wollten damit einen Kerngedanken von Alt und Jung im Tandem aufnehmen und ein Zeichen gegen Einsamkeit sowie für Zusammenhalt setzen“, sagt Initiatorin Christine Worch. Dem 17 Jahre alten Lennard machten die Besuche viel Freude. „Bei den Begegnungen haben sich sehr nette Gespräche ergeben, zum Beispiel über altersgerechtes Wohnen und über das Leben an sich. Und es haben sich alle besuchten Senioren sehr gefreut. Das fand ich sehr schön zu erleben. Diese Aktion könnte man noch mal machen – ich wäre dabei.“

Das KH2-Team steht seit Beginn der Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen in regelmäßigem Telefonkontakt mit allen 175 Senioren, die an dem Programm teilnehmen. Im persönlichen Gespräch können so eventuelle Notsituationen sowie Bedürfnisse erfragt und anschließend Hilfsangebote – zum Teil auch mit Partnerorganisationen – umgesetzt werden.

Seniorinnen und Senioren, die zukünftig bei dem Projekt mitmachen möchten, können sich informieren unter Tel. 20 90 53 31, E-Mail: post@stiftung-
generationenzusammenhalt.org oder www.kulturisten-hoch2.de.

„Freunde alter Menschen e.V.“ organisierte Telefonpartner

Für die 86 Jahre alte Hildegard Ahrens sind die regelmäßigen Anrufe, die Postkarten und kleinen Päckchen von Christopher Thon (42) immer ein Lichtblick in diesen Tagen, in denen sie wegen der Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19-Viren besonders vorsichtig sein muss. „Dem Christopher kann ich alle meine Sorgen erzählen. Er hört sich meine Probleme an und versucht sie zu lösen“, sagt die alte Dame aus Altona. Kennengelernt haben die beiden sich über den Verein „Freunde alter Menschen“, der seit 2014 in der Hansestadt Besuchspartnerschaften zwischen jungen Ehrenamtlichen und Senioren organisiert, um die Älteren vor Isolation und Einsamkeit zu bewahren.

„Wir haben natürlich alle Veranstaltungen abgesagt und die regulären Besuchspartnerschaften während der Corona-Krise auf Telefonanrufe, Briefe oder sogar Bildtelefonie umgestellt“, sagt Simone Sukstorf, Sprecherin der Initiative. Zudem wurde Senioren, die bisher keine Besuche hatten, auf Wunsch eine Telefonpartnerschaft vermittelt. „Wir haben alle 14 Tage einen sechsseitigen Mutmach-Brief an alle alten Freunde versendet. In diesen Briefen haben wir Erbauliches zusammengestellt wie Gedichte, schöne Bilder, Geschichten, einfache Rezepte und Rätsel“, erzählt Sukstorf. Zu Ostern überbrachten Ehrenamtliche ihren Besuchspartnern einen Blumenstrauß.

Balkonschnack, Postkarten und einmal Toast Hawaii

Christopher Thon hält den Kontakt zu Hildegard Ahrens nicht nur über das Telefon, sondern kommt auch mal auf einen Balkonschnack vorbei und schickt ihr Postkarten, die er aus selbst gemachten Fotos erstellt. Letztens kaufte er für ihr Lieblingsessen „Toast Hawaii“ ein. Dazu stellte der Notfallsanitäter eine Einkaufstüte mit Toast, Käse, Schinken, Ananas und einer Karte vor die Tür der Seniorin und schickte ihr anschließend ein Foto. Es zeigt ihn und seine Freundin, die das Gleiche essen

„Das fand ich ganz wunderbar. Christopher ist eine echte Bereicherung für mein Leben“, sagt die Seniorin. Wenn sich beide Besuchspartner ein Treffen wünschen, können die regelmäßigen Besuche inzwischen wieder aufgenommen werden. „Letzte Woche war ich das erste Mal seit März wieder in Hildes Wohnung zum Kaffee. Wir saßen weit voneinander entfernt, natürlich hatten wir beide Masken an und das Fenster auf. Das Treffen hat uns beiden richtig gut getan“, erzählt Christopher Thon.

Der Verein „Freunde alter Menschen“ nimmt wieder neue Freiwillige und Senioren auf und vermittelt Besuchspartnerschaften, primär in den Bezirken Mitte, Nord, Altona und Eimsbüttel. Bei der Vermittlung findet ein persönliches Treffen statt, alle Beteiligten tragen dabei Schutzmasken und halten die Abstandsregeln ein. Weitere Infos unter Tel. 32 51 83 17, E-Mail: hamburg@famev.de und www.famev.de.

Video-Chats mit „Wege aus der Einsamkeit e.V.“

Sehr kreativ wurden die Ehrenamtlichen vom Verein „Wege aus der Einsamkeit“. In normalen Zeiten erklärt der Verein Senioren in kostenfreien Seminaren die Funktion von Tablets und Smartphones. „Wegen Corona mussten wir unsere analogen Veranstaltungen absagen. Wir haben dann digitale Versilberer-Runden ins Leben gerufen“, sagt Dagmar Hirche, Vorsitzende des Vereins.

Doch gerade für die digitalen Einsteiger sei es zunächst schwer gewesen, an diesen Videochats teilzunehmen. „Deswegen haben wir Erklärvideos gedreht, eine telefonische Hotline eingerichtet und begrüßen seit dem 25. März täglich bis zu 45 Senioren in unserer digitalen Runden. Wir plaudern, lachen, lernen gemeinsam und haben ein Programm mit Lesungen, Spielen und Musik gestartet“, so Hirche.

Polizisten gaben virtuelle Tipps gegen Betrüger

Es gab eine Lesung mit dem Schauspieler Christian Pätzold, der auch von dem Verein geschult wurde, wie man die Video-Plattform ZOOM nutzt, es gab Informationen rund um Testamente, Vollmachten mit einer Vorsorge-Anwältin aus Hamburg, und zwei Kommissare vom Landeskriminalamt haben über neueste Maschen von Betrügern berichtet. Die Teilnehmer an den täglichen digitalen Runden von 10 bis 11.30 Uhr – außer sonnabends – sind zwischen 65 und 88 Jahre alt. Neueinsteiger sind jederzeit willkommen.

Zudem gab es bisher zwei digitale Versilberer-Partys mit DJ Elvis, der Musikwünsche erfüllte. „An diesen Partys wurde mit so viel Stimmung teilgenommen, die Teilnehmer haben vor den Bildschirmen gemeinsam getanzt, gesungen, gewippt und mit Sekt digital angestoßen“, erzählt Hirche. Am 14. Juni gibt es eine weitere digitale Party.

Durch eine Spende konnte der Verein Tablets und Smartphones kaufen, die sie nun an bedürftige Senioren über Partnervereine wie Kulturistenhoch2 ausleihen, damit diese Menschen auch digital mit ihren Angehörigen verbunden bleiben können.

Informationen rund um die digitalen Runden, Partys gibt es bei Dagmar Hirche unter der Tel. 42 23 62 23 200, E-Mail: hirche@wegeausdereinsamkeit.de, www.wegeausdereinsamkeit.de.