In der Arche in Jenfeld gibt es Coachs, die Jugendliche intensiv beraten. Der Abendblatt-Verein unterstützt das Projekt mit 10.000 Euro.

Das Fach Deutsch war früher nicht die Stärke von Alfred Gyimah. Eher durchschnittlich waren seine Noten, ebenso sein Interesse an Literatur und Lyrik. Doch dann nahm der 17-Jährige vor drei Jahren auf einer Jugendreise der Arche an einem Musik-Workshop teil. Dort entdeckte der Schüler seine Begabung für Texte, dass er in seinen Songs Gefühle und Botschaften wunderbar ausdrücken kann. Er wollte mehr daraus machen, und die Mitarbeiter des Arche-Jugendhauses unterstützen ihn dabei. Denn genau darin sehen sie ihre Aufgabe.

Seit fünf Jahren gibt es in der christlichen Einrichtung in Jenfeld das Projekt „Mutmacher“, an dem derzeit rund 100 Jugendliche teilnehmen. Etwa die Hälfte nimmt nur die Nachhilfe in Anspruch, die anderen haben einen von vier festangestellten Coachs an ihrer Seite, mit dem sie sich wöchentlich treffen und der ihnen in allen Lebenslagen zu Seite steht, sie im Übergang von Schule zu Beruf, kreativ oder sportlich fördert. „Zu uns kommen viele Mädchen und Jungen mit unterschiedlichsten Problemen. Viele leben in Armut, haben Gewalterfahrungen, manche ihrer Eltern sind drogen- oder alkoholsüchtig oder schlichtweg mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert“, sagt Shabnam Jalali (43), die das Projekt Mutmacher entwickelt hat und seit seinem Beginn leitet. Sie und ihr Team kommen vor allem an der Theke, einem zentralen Ort im Jugendhaus, mit den 13- bis 18-Jährigen ins Gespräch.

Gemeinsam nach den Ursache suchen

Jeden Tag sind 50 bis 60 Jugendliche da, manche treffen sich im ehemaligen Gemeindehaus mit ihren Freunden nur zum Quatschen, Billard- oder Kickerspielen. „Doch wenn wir merken, dass sie Hilfe benötigen, sprechen wir die Jugendlichen direkt an“, sagt Jalali. Die gebürtige Iranerin ist eine warmherzige, mütterliche Frau, die sich gut mit ihren Schützlingen identifizieren kann. „Wenn ich früher keine Mentoren an meiner Seite gehabt hätte, wäre ich auch nicht so weit gekommen“, sagt die studierte Betriebswirtin, die vor ihrer Tätigkeit für die Arche als interkulturelle Trainerin gearbeitet hat. Beim Mutmacher-Projekt geht es nicht darum, Probleme für die Jugendlichen zu lösen, „sondern gemeinsam mit ihnen nach den Ursachen zu suchen, dazu gehen wir auch notfalls mit zu den Eltern. Aber wir stärken ihre Talente, definieren mit ihnen Ziele und helfen ihnen, ein selbstständiges Leben zu führen“, beschreibt Jalali das Projekt.

An Alfreds Seite ist David Aslan. Der 29 Jahre alte Erzieher ist selber HipHopper und ermutigte seinen Schützling dazu, an dem bundesweiten Musik-Wettbewerb mit dem Thema „Dein Song für die Welt“ mitzumachen. 4000 Jugendliche waren dabei – und Alfred gehörte mit seinem Lied, in dem er über Zusammenhalt, Träume und Flüchtlinge rappt, zu den 23 Siegern des Songcontests. Er stand in Berlin auf der Bühne des Admiralspalasts, wurde zudem mit einem Preis des Senats im Hamburger Rathaus geehrt. Das war im Sommer 2018 und seither weiß der junge Mann, „dass alles im Leben möglich ist“. Er, der nie gut in der Schule war, geht inzwischen auf die Sophie-Barat-Schule, liebt Lyrik und Prosa und macht sein Abitur.

Zu acht in einer Dreizimmerwohnung

Alfred kommt aus schwierigen Verhältnissen, seine Eltern sind aus Ghana nach Jenfeld gekommen. Mit seinen sechs Geschwistern lebt der Schüler in einer Dreizimmerwohnung. Seit er klein ist, geht er in die Arche, früher war er im Kinderhaus. „Das ist für mich wie ein zweites Zuhause. Wenn es die Arche nicht geben würde, sähe mein Leben ganz anders aus. Ich wäre ohne Hoffnung. Das ist hier einfach ein ganz besonderer Ort mit wunderbaren Menschen“, sagt er ernst und bemerkt gar nicht, dass Shabnam Jalali bei diesen Worten Tränen in die Augen schießen.

Mit im Raum sitzt Shivani Bhatia. Die 19-Jährige wurde drei Jahre lang von Jalali begleitet und gecoacht. Shivani ist Hindu. Sie und ihre Familie wurden als religiöse Minderheit in Afghanistan verfolgt. Ihre Eltern, sie und ihre zwei Schwestern durften nicht zur Schule gehen, sie flohen 2015 nach Hamburg und wohnen in der Flüchtlingsunterkunft in der Grunewaldstraße. Dort erfuhren sie von der Arbeit der Arche. „Meine Schwestern und ich gingen da vor allem hin, weil wir die vielen Behördenformulare nicht verstanden haben. Hier haben uns die Betreuer geholfen und ich habe gut Deutsch gelernt“, sagt sie fehlerfrei. Sie bekam zudem Nachhilfe und Schulmaterialien gestellt, inzwischen hat Shivani die mittlere Reife und macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe, aber Shabnam hat mir immer Mut gemacht. Mit ihr konnte ich auch private Probleme besprechen“, erzählt die junge Frau.

Jeder investierte Euro bringt 20 Euro Mehrwert

Das Projekt wurde von der Boston Consulting Group (BCG) auf Wirksamkeit in einer Studie 2017 untersucht. „Dabei kam heraus, das Jugendliche, die schon als Kinder in der Arche gefördert wurden, eine sehr viel höhere Erfolgsaussicht auf einen Schulabschluss oder einen höheren Schulabschluss und damit auf eine Ausbildung oder berufliche Perspektive haben“, sagt Tobias Lucht, Regionalleiter der Arche Hamburg. Jeder investierte Euro in das Förderprogramm Mutmacher bringe mindestens 20 Euro sozialen Mehrwert für die Gesellschaft, stellte BCG fest. Ein gesellschaftlicher Nutzen ergebe sich insbesondere durch bessere Bildung, soziales Engagement, gesünderes Leben sowie Straffälligkeitsprävention der Jugendlichen, heißt es in der Studie.

Seit Shivani aus dem Mutmacher-Programm raus ist, engagiert sie sich wie viele ehemalige Teilnehmer ehrenamtlich in der Arche, gibt Kosmetik-Workshops, hilft mit bei Benefiz-Abenden und fährt als Betreuerin bei den Sommerfreizeiten mit. Auch Alfred hat schon auf Benefiz-Events gerappt und fährt in diesem Jahr als Aufsicht ins Sommercamp mit. Die beiden jungen Menschen sind sich einig: „Wir haben hier von der Arche so viel bekommen, da möchten wir unbedingt etwas zurückgeben.“

Hintergrund zur Arche

Der Verein „Die Arche – Christliches Kinder- und Jugendwerk e. V.“ wurde 1995 in Berlin gegründet und betreibt Freizeiteinrichtungen und Schulbetreuung für sozial benachteiligte Kinder in verschiedenen deutschen Städten.

Die Arche Jenfeld entstand 2006 auf dem Gelände der ev.-luth. Friedenskirche. Auslöser war der Hungertod der sieben Jahre alten Jessica in der Wohnung ihrer Eltern. Es gibt ein Kinderhaus für Vier- bis 13-Jährige und ein Jugendhaus. Der Verein finanziert sich aus Spenden. Informationen: www.kinderprojekt-arche.de