Die Hamburger Krebsgesellschaft e.V. begleitet Patienten bei finanziellen und psychischen Krisen während und nach der Krankheitsphase.
Das UKE ist zwar gleich nebenan, aber die Atmosphäre im Haus der Hamburger Krebshilfe e. V. am Butenfeld ist für die meisten Besucher eine völlig andere als die in einem Krankenhaus. Die Räume der Backsteinvilla sind zum Wohlfühlen, hell und freundlich gestaltet, es gibt einen Garten und vor allem Beraterinnen, die sich Zeit nehmen, um ausführlich darüber zu reden, was die Klienten gerade bedrückt. Oft geht es um den Schock der Diagnose, Ängste und die finanziellen Probleme, die eine Krebserkrankung mit sich bringen können. Für jeden dieser Bereiche gibt es Expertinnen, die die Patienten kostenfrei beraten und begleiten oder ihnen „einfach den Rücken stärken“, wie es Heike Martens (Name geändert) beschreibt.
Die Apothekerin hat eigene Erfahrungen mit Chemotherapien, kennt die Sprache der Ärzte und das Krankheitsbild ihres Neuroendokrinen Karzinoms, einer seltenen Krebserkrankung, die alle Zellen befallen kann. Doch mit ihren Ängsten, die sie plötzlich hatte, kam sie nicht alleine klar. „Ich wollte meine Tochter und meinen Mann nicht über Gebühr mit meinen Sorgen belasten“, sagt die 61-Jährige. Deswegen ist sie in die psycho-onkologische Beratung der Hamburger Krebsgesellschaft gegangen. „Hier waren alle Gefühle zugelassen, ich konnte meine kreisenden Gedanken sortieren und habe gute Ratschläge bekommen, wie ich zum Beispiel meiner Mutter die Erkrankung erklären soll oder ob eine Perücke sinnvoll ist“, sagt Heike Martens, die vier Wochen lang zur Beratung ging.
Rund 2000 Beratungskontakte pro Jahr
Danach fühlte sie sich stark genug, um an verschiedenen Kursen, die der Verein auch anbietet, teilzunehmen. Martens hat sich für „Jetzt aktiv“, bei dem es Sporteinheiten und Vorträge über Ernährung gibt, Yoga und ein Achtsamkeitsseminar entschieden, dabei Kontakte zu anderen Krebspatienten aufgebaut und gelernt, „dass ich mich auch wichtig nehmen muss. Das fällt meiner preußischen Seele schwer.“ Rund 2000 Beratungskontakte pro Jahr hat der 1951 gegründete Verein, der seit sechs Jahren außer in Eppendorf auch in Harburg vertreten ist. Fast 85 Prozent Frauen sind es, die am häufigsten wegen Brustkrebs in die Beratungsstellen kommen und an den Kursen teilnehmen. Sehr beliebt sind das Kosmetikseminar und die Kunsttherapie. Auch für Angehörige gibt es Angebote – alles ist kostenfrei, der Verein finanziert sich allein mit Spenden.
Angehörige können mitkommen
Die beiden Psychologinnen sowie die Ärztin und Geschäftsführerin Franziska Holz begegnen in den psycho-onkologischen Beratungsstunden den vielfältigen seelischen Belastungen bei einer Krebserkrankung und beziehen auf Wunsch auch Angehörige mit ein. „Sehr oft unterstütze ich unsere Klienten dabei, die Befunde richtig zu verstehen und Entscheidungen zu treffen. Dabei hilft mir natürlich, dass ich beide Seiten kenne“, sagt Holz, die viele Jahre als Oberärztin in verschiedenen Gynäkologie-Kliniken gearbeitet hat. Bei ernsthaften psychischen Problemen vermitteln die Beraterinnen allerdings weiter an Therapiestellen. Der Verein ist gut vernetzt im sozialen Hilfesystem.
Die drei zusätzlichen Sozialberaterinnen unterstützen sehr oft bei finanziellen Nöten, bei Themen rund um Schwerbehinderung, Rente, füllen gemeinsam mit Patienten Härtefall- und Reha-Anträge aus und geben Tipps für die Wiedereingliederung in den Beruf. „Leider ist Krebs ein sehr großes Armutsrisiko, gerade wenn der Hauptverdiener wegfällt. Von Hartz IV können die wenigsten ihre laufenden Kosten bezahlen“, sagt Franziska Holz.
Ein Gehirntumor mit 29 Jahren
Diese Erfahrung hat auch Julia Popp (32) gemacht, die ihr Studium beendet hatte und kurz vor einer Anstellung als Fotoredakteurin beim „Spiegel“ stand, als 2016 bei ihr ein Gehirntumor diagnostiziert wurde. „Das war ein totaler Schock, auch finanziell. Ich wollte gerade durchstarten und hatte mit 29 Jahren überhaupt noch nicht an Krankentagegeld, Rente oder Versicherungen gedacht“, sagt Popp. Die Freiberuflerin lebt derzeit von ihrem Ersparten und wird von ihren Eltern finanziell unterstützt. Nachdem sie verschiedene Chemotherapien und OPs durchgestanden hatte, ging sie vor einem Jahr erstmals zur Sozialberatung bei der Hamburger Krebsgesellschaft.
„Im Internet, von Freunden und überallher bekam ich Tipps, was ich machen könnte. Das war gut gemeint, hat mich aber oft auch sehr belastet. Hier saß mir endlich mit Frau Woitschikowski ein Profi gegenüber. Ihren Infos konnte ich vertrauen, sie hat mir erzählt, welche sozialen Leistungen ich bekommen kann“, sagt Popp, deren aktuelle Antikörpertherapie nicht von der Krankenkasse übernommen wird. Ihr habe gefallen, dass das Angebot so niedrigschwellig sei. „Zum Sozial- oder Arbeitsamt wäre ich nur ungern gegangen“, sagt sie.
Rückkehr ins Arbeitsleben
Doch so füllte sie gemeinsam mit der Sozialarbeiterin unter anderem einen Reha-Antrag aus und nahm ihre Eltern zu einem Gespräch mit. „Vor allem habe ich nicht mehr das Gefühl, all den Behördenkram alleine durchstehen zu müssen“, sagt Julia Popp. Sie plant, bald wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. Auch dafür hat sie von Frau Woitschikowski Tipps bekommen.
Die Hamburger Krebsgesellschaft e. V. fördert Projekte aus allen Bereichen der Onkologie, Forschung und bietet psychosoziale Betreuung von Menschen mit Krebs und ihren Angehörigen an.
Eppendorf: Butenfeld 18, Tel. 41 34 75 68 0, E-Mail: info@krebshamburg.de, Sprechzeiten: Mo–Fr, 9–16 Uhr und nach Vereinbarung. Jeden ersten Donnerstag im Monat gibt es ein Infocafé von 17–19 Uhr für Patienten und Angehörige.
Harburg: Schlossmühlendamm 3 Tel. 30 09 22 27, E-Mail: harburg@krebshamburg.de, Sprechzeiten: Di–Fr 9–12 Uhr und n. V. Infos: www.krebshamburg.de