Die Freiwilligen bieten in Notfällen menschlichen Beistand. Eine Helferin beschreibt die „Erste Hilfe für die Seele“ in einem Buch
Von einem Moment auf den nächsten kann es passieren, dass ein Mensch etwas erleben muss, das ihn aus seinem normalen Leben herausreißt. Dann tut es gut, jemanden an der Seite zu haben, der den Betroffenen in der neuen, belastenden Situation betreut. Diesen Beistand leisten ehrenamtliche Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams (KIT) des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Hamburg. Das KIT ist zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar und wird gerufen, wenn Augenzeugen von Unfällen, Opfer von Straftaten oder Hinterbliebene betreut werden müssen.
Aktuell werden Ehrenamtliche für das etwa 40-köpfige Hamburger Team gesucht. Das Mindestalter ist 25 Jahre, der Bewerber sollte einen Führerschein Klasse B haben und zeitlich flexibel sein für jeweils zwei Bereitschaftsdienste im Monat. An sieben Wochenenden erfolgt nach der Bewerberauswahl eine Grundqualifizierung. Die Ehrenamtlichen des KIT sind zuständig für die psychosoziale Notfallversorgung, das heißt, sie stabilisieren Opfer, Angehörige oder Augenzeugen, bieten ihnen menschliche Nähe an und vermitteln weiterführende Hilfe. Damit vermindern sie das Risiko, dass die Betroffenen langfristige traumatische Schäden erleiden.
Opferverhalten ist oft unverständlich
Einen guten Einblick in diese Arbeit gibt die Psychologin und Psychotherapeutin Dr. Angélique Mundt in ihrem Buch „Erste Hilfe für die Seele“. Sie schildert darin hautnah ihre Erlebnisse bei der Arbeit im KIT-Team. Wie im Fall der Familie, in welcher der junge Vater im Auto an einem Herzinfarkt starb. Ein Arzt des Krankenhauses, wohin man ihn brachte, hatte die Ehefrau angerufen und ihr die Todesnachricht einfach mitgeteilt, woraufhin das Telefonat abbrach. Weitere Kontaktversuche scheiterten. Schließlich fuhr die Polizei zur Wohnung, fand dort die verzweifelte Frau mit ihrer kleinen Tochter vor und rief das KIT zu Hilfe. Ein KIT-Ehrenamtlicher muss dann in der Lage sein, mit den Betroffenen einfühlsam umzugehen, auch mit deren oft unverständlichem Verhalten wie bei dieser Frau, die gerade Witwe wurde und scheinbar irrational reagierte.
Infos an Kinder sollten einfach formuliert sein
Kinder hätten erst ab dem elften Lebensjahr ein Todesverständnis, das dem von Erwachsenen ähnele, schreibt Mundt. So seien die Kleinen oft sehr tapfer – wie die beiden Brüder, deren Vater die Mutter umbrachte und die nun zunächst bei den Nachbarn schlafen möchten. Informationen für Kinder sollten altersgerecht in einfacher Sprache vermittelt werden. „Wir sagen nicht, dass der Papa ,von uns gegangen‘ ist oder ,eingeschlafen‘ ist“, denn ein Kind könnte diese Umschreibungen wörtlich verstehen, die es als Vorstellung im Kopf behält. Das Schlafengehen würde durch eine solche Beschreibung vielleicht die Angst verursachen, selbst nicht mehr aufzuwachen, so die Psychologin. Wie die Autorin sind auch die anderen Mitarbeiter des KIT von den dramatischen Schicksalen immer wieder tief berührt. Und viele lernen dadurch ihre eigene, heilere Welt besonders zu schätzen. Wer sich ebenfalls um seine Mitmenschen im Kriseninterventionsteam kümmern möchte, ist beim Deutschen Roten Kreuz Hamburg-Harburg an der richtigen Stelle.
Infoveranstaltungen: 16.4., 19 Uhr, Hamburg Leuchtfeuer Lotsenhaus, Museumstr. 31.
24.4., 19 Uhr, Gertrud-Barbe-Haus des DRK Harburg, Rote-Kreuz-Str. 3-5, Anmeldung nicht erforderlich. Info zur Ausbildung unter:
www.kit-hamburg.de, Tel. 76 60 92 69
Buch von Angélique Mundt: „Erste Hilfe für die Seele“, btb Verlag, 283 Seiten, 12,99 Euro