Die Georg und Emma Poensgen-Stiftung in Allermöhe bietet älteren Menschen aus kreativen Berufen ein Zuhause
Schon der Flur zur lichtdurchfluteten Dachgeschosswohnung von Kirsten Francke deutet auf ihren Sinn fürs Künstlerische. Er hängt voller Ölgemälde, die meisten zeigen die Natur und sind mit einer Spachteltechnik erstellt. Die 62-Jährige und ihr verstorbener Mann haben die Gemälde gesammelt und da es in ihrer neuen Wohnung nicht genügend freie Wände gibt, hat die Rentnerin die Kunstwerke kurzerhand im Seniorenwohnheim verteilt – sehr zur Freude der Leiterin Frances Wernecke, die nun jeden Tag auf eine prachtvoll gemalte Blumenwiese in ihrem Büro schauen kann. „Frau Wernecke und unsere Stiftung haben sich wirklich gefunden. Wir wollten sie und sie uns. Sie hat sich hier sofort in die Gemeinschaft eingebracht“, sagt die 37-Jährige.
Die Stifter wollten gerne ärmere Kreative beherbergen
Denn die Georg und Emma Poensgen-Stiftung in Lohbrügge nimmt nicht jeden auf. Das namengebende Ehepaar hatte nach seinem Tod 1980 das Geld für die Einrichtung an die Stadt Hamburg gegeben mit der Auflage, „ein Altersheim für Frauen und Männer gebildeter Herkunft, insbesondere aus geistigen und künstlerischen Berufen mit unzulänglicher Altersversorgung“ zu bauen. Am liebsten in Emma Poensgens Elternhaus an Rondeelteich in Winterhude. Das war allerdings zu klein – deswegen wurde daraus 1992 ein Neubau in der Leuschnerstraße mit 30 großzügigen, pfiffig geschnittenen Wohnungen, von denen die meisten Balkone haben. Mit verwaltet wird sie von der Flutopfer Stiftung von 1962, die das 20 Meter entfernte Wilhelm Leuschner Seniorenzentrum betreibt, das mehr als viermal so viele ausschließlich bedürftige Rentner beherbergt.
Bei den Bewohnern der Poengsen-Stiftung haben manche eine gute Rente, andere haben sehr wenig Geld. Denn die Vermietung ausschließlich an „verarmte Künstler“ klappt nur bedingt. „Die meisten unserer Mieter haben Kunst, Literatur oder Musik als Hobby und übten zuvor einen anderen Beruf aus“, sagt Frances Wernecke und betont, dass ein Berufskünstler immer sofort auf Platz eins der Warteliste komme. Denn die Wohnungen sind begehrt.
„Es ist hier einfach sehr familiär, jeder kennt jeden und wir sind eine tolle Gemeinschaft“, schwärmt Kirsten Francke, die erst seit Dezember 2016 unter dem Dach der Stiftung wohnt, aber schon bei den zwei letzten Basaren im Haus mitgemacht hat und auch beim Bastelkurs jede Woche dabei ist. Töpfern ist ihre Leidenschaft. Sie stellt in ihrer Küche kleine Figuren, Kugeln und Rosen aus Ton her, die sie dann im Ofen der nahe gelegenen Erlöserkirche brennt. Den Verkauf aus den hübschen Tonwaren stiftet sie der Georg und Emma Poensgen-Stiftung. „Aus Dankbarkeit, weil man mir hier einen Neuanfang ermöglicht“, sagt die 62-Jährige, die 642 Euro für ihre 53 Quadratmeter große Wohnung zahlt, inklusive Notrufknopf und Betreuung.
Zum 25-jährigen Bestehen spielen Bewohner ein Konzert
Francke ist die Jüngste in der Hausgemeinschaft aus 45 Mietern. Nach drei schweren Krebserkrankungen und dem Tod ihres Mannes im Februar letzten Jahres wollte sie nicht in ihrer alten Wohnung bleiben. „Ich hatte Angst zu vereinsamen.“ In der Stiftung hingegen gibt es neben Sitzgymnastik, Tischtennis und dem Bibliotheksangebot einmal im Monat einen Kaffee-Nachmittag. Eine Bewohnerin liest dann selbst geschriebene Geschichten vor, eine andere spielt Klavier und wenn Gerhard Mahnke Zeit hat, dann zupft er dazu auf seiner Mandoline. Wie auch diese Woche beim Fest zum 25-jährigen Bestehen der Seniorenwohnanlage.
Der 82 Jahre alte Mahnke ist allerdings selten zu Hause. Denn der ehemalige Mess- und Regelgerätetechniker spielt im Norddeutschen Zupforchester und ist damit 2018 auch in der Elbphilharmonie zu Gast. Mahnke hat schon beim Weltwirtschaftsgipfel in München auf seinem handlichen Instrument gezupft. „Das Mandoline-Spielen ist mein Hobby, seit ich elf Jahre alt war, und super für Kopf und Seele. Das Notenlesen ist richtiges Gehirntraining“, sagt der schlanke Rentner, der sich körperlich mit Golf- und Tischtennisspielen fit hält. Er kommt eigentlich aus Winterhude, aber als seine Zwillingsschwester in das Seniorenzentrum nebenan einzog, dachte Gerhard Mahnke auch das erste Mal über betreutes Wohnen nach. „Ich wollte noch mit klarem Kopf entscheiden, wo ich hingehe. Ich habe die Wohnung gesehen und sie geliebt“, sagt er und zeigt stolz seine zwei Zimmer, das große Bad und den Eckbalkon mit Blick ins Grüne.
Sein Mandolinen-Spiel war für ihn die Eintrittskarte – „das passt ins Haus“, sagt Einrichtungsleiterin Frances Wernecke. „Und ich finde schön, dass man Gleichgesinnte trifft. Hier sind viele recht gebildet, man findet immer jemanden zum Reden“, sagt Mahnke lächelnd. Er würde sich freuen, wenn noch mehr Musiker einziehen würden – „dann könnten wir hier richtige Konzerte spielen“. Auch Frances Wernecke hofft darauf, dass sich noch mehr Berufskünstler von dem Konzept der Georg und Emma Poensgen-Stiftung angezogen fühlen.
Information: Seniorenwohnanlage der Georg und Emma Poensgen-Stiftung, Tel. 73 93 27, E-Mail: info.wlh@alida.de