Margret Korte ist unheilbar krebskrank. Auch ihr Mann ist an Darmkrebs gestorben. Nun bleiben die Tochter und Söhne alleine zurück. Wir möchten der Familie helfen

Sie ist ganz schmal geworden und ihre einst so vollen braunen Haare sind sehr kurz. „Das kommt alles von der Chemo“, sagt Margret Korte (alle Namen geändert) und reibt sich ihre langen, dünnen Hände. Die 57-Jährige ist eigentlich eine Kämpferin, schon ihr Leben lang. Sie hat bisher alles alleine geschafft. Sie hat viel gearbeitet, die Kinder großgezogen, die so höflich und so ernst sind. Doch nun hat der Krebs doch gesiegt. Sie besiegt. Jetzt geht es nur noch um eine palliative Versorgung zu Hause, möglichst schmerzfrei. Und darum, die Kinder auf die Zeit danach vorzubereiten. Und auf das Sterben davor. Und darauf, dass sie anschließend nur noch einander haben werden.

Es gibt sonst niemanden mehr, der sich um den 15 Jahre alten Tino, die 18 Jahre alte Tanja und Lukas (23) kümmern könnte. Der Vater ist tot, der Opa auch, nur die Oma ist noch da, aber sehr alt und in ihrer eigenen Verzweiflung mehr Belastung als Hilfe. Es gibt keine Tanten und Onkel. Zum Glück ist Tanja alt genug, um die Vormundschaft für ihren jüngeren Bruder zu übernehmen. Sie werden nicht getrennt.

Margret Korte hat noch nie um Hilfe gebeten und es fällt ihr sichtlich schwer, die Unterstützung der Abendblatt-Initiative „Von Mensch zu Mensch“ anzunehmen. „Aber es geht nicht mehr. Ich brauche ein wenig Entlastung, Luft zum Atmen und wir kommen einfach finanziell nicht zurecht“, sagt sie und fängt an zu weinen. Sie schämt sich und dagegen helfen auch keine Beteuerungen, dass genau dafür die Initiative da sei. „Aber ich wollte meinen Kindern immer ein Vorbild sein. Ich habe immer gesagt, wir schaffen das, egal wie.“

Darum hat sie drei Tage nach dem Tod ihres Mannes Mike am Weihnachtstag 2007 wieder angefangen zu arbeiten. Sie ist Altenpflegerin. „Ich dachte nur, du musst die Kinder durchbringen“, sagt sie. Mike war Jurist und verdiente mehr Geld als sie. Bis er mit Mitte 40 Darmkrebs bekam. Sein Sterben war schmerzvoll und leiderfüllt. „Er wollte klar bleiben im Kopf und hat Morphium abgelehnt“, sagt Margret Korte kopfschüttelnd. Sie hat ihn gepflegt und ihn in seinen letzten Stunden im Arm gehalten. Die Kinder schliefen im Zimmer nebenan. Damals war Tino sechs und Tanja neun. Lukas ist aus der ersten Ehe von Margret, er wohnte damals noch zu Hause. „Die beiden Kleinen haben lange gebraucht, um den Tod von Mike zu überwinden“, sagt Margret Korte. Und Weihnachten ist seither immer mit dem Todestag ihres Vaters, der nur 47 Jahre alt wurde, verbunden.

Ein großes Bild von Mike hängt im Flur der Dreizimmerwohnung und weitere neben den Kinderfotos in allen Variationen. „Mike wacht immer noch über uns“, sagt Margret Korte lächelnd. Von ihr gibt es nirgendwo ein Bild. Warum auch, sie war immer für die Kinder präsent. Und sie war immer für sie da. Freunde hat sie nur wenige. Keine Zeit. „Nach der Arbeit habe ich lieber etwas mit den Kindern unternommen, das war mir wichtiger, als mit Freunden wegzugehen.“ Alle drei sind Wunschkinder, sagt sie. Sie war so glücklich, dass sie nach zahlreichen Fehlgeburten mit Mitte 30 überhaupt schwanger wurde. Als sie nach Lukas dann auch noch Tanja und Tino bekam, schien ihr Glück perfekt.

Selbst nach dem Tod von Mike hat sie sich berappelt. Weil sie immer nach vorne schaut, sie hasst es zu jammern. „Ich bin ein absolut positiver Mensch.“ Einmal im Jahr fuhr sie mit den drei Kindern in den Urlaub, eine Woche, meistens in einen Center-Park, das fanden alle gut. Dafür hat sie das Jahr über gespart. Und sie hatte zunächst auch Unterstützung von ihrem Vater, der den Kindern ein liebevoller Opa war. Mit Tino ging er zum Fußballtraining, mit Tanja gern mal zum Shoppen. Er war da, wenn die Familie ihn brauchte – bis er im Frühjahr 2013 an Krebs starb. Die letzten Wochen zog Margret Korte zu ihren Eltern, um ihn zu pflegen, denn ihre Mutter war hilflos und überfordert. „Zum Glück waren meine Kinder schon so selbstständig, dass ich sie in der Zeit auch alleine lassen konnte. Aber meinem Vater war es so wichtig, dass ich noch am Ende bei ihm war.“ Der Tod ihres Vaters war für alle ein Schock, doch noch schlimmer wurde es, als auch sie nur ein Jahr später die Diagnose eines unheilbaren Darmkrebses erhielt, der schon überall im Bauchraum Metastasen gebildet hatte. Vor drei Monaten kam ein weiterer Tumor dazu. Die fatale Prognose hat sich damit weiter verschlechtert.

„Mir war klar, dass ich nicht richtig alt werden würde. Aber ich hatte vor zwei Jahren noch die Hoffnung, dass ich zumindest noch Tinos 18. Geburtstag erleben würde. Genauso würde ich gern Tanjas Ausbildungsende erleben. Sie ist so fleißig und wurde letztes Jahr als Jahrgangsbeste ausgezeichnet. Und ich konnte bei der Feier nicht dabei sein, weil es mir so schlecht ging“, sagt Margret Korte, und dann muss sie wieder weinen. Kurz nur, dann reißt sie sich wieder zusammen und sagt: „Hilft ja nix, wir versuchen eben jetzt, für jeden Tag, den wir gemeinsam haben, dankbar zu sein.“

Sie ist gerade aus dem Krankenhaus zurück, wo sie ein paar Tage zuvor mit einem Darmverschluss eingeliefert wurde. Seither wird Margret Korte künstlich ernährt und kann nur noch Brei essen. Ihre komplette Rente und die ihres Mannes geht in die Wohnungsmiete, dazu kommen noch 150 Euro Strom und Wasser sowie 35 Euro für Telefon und WLAN. Sie hat alle Versicherungen, bis auf die Lebens- und Krankenversicherung gekündigt, ihr Auto verkauft. Sie bekommt keine Grundsicherung, noch nicht einmal Wohngeld. Die Familie lebt von 400 Euro im Monat, Tanja gibt mehr als die Hälfte ihres Ausbildungsgehaltes dazu. „Doch es reicht einfach hinten und vorne nicht. Und ich finde es schrecklich, dass ich meine Tochter immer bitten muss, mir Geld zu geben. Das wollte ich nie“, sagt Margret Korte.

Tanja, die im Schichtdienst in der Gastronomie auch nachts arbeitet, hat ihren Führerschein aus finanziellen Gründen abgebrochen. Da nachts keine Bahn mehr fährt, ist sie darauf angewiesen, dass sie immer jemand mit nach Hause nimmt. Eigentlich bräuchte die Familie, die auf dem Land wohnt, ein Auto – auch um Margret Korte ins Krankenhaus zu fahren.

Derzeit plant Margret Korte ihre Beerdigung. Sie will die günstigste, halb anonym und ohne Grabstein. Doch die Bestattung soll trotzdem mehr als 4000 Euro kosten – die Hälfte ihrer Lebensversicherung, die sie eigentlich den Kindern hinterlassen wollte. Es ist unsicher, ob die Kinder die Wohnung für 680 Euro im Monat halten können oder doch ihre gewohnte Umgebung verlassen müssen. Es ist diese Unsicherheit, die diese Familie belastet – emotional und finanziell.

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