Auf Gut Wulksfelde kann man jeden Sonnabend im September Kartoffeln ernten – ein praktisches Vergnügen für die ganze Familie. Von Katja Deutsch

Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln? Das stimmt schon lange nicht mehr. Der cleverste Bauer sät im Mai Biokartoffeln, verzichtet dabei auf genetisch veränderte Sorten, chemische Düngemittel, Stickstoff und andere unangenehme Gewohnheiten industrieller Landwirtschaft – und lädt Kartoffelfreunde aus ganz Hamburg ein, die schmackhaften und gesunden Knollen im September selbst aus der Erde zu holen. Denn die Kartoffelknolle überlegt sich im Dunklen, etwa 20 Zentimeter unter der Erde, wann und wie oft sie sich vermehrt, unsichtbar für unsere Augen. Manchmal bildet sie nur eine einzige weitere Knolle, manchmal sind es über 15 Ableger. Wir können nur am grünen Pflänzchen sehen, dass da unten eine Kartoffel lebt. Ob sie wächst und gedeiht und sich vermehrt hat, sehen wir leider nicht.

35 Hektar Kartoffelacker gibt es insgesamt auf dem wunderschönen Gut Wulksfelde, das einladend direkt hinter der nördlichen Stadtgrenze Hamburgs liegt. Auf 34 Hektar Acker ernten Maschinen, auf einem dagegen knien Menschen und ernten verzückt mit ihren Händen säckeweise Kartoffeln der Sorte ­Allians. Aber wie geht das eigentlich?

Die elfjährige Mia aus Poppenbüttel kniet mit ihrer Familie und ihrer ebenfalls elfjährigen Freundin Ameli aus Duvenstedt auf dem Acker. In der vergangenen halben Stunde haben sie zu fünft 40 Kilogramm brauner Knollen aus der Erde gehoben und in Kartoffelsäcke gefüllt. „Am besten arbeitet man mit einer Forke“, erklärt Mia. „Man sticht von der Seite in die Erde und hebt die Forke dann hoch“. Sechs Knollen fummelt sie fröhlich aus dem dunkelbraunen Erdklumpen, reibt die Erde von den kleinen Knollen ab und legt sie in den Kartoffelsack.

„Man kann auch einfach mit den Händen graben“, wirft Amelie ein. „Das machen auch viele, wenn es keine Forken mehr auszuleihen gibt. Aber dazu sollte man besser Handschuhe anziehen“. Überhaupt raten die Mädchen dazu, die Lieblingsklamotten zu Hause zu lassen und unbedingt auch alte Schuhe zu tragen. Denn geerntet wird auf Knien oder gleich im Sitzen, mitten auf der Erde. Fünf- oder Zehn-Kilo-Säcke kann man hier füllen, vom Vater mit kleinem Sohn bis zur Großfamilie freuen sich alle rundherum lautstark über ergiebige Funde, die vorsichtig von der Erde befreit werden und im typischen orangegelben Kartoffelsack landen. Zwei Dreijährige lachen sich schlapp und begutachten eine dicke Kartoffel mit zwei kleinen „Beinchen“. „Eine Kuscheltierkartoffel!“

Mia und Ameli finden das Ernten toll; außerdem essen beide sehr gerne Kartoffeln. Hochzufrieden füllen sie die Säcke. Daneben guckt sich ein Kind, das gerade mal stehen kann, bei den Mädchen ab, wie das so geht – dass es beim Versuch zu ernten immer wieder umfällt, erhöht den Spaß. Als der Knirps schließlich eine Knolle in der Hand hält, strahlt er vor Glück und Stolz und gibt sie nicht mehr her.

Viele Kinder haben ihre Metallschaufeln von zu Hause mitgebracht und versuchen sich damit. „Aber die Schaufel zerschneidet die Kartoffeln oft“, sagt Rolf Winter, Landwirt und Geschäftsführer von Gut Wulksfelde. Deshalb ist eine Grabforke besser geeignet. Der braun gebrannte Kartoffelprofi pflanzt im Mai alle 33 Zentimeter eine Kartoffel in den Boden, das sind 36.000 Kartoffeln pro Hektar „Die müssen gesund sein und dürfen keine Virus- oder Pilzerkrankung haben“. Vorab wird das Saatgut vom Pflanzenschutzamt in Hannover untersucht.

An den Sonnabenden im September ist es dann so weit. „Gerade bei Kindern sehen wir hier nur glückliche Gesichter. Die freuen sich über jede Kartoffel, die sie finden! Wir haben noch nie erlebt, dass eins keine Lust mehr hatte; im Gegensatz zu den Erdbeerfeldern“, versichert eine der beiden Helferinnen, die die Säcke wiegen und zeigen, wie man sie fachmännisch verschließt. Seit über zehn Jahren gibt es bereits die Möglichkeit des Selber-Erntens auf dem weitläufigen Biohof. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, viele kommen mit der Schubkarre, manch einer gleich mit dem Trecker angefahren. Das Buddeln in der Erde baut Stress ab, macht glücklich, es erdet und entspannt. Ob man eine halbe Stunde für fünf Kilogramm braucht oder eine ganze, wen kümmert das schon.

Um 17 Uhr ist Ernteschluss: Rolf Winter sammelt die entliehenen Forken ein und schließt den Stand zum Wiegen. Die letzten Kartoffelbuddler tragen ihre Säcke zum Auto und klopfen sich die Schuhe ab. Mia und Ameli sind glücklich über ihre reiche Ernte und freuen sich auf die vielen leckeren Gerichte, die sie bald bekommen werden. Die aromatische braune Knolle ist vielseitig verwendbar – neben kochen und braten, backen, frittieren und grillen, pürieren und gratinieren dürfen zumindest die Eltern auch noch „Wulksfelder Kartoffelfeuer“, den hofeigenen Brand, genießen. Das Buddeln ist jedoch am allerschönsten.