Die Hamburger Klinik-Clowns besuchen kranke Kinder, um ihren tristen Klinikalltag ein wenig aufzuheitern und ermöglichen ihnen, in dieser sterilen Umgebung einmal nicht Patient, sondern einfach nur Kind zu sein.
Und für einen Moment ist alles vergessen. Die Kanüle im Arm, die Zytostatika, die Tropfen für Tropfen in den kleinen Körper dringen. Vergessen die große Müdigkeit, der bittere Geschmack im Mund, die Übelkeit. Pölli und Jojo stehen im Krankenzimmer. Und Justin ist plötzlich nicht mehr Patient, sondern Kind. Ein kleiner Junge mit einer schwarzen Wollmütze auf dem kahlen Kopf. Einer, der albern sein kann und gern lacht. Kinder lachen 400 Mal am Tag. Erwachsene gerade 15 Mal. Dabei ist Lachen so gesund.
Das wissen Ärzte, Krankenschwestern, Eltern und vor allem jene, die sich Woche für Woche auf den Weg in die Kinderstationen Hamburger Kliniken machen, um dort für ein paar Stunden den Kindern ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Jojo und Pölli sind zwei von ihnen. Sie gehören zu den Hamburger Klinik-Clowns, einer Gruppe von professionellen Clowns, die Kinder einfühlsam von ihrer belastenden Situation abholen und ihnen den tristen Klinikalltag aufheitern. Sie kommen zu zweit, im Gepäck haben sie Geigen, Ukulelen, Nasenflöten und einen Koffer gefüllt mit Seifenblasen, Kühen in Dosen, Handpuppen, Luftballons und geheimnisvollen Zaubertüten. Drei Stunden werden sie bleiben, von Zimmer zu Zimmer schlendern, in den Gängen musizieren und im Wartezimmer ihre Späße treiben.
„Wir wollen, dass die Kinder in heitere, unbekümmerte Welten abtauchen“, sagt Pölli. Sie ist Clownin, heißt mit richtigem Namen Kristina Müller, ist 48 Jahre alt und ist seit der Gründung des Vereins Klinik-Clowns Hamburg e.V. im Jahr 2002 dabei. Pölli kann zaubern und Ukulele spielen, sie dichtet gern spontan und außerdem weiß sie sowieso immer alles am Besten. Ihre Kollegin Jojo ist dagegen unbedarft und naiv, ein wenig chaotisch, aber immer fröhlich. Kaum, dass sie bei Justin an die Zimmertür geklopft hat, sitzt sie auch schon auf seiner Bettkante und lässt sich von seinem Schmusetier „Hundi“ in den Allerwertesten beißen. Schweinchen Rosa, ein kleines Quietschtier aus Gummi, gesellt sich in die fröhliche Runde. Justin ist der Chef. Er ist ausgelassen. Es geht ihm gut.
Auch darum geht es. Die Krankheit in den Hintergrund treten zu lassen und den Kindern das Gefühl zu geben, dass sie die eigentlichen Stars sind. „Sie sollen sich stark und groß fühlen“, sagt Jojo, alias Birgit Musolf. Denn genau das sei seit Ausbruch ihrer Krankheiten bei den kleinen Patienten kaum noch der Fall. Stattdessen lernen sie zu verzichten. Sie erfahren, dass sie vieles nicht mehr in der Hand haben. Und wenn sie es noch so sehr wollen, die Krankheit ist oft stärker als sie.
Justin ist seit August im UKE. Er ist an Leukämie erkrankt. Zuerst hatte er nur über Schmerzen im Arm geklagt. Als es schlimmer wurde, ging seine Mutter mit ihm zur Kinderärztin. Die nahm Blut ab, schickte die Mutter und Justin in die Klinik. Dort machten die Ärzte einen Schnelltest. „Keine 24 Stunden später lag das Ergebnis vor“, sagt Mutter Monika Krull. Seit diesem Tag ist nichts mehr wie es vorher war. Justin blieb in der Klinik. Die Chemotherapie brachte nicht den gewünschten Erfolg. Er braucht eine Knochenmarktransplantation. Ein Spender ist gefunden, aber die Ärzte können erst operieren, wenn alle Krebszellen zerstört sind. Justin hat bereits mehrere Chemotherapien hinter sich. Er muss auf vieles verzichten. Auf das Fußballspielen, Radfahren, auf seine Freunde, die Schule, Kinobesuche und Schwimmen gehen. Und dennoch klagt der Neunjährige nie. „Er ist ein Stehauf-Männchen“, sagt seine Mutter.
Patienten wie Justin, die manchmal Monate lang auf Station bleiben müssen, gibt es einige. „Gerade für diese Kinder sind wir Klinik-Clowns so ungeheuer wichtig“, sagt Kristina Müller. „Weil sie bunte Momente in den Klinikalltag bringen und die Kinder das sein lassen, was sie sind: Kind.“ Die Clownin ist eine von elf Clowns, die regelmäßig im UKE, auf der Kinderstation der Asklepios Klinik Nord, in Boberg, Geesthacht und im Wilhelmsstift in Rahlstedt ihre Späße treiben. Ihre Arbeit sehen sie als eine wichtige Ergänzung medizinischer und pflegerischer Maßnahmen. „Patient sein ist für Kinder besonders schwierig: Sie sind krank, die Eltern können nicht immer bei ihnen sein, und sie befinden sich in einer ungewohnten Umgebung“, sagt Kristina Müller. „Dadurch entstehen Gefühle von Angst, Machtlosigkeit und Trauer, dem die Clowns durch ihr Spiel entgegenwirken. Über die Schwächen der Clowns, wie Tollpatschigkeit, Dummheit oder Ängstlichkeit können die Kinder lachen und werden so in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt.“
Die Mitarbeiter der Klinik-Clowns, deren Arbeit sich ausschließlich durch Spenden finanziert, sind alle Profis. So wie Birgit Musolf, die als Jojo immer dienstags und donnerstags im UKE unterwegs ist. Nebenbei arbeitet die 44-Jährige als Logopädin. Viele Jahre war sie als Klinik-Clown in Bayern tätig. „In den Kliniken dort ist das Thema ganz selbstverständlich. Es gibt sogar Humorbeauftragte“, sagt sie. 2009 kam sie nach Hamburg, bringt seitdem „Kinder von null bis 99 Jahren zum Lachen“. Sie ist fest davon überzeugt, „dass man mit einem schönen Kontakt ungeheuer viel bewirken kann“. Auch für sie als Clownin. „Humor hilft, gesund zu bleiben, Lachen macht gute Gefühle und Glückshormone tragen zur Heilung bei“, sagt sie, die dankbar ist für eine Arbeit, bei der sie spielen darf. „Weil mir die Begegnungen mit den kranken Kindern immer wieder aufs Neue bewusst machen, was wirklich wichtig ist.“