Der Renner im Eidelstedter ReeWie-Haus in der Saga-Siedlung: Die Gymnastikgruppe für Ältere. Der Kursus ist Teil der Gemeinschaftsaktion „Mach mit – bleib fit!“ von Hamburger Abendblatt und Hamburger Sportbund.

Am wichtigsten ist der Bärenstand. Die Füße fest am Boden, etwas breitbeinig, etwas tiefer in der Hüfte – und damit steht man ganz stabil. Den Bärenstand hat Trainerin Elisabeth Rahn ihrer Bewegungsgruppe gleich in der ersten Stunde beigebracht. Die 13 Seniorinnen stehen um die 49-Jährige im Kreis, bewegen ihren Oberkörper nach rechts und links und vor und zurück.

„Danach können Sie die Einkaufstüten doch viel besser heben“, ruft Rahn. Sie bezieht fast alle Übungen auf den Alltag der älteren Frauen. Seit Juli trifft sich die Seniorentrainerin des Sportvereins Eidelstedt Hamburg (SVE) immer mittwochs mit der Gymnastikgruppe im Aufenthaltsraum des ReeWie-Hauses. Das ist der Nachbarschaftstreff in der großen Saga-GWG-Siedlung in Eidelstedt-Ost. Sonst finden in dem Raum auch Spielgruppen, Frühstücksangebote, Müttertreffs und der Mittagstisch für Senioren statt. Früher gab es auch schon mal ein Bewegungsangebot für Senioren. „Doch das hatte keine Resonanz, weil es schlecht gemacht war“, sagt Ali Mir Agha, Leiter des ReeWie-Hauses.

Bei der Physiotherapeutin Elisabeth Rahn ist das ganz anders. Bei jedem Treffen kommen ein bis zwei Senioren mehr dazu, manche haben hier neue Bekanntschaften geschlossen. „Unsere älteren Damen sind total begeistert von dem Kursus. Viele sind sehr einsam und haben wenig Geld. Die können sich kein Fitnessstudio leisten und sind auch nicht sehr mobil“, sagt Agha. Die Teilnahme an der Gruppe von Elisabeth Rahn kostet dagegen nur zwei Euro pro Woche. Nur wer kommt, zahlt. Die Einfal GmbH, Betreiberin des Nachbarschaftstreffs, gibt den Rest des Honorars an den SVE dazu.

Das Sport-Angebot ist Teil der Gemeinschaftsaktion „Mach mit – bleib fit!“ von Hamburger Abendblatt und Hamburger Sportbund. Dabei bieten lokale Sportvereine langfristige Bewegungskurse für Ältere in Hamburger Wohnungsunternehmen an. Neben der Bewegungsförderung durch qualifizierte Trainer geht es auch darum, die soziale Teilhabe und Vernetzung von Senioren im Stadtteil zu verbessern.

Das Programm ist gedacht für Menschen wie Ingrid Bietke, 78. Die ehemalige Arzthelferin lebt alleine und kennt Elisabeth Rahn noch von früher aus dem SV Eidelstedt. Da war sie mal Mitglied, doch jetzt hat Ingrid Bietke zwei kaputte Knie. Zum ReeWie-Haus sind es von ihrer kleinen Wohnung nur wenige Schritte. „Elisabeth ist einfach super. Die stellt sich auf jeden von uns ein. Es gibt keinen Druck, hier kann jeder mitmachen, ob gesund, mit Rollator oder kaputten Gelenken,“ sagt Bietke. „Ich finde die Gemeinschaft hier toll“, ruft Leonie Bartels, 70, während sie mit Gewichten um die Fußgelenke auf dem Boden stampft. Damit wird Treppensteigen simuliert. Elisabeth Rahn macht das Training besondere Freude, weil die Senioren „so viel zurückgeben und auch weniger gestresst als Jüngere sind“. Ihr Ziel sei es, die Älteren mit guten, gezielten Übungen so lange wie möglich selbstständig und mobil zu halten. „Bei einem guten Seniorentraining sollte sich gefühlvolle Bewegung mit Sprechen, Lachen und interessiertem Austausch zwischen Teilnehmern und Trainer verbinden. So kann modernes Bewegungstraining gleichzeitig zu Gehirntraining werden und ganzheitlich wirken“, sagt Volker Nagel, Seniorensportexperte am Fachbereich Bewegungswissenschaft der Uni Hamburg.

Spaß haben die Frauen beim „Mach mit – bleib fit!"-Kursus in jedem Fall. Besonders als es am Ende der Stunde darum geht, sich mit einem Stock Scheiben und Bälle zuzuschieben. „Das erinnert ans Fegen“, ruft Elisabeth Rahn in die Runde. Die Stunde ist längst vorüber, da werden immer noch die Stöcke geschwungen – und natürlich stehen dabei alle im Bärenstand.

Die Aktion „Mach mit – bleib fit!“

Bei dem Gemeinschaftsprojekt „Mach mit – bleib fit!“ vom Hamburger Abendblatt und dem Hamburger Sportbund bieten Stadtteil-Sportvereine in Wohnungsunternehmen und Senioreneinrichtungen Bewegungskurse für ältere Menschen an. Es geht darum, die Mobilität, die soziale Teilhabe und die Gesundheit von Senioren zu fördern. Die Angebote sind bedarfsorientiert und kostengünstig. Viele Einrichtungen haben eigene Gemeinschaftsräume, die sie für die Initiative kostenlos zur Verfügung stellen. Jede Einrichtung erhält derzeit eine Anschubfinanzierung von 500 Euro für den Aufbau der Gruppe.Wohnungsanlagen und Senioreneinrichtungen, die Interesse am Bewegungsangebot für ihre Senioren haben, können sich beim Hamburger Sportbund wenden an: Katrin Gauler, Tel. 41 90 82 25, E-Mail: k.gauler@hamburger-sportbund.de