Für Kleinkinder sind heiße Flüssigkeiten eine große Gefahrenquelle. Manche Unfälle lassen sich jedoch verhindern.
Es war nur eine Sekunde, in der Kevin (2) unbeobachtet blieb. Während Kevins Mutter vom Küchentisch aufstand, um etwas aus dem Kühlschrank zu holen, hatte sich das erkundungsfreudige Kleinkind, das zuvor mit seinem Auto auf dem Fußboden spielte, an einem Stuhl hochgezogen und an der Tischdecke des Küchentischs festgehalten. Die Decke kam ins Rutschen und mit ihr die darauf abgestellte Tasse frisch aufgebrühten Tees. Kevin hatte keine Chance. Der heiße Tee ergoss sich über seinen kleinen Körper, verbrühte Teile des Gesichts, des Halses, der Brust. Der sofort herbeigerufene Notarzt wies den Jungen in die Kinderklinik ein.
Ein typischer Verbrühungsunfall, wie er leider viel zu häufig passiert. Jedes Jahr erleiden in Deutschland 6000 Kinder so schwere Verbrennungen und Verbrühungen, dass sie stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen. "Bei Unfällen mit Kindern unter fünf Jahren verursachen in 80 Prozent Verbrühungen die schweren Verletzungen", sagt Adelheid Gottwald, Vorsitzende des Vereins "Paulinchen - Initiative für brandverletzte Kinder". 1993 gründete die Mutter eines brandverletzten Kindes mit einer weiteren betroffenen Familie den Verein, um Eltern in ähnlich ernsten Situationen eine Anlaufstelle zu bieten.
Der Verein informiert, berät und tröstet die Familien, gibt Hilfestellung bei der Wahl von Spezialisten und macht die Problematik von Brandverletzungen öffentlich.
Auch Verbrühungsunfälle sind immer wieder ein Thema. Die Unfallmuster ähneln sich: Kleinkinder machen sich an Herd oder Arbeitsfläche in der Küche zu schaffen, bekommen den Griff eines gefüllten Topfes oder das Kabel eines Wasserkochers zu fassen. Wenn diese umfallen, treffen die heißen Flüssigkeiten meist den vorderen Körperbereich der Kleinkinder. "Schon eine Tasse reicht aus, um bis zu 30 Prozent der Körperoberfläche eines Säuglings oder Kleinkindes zu verbrühen", sagt Adelheid Gottwald. Eine ab 52 Grad heiße Flüssigkeit kann zu schweren Schädigungen führen. "Bei Kindern ist die Haut dünner, so kommt es bereits bei wenigen Sekunden Einwirkzeit zu starken Brandverletzungen", erklärt die gelernte Logopädagogin und dreifache Mutter.
Bei Verbrennungen und Verbrühungen ist immer der Notarzt zu rufen und die Stellen sofort zu kühlen. Das Wasser zum Kühlen darf aber nicht kälter als 15 Grad sein, sonst besteht Unterkühlungsgefahr. Und Finger weg von sogenannten alten Hausmitteln, sie schädigen extrem!
Statistisch gesehen lassen sich bis zu 60 Prozent der Unfälle verhindern. So sollten Behältnisse mit heißen Flüssigkeiten für Kinder unerreichbar abgestellt werden. "Auch nicht auf dem Fußboden", betont die Vorsitzende von "Paulinchen e. V.", die sich an Fälle erinnert, bei denen Kinder etwa auf dem Campingplatz rückwärts in einen Topf heiße Suppe stolperten. Auch Wärmflaschen, Fläschchen und Thermoskannen sollten genau untersucht werden, ob sie auslaufen, und der Wasserhebel sollte nie auf "heiß" stehen, wenn Kinder in der Badewanne sitzen.
Doch zu 40 Prozent lassen sich die Unfälle eben nicht verhindern. Die Schuldgefühle von Familienangehörigen sind oft belastend, ebenso wie die Behandlung des brandverletzten Kindes. "Bei einer Verbrennung dritten Grades sind häufig mehrere Operationen nötig, auch die Nachbehandlung mit Kompressionsanzügen zur Vermeidung von Narbenbildung ist langwierig. Bei all diesen Problemen sind wir ansprechbar", so Adelheid Gottwald. Inzwischen hat der Verein, der sich hauptsächlich über Spenden finanziert, ein breites Netzwerk mit Spezialisten aufgebaut. Für ihr Engagement und die Arbeit des Vereins wurde Adelheid Gottwald mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland durch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen geehrt.
Paulinchen e.V., Segeberger Chaussee 35, 22850 Norderstedt, Tel: 040/529 50 666. Kostenlose Hotline: 0800 0 112 123, E-Mail: info@paulinchen.de , www.paulinchen.de