“Sie rauben, töten, sterben, ohne je wirklich gelebt zu haben“, sagt Jacqueline Moreno bei ihrem Hamburg-Besuch. In den Elendsvierteln kämpft sie für eine bessere Zukunft der Menschen dort.
Geschenkt haben wir in all den Jahren nichts. Nicht ein Brot!" Mit festem Blick formuliert Jacqueline Moreno diesen Satz. Ihre Gesichtszüge signalisieren: "Was ich sage, meine ich auch so - so, und nicht anders." Dieses fast ruppig anmutende Verhalten lässt die 36-Jährige auf den ersten Blick nicht als die Frau erscheinen, die sie eigentlich ist: die Frau des Jahres 2008 in ihrer Heimat Kolumbien; die Frau, die seit zehn Jahren mit ihrem Hilfsprojekt "Laudes infantis" dagegen kämpft, dass Kinder aus den Elendsvierteln der kolumbianischen Hauptstadt Bogota im Sumpf von Drogen, Gewalt und Armut enden.
Vor wenigen Tagen verbrachte Jacqueline Moreno, begleitet von ihrer Kollegin Lydia Gutierrez Ávalos (31), etwas Zeit in Deutschland. Sie besuchte Lili von Otting, eine 21-jährige angehende Studentin aus Hamburg - die bis vor Kurzem fast ein Jahr in Kolumbien gelebt und für "Laudes infantis" gearbeitet hat. Jetzt machten die drei Frauen in Hamburg Werbung für das großartige Hilfsprojekt.
"Dreckige, löchrige Wellblechhütten ohne Wasser- und Stromanschluss, darin verwahrloste Menschen, drum herum stinkende Müllhalden" - so beschreibt Jacqueline Moreno die typischen Elendsquartiere Bogotas. "Die schlimmste Folge dieses Desasters sind", so Moreno, "die Straßenkinder: Sie rauben, töten, sterben - ohne je wirklich gelebt zu haben." Moreno, eine studierte Psychologin, fing bereits vor knapp 20 Jahren an, sich in der Arbeit mit Straßenkindern zu engagieren. 1999 gründete sie "Laudes infantis" ("Aufgang der Kinder"), einen Verein, der versucht, die Gründe dafür zu beseitigen, dass Kinder überhaupt erst auf der Straße landen. "In den zehn Jahren seines Bestehens hat 'Laudes infantis' viel erreicht", meint Jacqueline Moreno. Sie berichtet: "Angefangen haben meine Mitstreiter und ich mit Kinderspielen: Wir sind in die Elendsviertel gegangen und haben uns als Clowns verkleidet und ein bisschen Zirkus gemacht. Immer mehr Leute sind gekommen und haben uns zugeschaut. Wir haben sie aufgefordert, mitzuspielen. Das taten sie auch. So haben wir allmählich eine Gemeinschaft aufgebaut: Sowohl in dem jeweiligen Viertel als auch vor allem in den einzelnen Familien ist dadurch ein innerer Halt gewachsen." Moreno erzählt, wozu dieser Halt dann führte: "Irgendwann haben die Menschen gemerkt, dass sie gemeinsam viele tolle Dinge schaffen können. Und seitdem legen sie Parks an, bauen Obst und Gemüse an und räumen den Müll von den Straßen. Die Menschen bekommen endlich ein Selbstwertgefühl. Sie spüren: Ich kann mich selbst aus dem Elend befreien." Jacqueline Moreno hat sich jetzt richtig warm geredet. "Das Prinzip unserer Arbeit ist ganz klar", erklärt sie, "Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wollen den Menschen nicht ständig Essen oder Geld geben, sondern ihnen beibringen, wie sie ihr Leben lebenswert gestalten können." Wie gesagt: Geschenke gibt's nicht, noch nicht mal Brot. Für jede Leistung wird eine Gegenleistung verlangt: "Für ein abgegebenes Brot wollen wir zum Beispiel von dem, der es bekommt, dass er das Getreide für das Mehl sät und erntet."
Fünf Bezirke von Bogota haben sich seit 1999 mit der Hilfe von "Laudes infantis" von Elendsvierteln zu Wohlstandsgemeinschaften gewandelt. "Wo früher die Traurigkeit den Menschen ins Gesicht gemeißelt war, regiert jetzt das Lächeln", sagt Jacqueline Moreno bewegt, "und wo Autoreifen in giftigem Rauch verbrannten, blühen jetzt duftende Blumen." Diese Veränderungen haben auch Lili von Otting beeindruckt: "Ich habe Elendsviertel gesehen, in denen Menschen schlimmer leben, als man es sich bei uns überhaupt nur vorstellen kann. Und ich habe die Gemeinschaften von 'Laudes infantis' gesehen, die einst Elendsviertel waren und jetzt schöne Dörfer sind."
Auch wenn Jacqueline Moreno das nicht gerne hört: Geschenkt hat sie mit "Laudes infantis" sehr wohl etwas, sehr viel sogar. Eine Zukunft für Menschen nämlich, die bislang nur das Elend kannten; eine Zukunft vor allem für Kinder. Christopher Beschnitt
Liebe Leser, Infos über dieses großartige Projekt finden Sie unter: www.laudesinfantis.org . Und wenn auch Sie den Kindern eine Zukunft schenken mögen, helfen Sie bitte mit einer Spende: "Kinder helfen Kindern", Haspa 1280/144 666. Jeder Euro hilft.