Viele Schüler, vor allem in der Oberstufe, mussten über Weihnachten lernen und sich auf Präsentationen am ersten Schultag vorbereiten.
Hamburg. Ruhig und stressfrei. So stellen sich viele den ersten Schultag nach den Weihnachtsferien vor. Dabei ging es gestern in Hamburger Schulen gleich von null auf hundert weiter. Dies gilt besonders für die Oberstufen, denn da beginnt die Hochphase der Abiturvorbereitungen. Ab diesem Jahr muss für den Abschluss auch eine Präsentationsprüfung abgelegt werden.
"Das bereitet viel besser darauf vor, was im Beruf erwartet wird", sagt Judith Somekh, 20, aus Eilbek. Sie hält an der Otto-Hahn-Schule in Jenfeld eine Präsentation über Lichtkunst, die sie zeitaufwendig in ihren Ferien vorbereiten musste. "Das Thema fiel mir schwer und dann musste ich ja noch eine PowerPoint-Präsentation machen", sagt sie. In den Ferien faul sein zu dürfen - diese alte Schülerregel gilt nicht mehr.
Seit gut zwei Jahren müssen Hamburger Schüler in der Profiloberstufe pro Jahr eine Präsentationsleistung erbringen, diese gilt als Ersatz für eine klassische schriftliche Klausur, die sie dann nicht schreiben müssen. Für viele ist das neben einer Vorbereitung auf die neuen Bedingungen der Abiturprüfung auch die Möglichkeit, eine neue Seite von sich zu zeigen. "Für schriftliche Klausuren muss man eben lernen, aber bei Präsentationen ist Kreativität gefragt", sagt Judith. Sie mag diese Art der Prüfung.
Ihre Mitschülerin Julia Maske, 19, sieht das anders: "Das ist nur Stress für mich. Zum einen, weil die Präsentationsleistung viel mehr Vorbereitungszeit braucht als eine normale Klausur, und zum anderen, weil ich eher ungern vor vielen Leuten spreche." Julia gehört zu den besten in ihrer Klasse, hält sich mit Wortmeldungen im Unterricht aber eher zurück. "Aber so lernen die Schüchternen doch, wie das ist, einen Vortrag zu halten, und können besser damit umgehen", sagt Julias Mitschülerin Annika Meyer, 20. Auch Schulleiterin Renate Wiegandt, 59, sieht das neue Prüfungsinstrument positiv. "Neben dem Präsentieren lernen die Schüler so auch, selbstständig zu arbeiten und einen eigenen Zugang zu Themen zu finden", sagt sie. Drei Wochen haben die Oberstufler Zeit, ihre Präsentation vorzubereiten. Diese muss medial unterstützt sein und inhaltlich tiefgreifender und umfangreicher als ein übliches Referat sein. Hilfen wie Internet oder Lehrer anderer Klassenstufen sind erlaubt. Zudem muss in der Otto-Hahn-Schule ein zwei Seiten langes Handout abgegeben und eine mündliche Prüfung zum Thema absolviert werden.
Auch in der Sophie-Barat-Schule im Stadtteil Rotherbaum spielen Präsentationen eine große Rolle. "Das ist eine gute Investition in die Zukunft", sagt Lukas Knaak, 16, aus Norderstedt. Gemeinsam mit drei Mitschülern hielt der Oberstufler am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien gleich eine Präsentation über die Frage nach dem Bösen bei Schiller. Deutschlehrerin Martina zu Rantzau, 52, war von den Ergebnissen überzeugt. "Das kann man als Lehrer so gar nicht leisten, was die Schüler unter Freisetzung, also wenn sie selbstständig an ein Thema herangehen können, an Vielfalt einbringen", sagt sie. Zunächst seien die Oberstufler zwar etwas hilflos gewesen. Als Gegenmittel wurde ihnen ein Leitfaden und ein Erwartungshorizont an die Hand gegeben.
Wer was wie macht, konnten die Schüler dann selbst ihren individuellen Interessen entsprechend entscheiden. "Ich will ja keine Jugendlichen heranziehen, die zwar das Telefonbuch auswendig lernen können, dann aber nicht in der Lage sind, ein Telefon zu bedienen", sagt zu Rantzau.
Neben den Präsentationsleistungen, die für alle Profiloberstufen in Hamburg Pflicht sind, gibt es an der Sophie-Barat-Schule seit Längerem auch Präsentationen als "Klausur-Ersatzleistung". In Fächern, in denen pro Halbjahr zwei Prüfungsleistungen erforderlich sind, kann eine schriftliche Klausur durch ein Präsentationsprojekt ersetzt werden. So wie die Vorträge rund um das Thema Schiller in der Klasse von Martina zu Rantzau.
Auch ihre Schüler mögen diese Form der Prüfung. "Ich fühlte mich sehr frei in dem, was ich mache, das war eine gute Motivation", sagt Max Meier, 17, der sich für seinen Vortragsteil mit schwierigen Texten von Rousseau, Leibniz und Kant auseinandergesetzt hat. Mitschülerin Nastasja, 16, zog es in eine ganze andere Richtung: Gehirnforschung. "Das entspricht auch meinen Interessen für meine berufliche Zukunft", sagt sie. Es gab aber auch Schwierigkeiten. "Es war kompliziert zu unterscheiden, was wichtig ist und was nicht", sagt Anna Schäfer, 17. Andere hatten eher Schwierigkeiten mit der Zeiteinteilung, so wie Agnes Neetz, 17. "Aber jetzt weiß ich, wie ich das beim nächsten Mal besser hinkriege und was ich wieder so mache", sagt sie. Und das ist ja auch Ziel der Übung. Lernen fürs Abitur, das Studium und fürs Leben.