Rudolf-Roß-Grundschule: Verpflichtender Sprachförderunterricht in der Vorschule soll Fünfjährige fit für die Einschulung machen.

Neustadt. Bis Tamana, Mansur und Mustafa richtig mitreden können, hat Esther Clausen noch viel Arbeit vor sich. Aber wenn sie gemeinsam singen und Bewegungsspiele machen, sind schon alle mit Eifer dabei. Die Drillinge kommen jede Woche zweimal zur Sprachförderung in die Rudolf-Roß-Grundschule in der Neustadt.

Die drei Fünfjährigen gehören zu den 1360 Kindern in Hamburg, bei denen bei der Viereinhalbjährigen-Vorstellung im vergangenen Winter ein ausgeprägter Sprachförderbedarf festgestellt wurde. Bei dieser Vorstellungsrunde, die stets von November bis Januar an allen Hamburger Grundschulen stattfindet, wird untersucht, ob die Kinder absehbar eineinhalb Jahre später in der Lage sind, dem Schulunterricht so zu folgen, dass sprachliche Defizite ihren Schulerfolg nicht beeinträchtigen.

"Die meisten Eltern betrachten diesen Termin nicht als staatliche Kontrolle", so die Erfahrung von Uta Bosselmann, Schulleiterin der Rudolf-Roß-Grundschule, "sondern sie möchten, dass ihre Kinder gut in die Schule starten." Wenn Eltern nicht vorstellig werden, dann suchen Uta Bosselmann oder Britta Langhein, Sprachlernkoordinatorin an der Schule, diese Familien zu Hause auf. "Es darf uns kein Kind durchflutschen", sagen beide.

Der sprachliche Entwicklungsstand wird anhand folgender Indikatoren ermittelt: Wie gut kann ein Kind etwas ausdrücken, wie ist sein Wortschatz, wie grammatikalisch richtig spricht es? Für die Kinder, die gefördert werden müssen, wurden zum Schuljahresbeginn 165 Fördergruppen eingerichtet. Bis zur Einschulung bekommen sie nun speziellen Sprachunterricht. Häufig sind es Kinder, bei denen zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird, oder Kinder, die in ihrer Entwicklung verzögert sind, "da ist dann auch die Sprache verzögert", sagt Langhein.

Im Schuljahr 2007/2008 wurde in Hamburg bei 28,8 Prozent der untersuchten Kinder ein Sprachförderbedarf festgestellt, davon hatten 11,5 Prozent einen ausgeprägten Förderbedarf und mussten damit verpflichtend an einer Vorschule eingeschult werden. Diese Kinder bekamen zusätzlich nachmittags vier Schulstunden Unterricht.

Esther Clausen und ihre Kollegin Eliana Figueroa, die beide an der Rudolf-Roß-Grundschule auch Vorschulklassen leiten, teilen sich die additive Sprachförderung der Vorschulkinder. Den Unterricht beginnen sie stets in einer gemeinsamen Runde mit Gesang, Reimen und Bewegungsspielen. Danach teilen sie sich auf. "Unsere Aufgabe ist, den Unterricht so differenziert anzubieten, dass für jedes Kind das Richtige dabei ist", sagt die Sonderpädagogin Clausen. Als sich die Gruppe getrennt hat, nimmt sie eine Babypuppe zur Hand. Stück für Stück müssen Iida und die Drillinge die Kleidungsstücke benennen. Dazu sitzen sie alle auf dem Boden. "Kinder in diesem Alter haben nicht viel Sitzfleisch", darauf müsse man Rücksicht nehmen, sagt Clausen.

Als sich die Kinder an die Tische setzen, um ein Bild nach ihren Anweisungen anzumalen, die Haare schwarz, die Hose rot, etc. sind die vier unterschiedlich ernsthaft dabei. Die Mädchen mit Akribie, die Jungen etwas lässig. Ob die Drillinge, die afghanische Eltern haben, auch nach der Einschulung weiter Sprachförderung brauchen, wird beizeiten getestet. "Von den 15 Vorschulkindern, die im vergangenen Schuljahr Sprachförderung bekamen, sind sieben Kinder sprachlich so weit, dass sie zunächst keine weitere Förderung brauchen", sagt die Sprachlernkoordinatorin Langhein.

"Wir müssen versuchen, die Kinder noch früher in die Kitas zu bekommen, gerade in den sozial schwierigen Stadtteilen", fordert SPD-Familienexpertin Carola Veit. Unabdingbar seien dort auch kleinere Kita-Gruppen. Uta Bosselmann ist schon froh über die Errungenschaften, die das Sprachförderkonzept mit sich bringt: "Diese Kinder wären ja sonst so zur Schule gekommen, mit deutlich schlechteren Chancen."