Der Unterricht hat sich gewandelt. In den Englisch-Ergebnissen spiegelt sich das bereits wider
Für Christiane Fraedrich fing der gestrige Tag richtig gut an. "Ich habe mich so gefreut, als ich am Morgen die Zeitung gelesen habe", sagt die Leiterin des Fortbildungsreferats Fremdsprachen am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg (LI). Der Grund für ihre Freude: der dritte Platz Hamburgs beim neuen Schulleistungsvergleich in der Kategorie Hörverstehen im Fach Englisch.
"Ich glaube, dass wir in den vergangenen Jahren einfach viel erreicht haben", sagt Fraedrich. Das werde durch das Ergebnis untermauert. Der Englischunterricht an Hamburger Schulen habe sich sehr verändert. "Insbesondere wurden die Aufgabenformate zum Hörverstehen geübt."
Als Initialzündung für den veränderten Unterricht nennt sie die einheitlichen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) für die erste Fremdsprache, die 2003 für den mittleren Schulabschluss festgelegt wurden. "Die KMK hat den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen der Sprachen als Ausgangslage genommen, um ihre Bildungsstandards zu formulieren", sagt die Pädagogin. Dieser Rahmen legt eine umfangreiche Beschreibung vor, die den Spracherwerb beschreibt und damit vergleichbar macht. Dabei gibt es sechs Niveaustufen - von A1 bis C2. "Wenn jemand Englisch lernt, dann sollte er bis zur mittleren Reife B1/B1 plus erreicht haben", erklärt Fraedrich. Das bedeutet, dass er die Sprache so weit gelernt hat, dass er sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen äußern kann.
Sich eine Fremdsprache anzueignen verlaufe immer ähnlich: "Man hört, man fängt an zu sprechen, man lernt lesen und schreiben." Das sei wie beim Erwerb der Muttersprache.
Daraufhin habe man die Lehreraus- und Fortbildung konsequent ausgebaut.
Hamburg hat für jeden Lehrer eine Fortbildungsverpflichtung über 30 Stunden pro Schuljahr festgeschrieben. "Das ist hier anders als in vielen anderen Bundesländern", sagt Fraedrich. Die Möglichkeit, innerhalb des Stadtgebiets das Fortbildungsangebot wahrzunehmen, sei ein besonderer Vorteil des Stadtstaates, fügt sie hinzu. "Viele Kollegen machen sogar mehr an Fortbildung als vorgeschrieben."
Inzwischen gebe es auch hervorragendes Lehr- und Lernmaterial. "Die Verjüngung der Lehrerschaft hat viel Aufgeschlossenheit für neue Lernformen mit sich gebracht", sagt Fraedrich.
Desaströs ist im Vergleich zu den Englisch-Ergebnissen das Abschneiden bei den Tests zum Zuhören und Erfassen deutscher Texte. "Im Gegensatz zu Englisch, das für die meisten Kinder als Fremdsprache nur in der Schule unterrichtet wird, kommen die Kinder schon mit sehr heterogenen sprachlichen Voraussetzungen im Deutschen in die Schule, was man zum Beispiel sehr deutlich an ihren Wortschatzkenntnissen sieht", sagt Astrid Müller, Professorin für Deutschdidaktik am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Hamburg. Im Klartext: Fast jeder zweite Schüler in Hamburg hat ausländische Wurzeln.
Im Deutschen werden die Grundlagen für das Verstehen von gesprochenen Texten eher außerhalb der Schule gelegt. Auf das Lesen und Textverstehen hingegen hat der Unterricht einen entscheidenden Einfluss. "Verfahren der Leseförderung spielen deshalb in der Lehrerfortbildung, nicht nur für das Fach Deutsch, sondern auch für das Lesen von Sachtexten im Fachunterricht eine entscheidende Rolle", sagt die Erziehungswissenschaftlerin. "Dafür gibt es gute Fortbildungsangebote. Was inzwischen im Hinblick auf die Leseförderung in Hamburger Schulen und Klassen passiert, ist schon sehr ermutigend." Aber das zeige sich noch nicht in den aktuellen Ergebnissen.
Zudem sei davon auszugehen, dass eine Großstadt wie Hamburg, ähnlich wie Bremen und Berlin, besonders vom engen Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Faktoren und Bildungserfolg betroffen sei.. "In keinem Land ist der Zusammenhang zwischen Schulleistung und Bildungshintergrund der Eltern so eng wie in Deutschland", sagt Müller.