In den Zeugnissen sollen künftig Werte von 1 bis 90 stehen. Aber Eltern und auch Lehrer äußern sich eher zurückhaltend zu dem Plan.
Hamburg. 90 Punkte statt sechs Zensuren - die geplante Einführung einer Punkte-Skala für die Bewertung von Schulleistungen hat für Verunsicherung und Ärger gesorgt. "Ich bin von den Neuerungen völlig überrascht worden. Die Behörde hat uns nicht informiert", sagte Volker Wolter, Schulleiter des Gymnasiums Rahlstedt. Inzwischen habe er schon die ersten Anfragen von Eltern, könne aber noch nichts Genaueres sagen. "Wir sind im Prinzip offen, aber ob ein Punkte-System wirklich funktioniert, muss man erst mal abwarten." Auch Frank Schmidt, Schulleiter des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, wusste bis gestern Morgen nichts davon, dass die Leistungen seiner Schüler ab August mit Punkten bewertet werden sollen. "Ich habe, wie üblich, erst aus der Tagespresse davon erfahren", sagt er.
+++So rechnen Sie die Zeugnis-Punkte in Noten um+++
Hintergrund: Die Schulbehörde will, dass vom kommenden Schuljahr an Schüler nach einer 90-Punkte-Skala bewertet werden. Einen entsprechenden Vor-Entwurf hatte die Initiative "Wir wollen lernen" am Dienstag veröffentlicht. Demnach sollen die Leistungen der Schüler künftig ab Klasse vier nur noch mit Punkten bewertet werden, im Halbjahrszeugnis der sechsten Klasse (vor dem Übergang in eine Stadtteilschule oder auf ein Gymnasium) sowie in den Abschlussklassen neun uns zehn werden diese zusätzlich in den altbekannten Noten ausgewiesen.
Je nachdem, welcher Schulabschluss angestrebt wird, entsprechen die Punktzahlen einer anderen Zensur. Beispiel: In einer Matheklausur gibt es bei einer bestimmten Fehlerzahl 51 Punkte. An einer Primarschule bedeutet dies die Note "3". An weiterführenden Schulen richtet sich die Wertung nach den Anforderungen. Bei Hauptschülern ist es eine "1", bei Realschülern eine "2" und bei Gymnasiasten eine "4". Damit die Punkte in Noten übersetzt werden können, hat jedes Zeugnis eine Übersichtstabelle.
Zusammen mit den Lernentwicklungsgesprächen, die jeweils zu Beginn des Halbjahres von Eltern, Schüler und Lehrern geführt werden, soll das Punktesystem zu einer "genaueren Leistungsrückmeldung jedes einzelnen Schülers" führen. "Das herkömmliche Notenraster reicht dafür einfach nicht aus", sagt Brigitte Köhnlein, Sprecherin der Schulbehörde.
Die Schulen reagierten abwartend auf das neue System. "Wir haben schon jetzt zusätzlich zu den Noten Bemerkungen auf unseren Zeugnissen", sagt Hiltrud Kneuer, Schulleiterin der Haupt- und Realschule Slomanstieg. Diese Mischung habe sich bewährt. "Ob man mit einem Riesenpunktesystem besser fährt, weiß ich nicht." Auch an der Grundschule Hinter der Lieth gibt es Noten und Bemerkungen. "Das ermöglicht schon jetzt eine differenzierte Beurteilung", sagt Schulleiterin Susanne Solger. Peter Albrecht, Vorsitzender der Elternkammer Hamburg, will das neue System zunächst detailliert überprüfen. Grundsätzlich hält er es für den richtigen Ansatz. "Es ist gut, den Leistungsstand der Schüler transparenter zu machen." 90 Punkte allein ergäben jedoch "keinen Mehrwert" - dazu seien weitere Maßnahmen nötig. Um bei den Eltern eine Akzeptanz des Punktesystems zu erhalten, müsse die Behörde sie genau informieren.
"Noten müssen für alle verständlich sein", sagt SPD-Schulexperte Thies Rabe. Zwar müsse die Bewertung überarbeitet werden, er sei aber skeptisch bei der Erfindung neuer Raster. Breite Zustimmung für das Punktesystem kam dagegen von der Schülerkammer. "Die Noten 1 bis 6 reichen für eine individuelle Bewertung nicht aus. Wir fordern schon lange ein differenziertes System", sagte der Vorsitzende Frederic Rupprecht. Ziel sei ein System, das tatsächlich die Kompetenzen der Schüler abbilde.