Hamburg. Es kam seit August 2021 in zwei Hamburger Stadtteilen zu insgesamt sechs Überfällen auf die Biomarktkette. Was treibt den Täter an?

Es begann im vergangenen Sommer. Am 24. August überfiel ein Mann Tjaden’s Bio Frischemarkt an der Fruchtallee. Der bewaffnete Mann erbeutete mehrere Hundert Euro und flüchtete. Mittlerweile gibt es sechs Überfälle auf Filialen an zwei Standorten der Kette. Ermittler sind sich sicher, dass es immer derselbe Täter war, der zum Raubzug in den Bioladen ausgezogen war. Warum der Mann so eine „Vorliebe“ für Bio hat, ist der Polizei dagegen ein großes Rätsel.

Es sind immer die Abendstunden, in denen der Räuber kam: Alle Taten passierten zwischen 19.23 Uhr und 20.31 Uhr. Nach Einschätzung der Ermittler hat die zeitliche Präferenz des Räubers vor allem mit dem erhofften Kassenbestand zu tun, zumal die Filialen um 21 Uhr schließen. Offenbar hofft der Räuber, dass kurz vor Ladenschluss die Kassen prall gefüllt sind.

Überfall auf Biomarkt mit geringer Ausbeute

Diese Hoffnung hat sich aber bislang nicht erfüllt. Gemessen an dem Risiko, dass der Serienräuber einging und eingeht, fiel die Beute eher gering aus. Zuletzt hatte der Täter um die 800 Euro erbeutet. Insgesamt waren es ein paar Tausend Euro, die er bei seinen Raubzügen erbeutete. Für die lange Haftstrafe, die dem Mann droht, wenn er ermittelt wird, dürfte das eher ein „Taschengeld“ sein.

Trotzdem, der Unbekannte bleibt eisern Tjaden’s und seinen Filialen treu. Nach dem Überfall im August folgte eine Tat am 16. September. Dann schlug er am 6. November zu und schließlich noch einmal 2021 zwischen den Jahren am 28. Dezember. Im neuen Jahr ließ er es dann ruhiger angehen. Erst am 22. April schlug der Räuber wieder zu. Bemerkenswert: Es war bis dahin immer dieselbe Filiale, die er heimsuchte.

Plötzlich durchbricht der Täter sein Muster

Am vergangenen Freitag aber durchbrach der Täter sein gewohntes Muster. Um 19.32 Uhr tauchte der Täter in Tjaden’s Bio Frischemarkt an der Martinistraße in Eppendorf auf. Er ging zur Kasse, zeigte dem Kassierer eine Schusswaffe und erzwang so die Herausgabe der rund 800 Euro. Dann flüchtete er.

Die Polizei zog für die Sofortfahndung zahlreiche Peterwagenbesatzungen zusammen. Der Polizeihubschrauber „Libelle 1“ stieg auf, um die Suche nach dem Räuber aus der Luft zu unterstützen. Sie musste ohne Ergebnis abgebrochen werden. Der etwa 1,80 Meter große, schlanke Mann, der akzentfrei Deutsch spricht und durch seinen Gang, ein Hinken oder ein durch X-Beine geprägtes Fortbewegen auffällt, entkam. Mal wieder.

Überfälle auf Tjaden’s – eine These

Was den Täter antreibt, immer wieder dieselbe Kette auszurauben, ist unklar. Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper hat eine These. „Er könnte davon ausgehen, dass in einem Bioladen eher Menschen anzutreffen sind, die wenig Gegenwehr leisten. Hat sich diese Einschätzung beim ersten Überfall bestätigt und bei weiteren Taten verfestigt, kann das der Grund sein, warum er immer wieder dorthin geht.“ Den Täter selbst hält Kemper aber eher für wenig selbstbewusst. „Ich gehe davon aus, dass er sich nicht an andere Läden herantraut“, so der Kriminologe.

Dafür spricht, dass der sechste Überfall in der Martinistraße im Nachbarstadtteil Eppendorf spielte. Der Zeitpunkt für einen „Wechsel“ war gut gewählt. Die bereits fünfmal überfallene Filiale an der Fruchtallee wird mittlerweile, so hieß es, von einem Securitydienst überwacht. Zudem hat die Polizei die Bestreifung der Gegend durch Peterwagen um den Biomarkt in der Fruchtallee in den Abendstunden intensiviert.

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„Der Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt und die örtliche Nähe der zuletzt überfallenen Filiale weisen darauf hin, dass der Täter aus der Nähe stammt und eine gute Ortskenntnis von der Gegend, aber auch gute Kenntnisse über das Geschäft hat“, so Kemper. Tatsächlich liegen beide Filialen rund dreieinhalb Kilometer Fußweg auseinander.

Der Räuber könnte nach Kempers Einschätzung sogar ein Kunde sein, der sich seine Infos direkt im Geschäft besorgt. „Ich kann mir sogar vorstellen, dass sein ungewöhnlicher Gang nur vorgetäuscht ist, also eine bewusste Show, um Polizei und Zeugen auf eine falsche Fährte zu locken.“ Dazu würde auch die Maske passen, die der Räuber trägt. Es handelt sich um eine fleischfarbene Gummimaske, so wie sie beispielsweise zum Fasching getragen wird.

Maskierter Täter noch nicht gefasst

Sie bedeckt das komplette Gesicht und macht ihn für Zeugen und die Kameraüberwachung unidentifizierbar. Er könnte problemlos in die Filialen gehen, ohne erkannt zu werden und sich umsehen. Was die Maske zeigt, die der Mann bei den Überfällen trägt, wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. Zumindest ließ man so viel durchblicken: Das Gesicht eines Prominenten oder Politikers zeige sie nicht.