Hamburg. Aufnahmen auch von Hamburger Politikern verbreitet. Experte für Body-Cams bei Polizisten. Innensenator Grote: Video wirft Fragen auf.

Im Zusammenhang mit den Anti-Rassismus-Demonstrationen am Wochenende in Hamburg verbreitet sich seit Montagabend ein Youtube-Video in den sozialen Medien wie Twitter und Facebook. Es zeigt einen Polizeieinsatz, bei dem ein dunkelhäutiger Mann vor einem parkenden Auto von drei Polizisten auf den Boden gedrückt wird.

"Tu vas me tuer" – Polizisten drücken Mann zu Boden

Zu Beginn des Videos ist die Stimme eines Navigationsdienstes zu hören, der den Standort O'Swaldstraße in Höhe Am Gojenboom nennt. Anschließend sind drei Polizisten zu sehen, die einen Mann auf den Boden drücken. Er ruft "Tu vas me tuer" (auf Deutsch: "Du wirst mich töten") während die Polizisten auf dem Körper des Mannes sitzen und ihn festhalten. "Il n'y a pas de probleme (auf Deutsch: Es gibt keine Probleme), er bleibt ruhig", ruft der Kameramann den Beamten am Ende noch zu, dann bricht das Video ab.

Statt wie im Titel des Videos angegeben, fand der Vorfall laut Pressestelle der Polizei nicht nach den Anti-Rassismus-Demonstrationen am 5. Juni in Hamburg statt, sondern am 11. August 2019. Bei dem Einsatz kam es "anlässlich eines Abschleppvorgangs zu einem Widerstand mit einem französischen Staatsbürger", so die Polizei gegenüber dem Abendblatt.

Dezernat Interne Ermittlungen ermittelt wegen Polizeieinsatz

"Das Dezernat Interne Ermittlungen hat aufgrund des polizeilichen Vorgehens bereits die Ermittlungen aufgenommen", heißt es weiter.

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Auf Nachfrage teilte die Innenbehörde mit, dass die Ermittlungen zu dem Polizeieinsatz in Horn unabhängig vom Auftauchen des Youtube-Videos seien. Sie hätten bereits vor einiger Zeit begonnen, der Vorfall sei bekannt. Auch Innensenator Andy Grote (SPD) teilte bei der Landespressekonferenz am Dienstag mit, dass er das Video bereits gesehen habe.

Innensenator Grote: Das Video wirft Fragen auf

"Wenn man sich das jetzt ansieht, wirft es ein paar Fragen auf", sagte Grote. Der Fahrzeughalter wurde nach aktuellen Informationen der Polizei bei dem Einsatz zu einem Bußgeld aufgefordert, versuchte sich dann aber vom Einsatzort zu entfernen. Anschließend habe es ein Handgemenge gegeben und der betroffene Mann sei festgehalten worden, so der Innensenator.

Auch vergangenes Jahr habe es ein Video zum dem Vorfall gegeben. Die Ermittlungen wurden auch an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, das Verfahren jedoch eingestellt. "Aufgrund des aufgetauchten Videomaterials wird der Vorfall nochmal neu untersucht", sagt Innensenator Grote.

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Nach Abendblatt-Informationen wird nun erneut in dem Fall ermittelt, da die jetzt aufgetauchten Videoaufnahmen als belastbareres Beweismaterial gelten. Bereits unmittelbar nach dem Vorfall lag den Ermittlern zwar ein Video vor - dieses war jedoch aus einiger Entfernung von oben aufgenommen worden und nach Polizeiangaben nicht klar zu erkennen, inwieweit die Polizisten Gewalt gegen den betroffenen Mann ausgeübt hätten. Deshalb sei das Verfahren wegen eines mangelnden Anfangsverdachts eingestellt worden. ​

Direkt nachdem nun aber die neue Filmsequenz im Internet kursierte, sei diese von der Polizeiführung sofort erneut an das Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) in der Innenbehörde weitergeleitet worden. Dieses entschied nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen erneut aufzunehmen.

Soziologe: Polizei soll Chance nutzen

Der Soziologe Nils Zurawski, der Polizisten ausbildet und am Institut für kriminologische Sozialforschung der Uni Hamburg arbeitet, findet das Verhalten der Beamten in dem Video übertrieben. Ihm ist es ein Rätsel, warum die Männer hinter der Kamera überhaupt so lange filmen konnten, ohne, dass einer der Polizisten auf sie reagiert. Besonders, weil im Umfeld des Einsatzes kaum Publikum und somit Zeugen zu sehen sind.

Zurawski hofft, dass die Polizei die Chance nutzt und die Ermittlungsergebnisse transparent an Presse und Bevölkerung kommuniziert. So könne das in Deutschland bestehende hohe Vertrauen in die Polizei bewahrt werden. „Es kommt leider viel zu wenig raus“, so der Soziologe. Eine schärfere kritische Betrachtung sei demnach nötig, auch vonseiten der Politik.

Bei seiner Arbeit mit angehenden Polizisten merke er darüber hinaus, dass eine gute Polizei-Ausbildung nicht vor Rassismus schütze. Demnach wäre auch eine neue Diskussion um Body-Cams sinnvoll, so Zurawski. Diese könnten nicht nur, wie ursprünglich gedacht, Einsatzkräfte sondern auch Opfer beispielsweise rassistischer Gewalt schützen.

Celik: "Der Einsatz muss Konsequenzen haben"

Auf das Youtube-Video hatte auch der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Deniz Celik, aufmerksam gemacht. Er teilte den Link zum Youtube-Video am Montagabend auf Twitter und schrieb dazu: "Unter massiver Gewalteinwirkung wird ein Schwarzer von 3 Polizisten auf den Boden gedrückt und ringt im Würgegriff nach Luft. Der schockierende Einsatz soll in Hamburg-Horn erfolgt sein und muss Konsequenzen haben! #blacklivesmatter."

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Auf Abendblatt-Anfrage äußerte sich der Vizepräsident der Bürgerschaft Celik erneut dazu: „Die Aufnahmen sind verstörend und der Polizeieinsatz scheint äußerst brutal zu sein. Dass interne Ermittlungen aufgenommen wurden ist das Mindeste und wir erwarten auch, dass der Frage nach möglicherweise rassistischen Motiven nachgegangen wird."

Forderungen nach unabhängiger Beschwerdestelle

Die Vorfälle in den vergangenen Tagen würden die Linksfraktion außerdem in der Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle bestärken, so Celik. Von den bereits eingestellten internen Ermittlungen habe er nichts gewusst, auch das Video kannte er zuvor nicht. Da er die Informationen aus der Überschrift des Videos nicht verifizieren konnte, hatte er den Tweet im Konjunktiv verfasst und auf die Nennung eines Datums verzichtet.

"Interessant finde ich die Tatsache, dass trotz vorheriger Ermittlungen jetzt die interne Dienststelle erneut angefangen hat, zu ermitteln", so Celik.