Hamburg. 14- und 15-Jährige schlagen für Beute Schaufenster ein. Doch alle sind auf freiem Fuß. Herrenausstatter trifft es besonders hart.
Mit einem „Aktionsplan“ will die Polizei Jugendlichen Einhalt gebieten, die seit Wochen die Geschäftsleute im Neugrabener Ortskern durch Einbrüche terrorisieren. Die Täter, zumeist 14- und 15-Jährige, schlagen häufig Schaufenster ein, um an Beute zu kommen. Mehrere von ihnen wurden auf frischer Tat gestellt. Doch die Festnahmen schreckten sie nicht ab. Alle mussten aus Altersgründen wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Jugendbande in Harburg: Gespräche mit Justiz und Jugendbehörde geplant
Im Visier der Polizei sind vor allem drei 15-Jährige aus dem Bereich Neugraben und ein 14-Jähriger aus Neu Wulmstorf. Alle sind der Polizei wegen Straftaten bereits bekannt. Drei der Jugendlichen, die meist russischen oder baltischen Hintergrund haben, wohnen bei ihren Eltern. Einer lebt in einer Jugendwohnung. Sie gehören zu einer größeren Gruppe von Jugendlichen, die in wechselnder Beteiligung die Einbrüche begehen. Auch ein Kind ist dabei – ein 13 Jahre alter, strafunmündiger Junge. „Sie führen ein unstetes Leben“, sagt ein Beamter. Ihre Familien funktionieren nicht, es fehlt eine verbindliche Aufsicht.
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Zum polizeiinternen Aktionsplan gehört auch eine „Manndeckung“. Dazu werden zusätzliche Polizisten in Neugraben eingesetzt. Sie sollen den Jugendlichen signalisieren, dass man „eng an ihnen dran ist“. Zudem sind behördeninterne Gesprächsrunden mit Justiz und Jugendbehörde geplant. Aber auch das sagt ein Polizist: „Wir haben bei Jugendlichen nur begrenzte Möglichkeiten.“ Und: „Die bekommt man nicht weg ...“
Für die Mitarbeiter sind die Einbrüche eine große Belastung
Besonders hart traf es den Herrenausstatter Paulsen. Seit dem 13. Dezember gab es dort fünf Einbrüche. Die Täter hatten es vor allem auf Jacken der Marke Wellensteyn abgesehen. Die Mitarbeiter sind verzweifelt. Sie wissen nicht, wie sie den Laden schützen sollen. Seit 30 Jahren gibt es den inhabergeführten Laden in der Neugrabener Marktpassage. Eigentlich wollen Uwe Burfeindt und sein Kollege Frank Laporte nur Kunden beraten und Kleidung verkaufen. Doch seit Freitag, 13. Dezember, sind sie mit anderem beschäftigt.
In der Nacht fand der erste Einbruch statt. Es folgten vier weitere. Zwei passierten an den zwei Tagen eines Wochenendes hintereinander. Meistens wurde das Schaufenster mit Trummen, kleinen Gullydeckeln, eingeworfen. Die Täter stahlen gezielt Winterjacken. Bei drei Taten konnten die Einbrecher gestellt werden. Zuletzt war es ein 14-Jähriger, den Polizisten direkt aus dem Schaufenster holten.
Für die Mitarbeiter sind die Einbrüche eine große Belastung. „Wir haben eine Alarmanlage, die bei einem Wachdienst aufgeschaltet ist“, sagt Burfeindt. Er trifft sich dann mit seinem Kollegen am Geschäft; einer kommt aus Stade, der andere aus Bergedorf. Vor Ort wird die Anzeige aufgenommen, dann kommt die Spurensicherung. Später muss aufgeräumt und ein Notglaser beauftragt werden. „Fünf bis sechs Stunden ist man dann vor Ort“, sagt Burfeindt. Dann ist die Nacht herum, ein neuer Arbeitstag beginnt.
Ladeninhaber Burfeindt: Das Schlimme sei, dass man keine Lösung sehe
„Wir wollen eigentlich nur in Ruhe unsere Arbeit machen“, sagt sein Kollege. Das ist seit Wochen nicht möglich. Selbst nachts in Ruhe zu schlafen, sei schwierig. „Man hat immer eine innere Spannung, weil man auf den nächsten Anruf wegen des nächsten Einbruchs wartet“, so Burfeindt. Auf die Polizei sind beide nicht sauer. „Die machen ihre Arbeit gut. Immerhin haben sie bei drei Einbrüchen auch die Täter festgenommen“, so Burfeindt. Das Schlimme sei, dass man keine Lösung sehe.
„Ich kann die Leute gut verstehen“, sagt Thomas Jungfer, Vize-Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Wir lassen Jugendliche mit 17 Auto fahren oder mit 16 Jahren wählen gehen. Für ihre Taten sind sie aber erst mit 21 Jahren voll verantwortlich.“ Dabei gehe es nicht darum, das Jugendstrafrecht generell infrage zu stellen. „Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass es bei einigen Jugendlichen eine völlig falsche Wirkung erzielt“, sagt Jungfer. „Dass sich die Opfer, in diesem Fall Geschäftsinhaber und Mitarbeiter, wie Freiwild vorkommen, kann ich gut nachvollziehen. Die Polizei kann da nur ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Die sind bei Jugendlichen eben stark eingeschränkt.“
Erst am Dienstag wurde in Neu Wulmstorf erneut ein 13-Jähriger gestellt, nachdem er versucht hatte, mit zwei 13 und 15 Jahre alten Mädchen in ein Geschäft einzusteigen. Er wird der Gruppierung zugerechnet, die in Neugraben die Einbrüche beging.