Hamburg. Scharfe Sicherheitsmaßnahmen mit Schuhkontrollen. Unterstützer beschimpfen Berichterstatter und bejubeln Angeklagte.

Rund um das Hamburger Strafjustizgebäude gelten am Mittwoch strengste Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei sichert das Gericht mit Dutzenden Beamten ab. Ein Hauch von Stammheim weht durch den Hochsicherheitssaal 237, als die angeklagten mutmaßlichen Linksextremisten den Raum betreten.

Rund 100 Unterstützer, eindeutig der linken Szene zuzurechnen, brechen in frenetischen Jubel aus. Laut geht es schon bei der Ankunft von Ingmar S. (27) zur Sache, noch mehr schwillt der Lärm an, als Felix R. (31) von Justizbeamten hineingeführt wird. Beide Männer werden von Lykke D. (28) umarmt, der dritten und einzigen nicht inhaftierten Angeklagten in diesem Verfahren.

Die "Drei von der Parkbank": Keiner steht auf

„Freiheit für alle Gefangenen“, skandieren die Zuschauer. Oder auch „I‘m still standing“ („Ich stehe noch“). Nur steht niemand, um den Richtern (oder ihrem Amt) den schuldigen Respekt zu zollen. Praktisch alle Zuschauer bleiben sitzen, als das Gericht den Raum betritt.

Mit diesem Vorspiel war zu rechnen, schon weil das wegen Verabredung zu vier gemeinschaftlichen und einer schweren Brandstiftung angeklagte Trio in der linksradikalen Szene eine Art Legendenstatus besitzt. Etwas treuherzig werden sie da als „Die Drei von der Parkbank“ bezeichnet – der Name ist auch eine spöttische Anspielung auf den Ort ihrer Festnahme: eine schnöde Parkbank an der Meißnerstraße in Eimsbüttel.

Brandstiftung vorbereitet: Zivilfahnder sah Angeklagten an Tankstelle

Am 8. Juli 2019, anlässlich des zweiten Jahrestags der G-20-Proteste, sollen sich die drei Angeklagten zu Anschlägen mit selbstgebastelten Brandsätzen auf vier Ziele in Hamburg verabredet haben, so der Vorwurf der Generalstaatsanwaltschaft. Kurz bevor sie am frühen Morgen mutmaßlich die Brandsätze untereinander aufteilen und zur Tat schreiten konnten, schlug die Polizei zu und nahm das Trio auf besagter Parkbank fest.

Zuvor hatten Zivilfahnder beobachtet, wie Felix R. an einer Tankstelle Benzin in einen Kanister abfüllte, so die Behörde. In seinem Rucksack entdeckten die Ermittler eine Liste mit vier Adressen, die nahelegt, dass die Drei gleichzeitig Brandanschläge auf das Dienstfahrzeug und das Büro einer Wohnungsgesellschaft, auf ein weiteres Büro einer Maklerfirma und auf die Wohnanschrift von Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt geplant hatten. Zudem fanden sie Sturmfeuerzeuge und Wechselkleidung.

Das Trio genießt "Helden"-Status

Felix R. und Ingmar S., beide nicht vorbestraft aber als Linksextremisten polizeibekannt, sitzen seither in U-Haft. Lykke D. blieb verschont. Mehr als 1000 Briefe sind für die Männer bislang eingegangen – überwiegend Solidaritätsbekundungen. Zum Helden-Nimbus des Trios beigetragen hat wohl nicht nur die Polizei, die ihren Ermittlungserfolg öffentlich sehr selbstbewusst als „Stich ins Herz der anarchistischen Szene“ titulierte, sondern vor allem eine Vielzahl von Anschlägen in Deutschland, insbesondere in Hamburg.

Eine Internet-Seite, die sich als Solidaritätsblog für die „Parkbankcrew“ versteht, listet seit der Festnahme der drei 33 Aktionen und Anschläge im In- und Ausland mit Bezug zu den Angeklagten auf, darunter auch den Farb- und Steineanschlag auf das Dienstfahrzeug von Innensenator Andy Grote (SPD) am 13. Dezember. Kein anderes Verfahren der jüngeren Vergangenheit hat die linksextremistische Szene in Hamburg derart aufgerüttelt.

"Happening" vor dem Prozess

Schon am Vorabend des Prozesses waren zur Unterstützung der Angeklagten fast 500 Demonstranten vom Centro Sociale an der Feldstraße zum Untersuchungsgefängnis gezogen, aus der Gruppe heraus wurden Böller und ein Bengalo geworfen, sonst blieb es friedlich.

Kurz vor dem Prozess am Mittwoch versammeln sich vor dem Strafjustizgebäude Dutzende Sympathisanten. Aus einem Lautsprecher wummern Hip-Hop-Bässe, viele tragen Sonnenbrillen, fast alle schwarze Jacken, wie sie für Anhänger der linksautonomen Szene typisch sind. Aus Sicherheitsgründen kontrollieren Beamte die Zuschauer am Nebeneingang Wallanlagen besonders sorgfältig auf verbotene Gegenstände, sogar ihre Schuhe.

Das Prozedere erinnert stark an die Vorkehrungen zum – seit einem Jahr laufenden – Prozess um die Krawalle auf der Elbchaussee während des G-20-Gipfels im Juli 2017.

Richterin verschiebt Prozessbeginn

Doch die Kontrollen haben einen gravierenden Nachteil: Sie bremsen den ersten Prozesstag komplett aus. Ein Zuschauer nach dem anderen tröpfelt in den Saal, es zieht und zieht sich. Um der Verteidigung nicht schon am ersten Tag Munition für eine Revision zu liefern – schließlich muss die Öffentlichkeit im Strafprozess gewahrt sein – verschiebt die Vorsitzende Richterin Sandra Paust-Schlote den Prozessbeginn, bis auch der letzte Zuschauer den Weg von der Sicherheitsschleuse in Saal 237 gefunden hat.

Erst um 14.45 Uhr, fast zwei Stunden nach dem geplanten Start, kommt die Staatsanwaltschaft zum Zug.

Noch eine Parallele zum Elbchaussee-Prozess: Wie die Verteidiger der Angeklagten in dem G20-Verfahren hatte auch die Verteidigung der drei jetzt Angeklagten je einen weiteren Anwalt beantragt. Paust-Schlote hatte dem zugestimmt, doch die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) ein.

28 Verhandlungstage anberaumt

Im Elbchaussee-Verfahren war die Behörde damit beim OLG erfolgreich. Eine Entscheidung für das Verfahren gegen die „Drei von der Parkbank“ wird in den kommenden Tagen erwartet. Der Prozess geht am 16. Januar weiter.

Weil die mutmaßlich geplanten Brandstiftungen wie ein Versuch bestraft werden können, droht den Angeklagten im Falle einer Verurteilung mehr als elf Jahre Haft. Bis zu einer Entscheidung wird aber noch viel Zeit verstreichen: Die Große Strafkammer 15 hat schon jetzt 28 Verhandlungstage anberaumt. Sollte das nicht ausreichen, wird nach dem 9. April weiter verhandelt. Zweimal wöchentlich.