Hamburg. Überhöhte Geschwindigkeit, rote Ampeln missachtet – kommen Hamburger Autofahrer davon, weil Beamte fehlen?
Sie sind die Spezialisten für Verkehrsüberwachung, nehmen schwere Unfälle auf, bekämpfen „Autoposer“: Die Polizisten der Verkehrsdirektion (VD) sollen Hamburgs Straßen sicherer machen. Doch: „Diese wichtige Aufgabe gerät immer mehr ins Hintertreffen“, sagt Thomas Jungfer, stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Der Grund: Viele Arbeitsplätze sind nicht besetzt.
Laut Plan sind bei der Verkehrsdirektion 365 Stellen angesiedelt. Derzeit gebe es aber eine Fehlquote von 25,8 Prozent, so Jungfer. „In einigen Bereichen, beispielsweise der Verkehrsdirektion 2, die für den Westen Hamburgs und die Innenstadt zuständig ist, beträgt sie sogar um die 50 Prozent.“ Dadurch leide vor allem die Verkehrsüberwachung.
Auch die Altersstruktur macht der Gewerkschaft Sorgen. Überdurchschnittlich viele Beamte gehen in den kommenden Jahren in Pension. Damit gehe in kurzer Zeit viel Fachwissen verloren. Laut Jungfer wurde die Verkehrsdirektion „stiefmütterlich“ behandelt. „Andere Bereiche hatten Priorität. Das rächt sich jetzt. Durch die Personalprobleme kann die Verkehrsdirektion nicht mehr ihren Aufgaben, vor allem im Bereich der Verkehrsüberwachung, nachkommen.“
Sicherungswagen speziell für den Elbtunnel
Vorrang hätten stets die Verkehrsunfalldienste, so Jungfer. „Selbst nachts sollen zwei Unfalldienste besetzt sein, einer davon wird für die Bearbeitung von Verkehrsunfällen vorgehalten, bei denen es Todesopfer gab.“ Tagsüber sind mindestens drei Verkehrsunfalldienste im Einsatz. Ebenso müssen rund um die Uhr drei Sicherungswagen für die Autobahnen, einer davon speziell für den Elbtunnel, besetzt sein. Notfalls werden deshalb die Unfalldienste mit Beamten aus anderen Bereichen aufgefüllt.
Jungfer klagt: „Auf der Strecke bleiben dann die alltäglichen Aufgaben, wie Rotlichtüberwachung oder Geschwindigkeitskontrollen.“ Die Hamburger Polizei versucht die Engpässe auszugleichen. „Zur Reduzierung der Hauptunfallursachen wie Rotlicht und überhöhte Geschwindigkeit und zum besonderen Schutz von Kindern, Radfahrern und Senioren werden trotz der angespannten Personalsituation auch mit Unterstützung der Polizeikommissariate und der Landesbereitschaftspolizei priorisiert Schwerpunkteinsätze durchgeführt“, sagt Polizeisprecher Timo Zill dem Abendblatt.
Junge Polizisten wollen nicht in Verkehrsüberwachung
Gewerkschafter Jungfer kritisiert dagegen auch eine „Aufgabenerweiterung“: Dazu gehörten etwa die Fahrradstaffel, aber auch die Kontrollgruppe Autonomer, die PS-Protzer verfolge, die gegen Verkehrsregeln verstoßen. Für die Kontrolle der Autoposer seien Stellen aus anderen Bereichen der Verkehrsdirektion genommen worden.
Ein weiteres Problem: Viele junge Polizisten sind nicht gerade darauf aus, in der Verkehrsüberwachung eingesetzt zu werden. „Es gilt bei vielen Kollegen leider nicht als attraktiv, dort zu arbeiten“, so Jungfer. Hinzu komme, dass man für diesen Bereich oft eine hochgradige Spezialisierung und Menschen mit hohem technischen Verständnis brauche. Das gelte nicht nur für die Kontrollgruppe Autoposer, sondern beispielsweise auch für die Experten, die den Schwerlastverkehr überwachten. „Es nützt nichts, dort Kollegen einzusetzen, die es nicht wollen. Die Verkehrsdirektion ist schon etwas für Freiwillige“, so Jungfer. „Auch deshalb muss mehr ganz gezielt etwas für diesen Bereich getan werden.“
Polizeisprecher Zill verweist auf die „Herausforderung, einen Generationswechsel managen zu müssen“: „Eine deutliche Stärkung der Verkehrsdirektionist im Verlauf der aktuellen Einstellungsoffensive zu erwarten. Positive Effekte werden erstmalig im Herbst 2019, besonders stark aber ab dem Jahr 2020 erwartet“, so Zill.