Hamburg. Nur noch in 62 Prozent der Fälle in acht Minuten am Einsatzort. Feuerwehr macht Baustellen in Hamburg verantwortlich.
Die Feuerwehr in Hamburg schafft es nur noch in rund 62 Prozent der Fälle, das selbst gesteckte „Schutzziel“ zu erreichen. Ihm zufolge sollen mindestens zehn Feuerwehrleute innerhalb von acht Minuten bei einem Wohnungsbrand vor Ort sein. Nun ist der schlechteste Stand seit Einführung des „Schutzziels“ erreicht. Ein Grund soll laut Feuerwehrsprecher Martin Schneider der Verkehr sein. Staus und Baustellen machten es den Rettern in vielen Fällen unmöglich, innerhalb der vorgegebenen Zeit am Einsatzort zu sein.
Für die Feuerwehr ist es ein Dilemma. 2015 wurde das „Schutzziel“ basierend auf dem Fall eines „kritischen Wohnungsbrandes“ eingeführt. Dabei sehen sich die Einsatzkräfte mit einem Wohnungsbrand in der oberen Etage eines Mehrfamilienhauses konfrontiert, bei dem die Fluchtwege durch Rauch für die Bewohner versperrt sind. Zehn Mann, so die Berechnung, sollen nach acht Minuten am Brandort sein, um die Menschenrettung einzuleiten. Mindestens fünf weitere Feuerwehrleute sollten nach 13 Minuten vor Ort sein. Dann nämlich, so die Erfahrung, kann es zu einem „Flash-over“ kommen, der blitzschnellen Ausbreitung eines Brandes. Das sollen die zusätzlichen Kräfte verhindern.
Vor vier Jahren lag die Quote noch über 74 Prozent
In 85 Prozent der Brandeinsätze, so der Anspruch, sollten diese Zeiten eingehalten werden. Erreicht wurde das nie. Stattdessen wurde es immer schlechter: Vor vier Jahren lag die Quote noch über 74 Prozent. 2017 waren es 69,6 Prozent. Jetzt sind es noch einmal rund 7,5 Prozentpunkte weniger. Damit hat sich die Abwärtsspirale beschleunigt.
Dabei hatte man sich die Köpfe zerbrochen, um gegenzusteuern. Neue Konzepte wurden eingeführt. Grund waren Personalprobleme in der Vergangenheit. Unter anderem waren die Löschzüge mit 16 Feuerwehrleuten an den meisten Standorten auf Löschgruppen mit zehn Beamten reduziert worden, die ein Löschfahrzeug, eine Drehleiter und ein Vorausfahrzeug besetzen. Dazu werden bereits seit Jahren die freiwilligen Feuerwehren stärker in das Einsatzgeschehen eingebunden. Flankierend gab es eine Personaloffensive. Genutzt hat es bislang nichts. Neues Personal kam bislang vor allem beim Rettungsdienst der Feuerwehr an, für den es mittlerweile eine gesonderte Ausbildung gibt.
139 Stunden im Jahr standen Autofahrer in Hamburg 2018 im Stau
„Es ist eine Gemengelage, die dazu führt, dass das Schutzziel nicht immer erreicht wird“, sagt Schneider. So seien ein Problem kurzfristige Krankmeldungen, die dafür sorgen, dass eine Löschgruppe nicht voll besetzt ist. Und eben der Verkehr. Amerikanische Verkehrsanalysten haben die Hansestadt bei einer weltweiten Untersuchung auf Platz drei der Staustädte in Deutschland – nach Berlin und München – gesetzt. 139 Stunden im Jahr, so die Berechnung, standen Autofahrer in Hamburg 2018 im Stau – und die Feuerwehr eben auch. „Wenn auf dem Ring 2 nichts mehr geht, nützt auch kein Blaulicht“, weiß ein Feuerwehrmann. Und auch das wird hinter vorgehaltener Hand angesprochen: Die Koordination der Baustellen ist eine Katastrophe. Dabei geht es auch um kleine Straßen, für die die Bezirke zuständig sind. „Fragt man dort nach, stellt man fest, dass die keinen Überblick haben“, so ein Feuerwehrmann.
„Das sollte so nicht sein“, sagt Christian Füldner, Sprecher der Verkehrsbehörde. Er verweist auf die neue Baustellenkoordinierung, die vor knapp einem halben Jahr neu aufgesetzt wurde. „Es geht explizit darum, dass alle stets darüber im Bilde sind, wann wo und wie lange gebaut wird, welche Umleitungen es gibt und dass Baustellen auf Umleitungsstrecken vermieden werden. Hierfür sollen alle Beteiligten, wie der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, die Polizei, Bezirke, HPA oder Leitungsunternehmen, ganz eng zusammenarbeiten“, so Füldner. 24 Punkte sollen umgesetzt werden, darunter eine Morgenrunde und eine Hotline. Die Bezirke sollen jeweils zwei Verkehrskoordinatoren bekommen. Von den 14 Stellen sind bislang sechs besetzt. Die Polizei will zudem verstärkt kontrollieren, damit Falschparker die Situation nicht zusätzlich verschärfen.
Bis 2021 sollen 200 Feuerwehrleute mehr eingestellt sein
Bei der Feuerwehr sieht man sich auf einem guten Weg. „Wir haben vermehrte Einstellungen, die für die Besetzung der Löschgruppen und Löschzüge vorgesehen sind“, sagt Schneider. Bis 2021 sollen 200 Feuerwehrleute mehr eingestellt sein. „Wir bauen oder haben neue Wachen, um eine bessere Abdeckung zu erreichen.“ So wurde im Januar die Feuer- und Rettungswache Othmarschen eingeweiht. Am Volkspark und in Schnelsen sind weitere Wachen geplant. Auch das Gesundheitsmanagement bei der Feuerwehr soll verbessert werden, um weniger Krankheitsfälle zu haben.
Das Erreichen des Schutzziels in 95 Prozent der Löscheinsätze, so wie es die Arbeitsgemeinschaft Berufsfeuerwehr (AGBF) in ihrem Strategiepapier anpeilt, wird man aber durch die zusätzlichen Einstellungen und neuen Wachen nicht schaffen. Dafür, so hatten Berechnungen ergeben, wären in Hamburg 640 zusätzlich Feuerwehrleute und sechs neue Standorte nötig.