Hamburg. Arzt soll 187-Straßenbande-Rapper und Rockern Opiate verschrieben sowie deren Freundinnen Risikoschwangerschaften attestiert haben.

Mehr als ein Jahr lang hatten Beamte des Landeskriminalamts gegen einen Arzt, Hells Angels und Kristoffer K., besser bekannt als Gzuz von der 187 Strassenbande, ermittelt. Es geht um Gefälligkeitsrezepte und falsche Atteste. Jetzt schlug die Polizei zu. Am Dienstagmorgen durchsuchten Beamte acht Häuser, darunter die Arztpraxis in Barmbek-Süd, ein Tattoostudio bei Hannover und die Wohnung des Rappers.

Dabei wurden Unterlagen sichergestellt. Auch eine kleinere Menge Rauschgift wurde gefunden. Um 6 Uhr hatten Polizisten die Wohnungen, die Praxis in Barmbek-Süd und das Piercing-Studio gestürmt. Bei einem der Hells-Angels-Rocker fuhr die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) vor, da der Mann als gefährlich gilt.

Freundinnen waren Risikoschwangerschaften bescheinigt worden

Die Aktion geht zurück auf Ermittlungen der Soko „Rocker“, die mittlerweile aufgelöst ist. Sie war eingerichtet worden, nachdem sich Hells Angels und Mongols auf dem Kiez eine blutige Auseinandersetzung geliefert hatten, die kurz vor Weihnachten 2015 in einer Schießerei mündete.

Im vergangenen März begannen die Ermittlungen im Zusammenhang mit den „Gefälligkeitsrezepten“ und Attesten. Zwei 30 und 37 Jahre alte „Höllenengel“ sollen Abnehmer gewesen sein. Die Lebensgefährtin von einem der Männer und eine Frau, die ebenfalls dem Rockermilieu zugerechnet wird, waren, so die Erkenntnisse der Polizei, bei dem Arzt und haben sich Risikoschwangerschaftsbescheinigungen geben lassen, die sie bei ihren Arbeitgebern vorlegten. Tatsächlich sollen die Schwangerschaften bei beiden normal verlaufen sein. So konnten sie über Monate zu Hause bleiben und weiter Geld kassieren.

„Gefälligkeitsrezepte“ für ein in der Szene beliebtes Opiat

Bei Medikamenten, für die die „Gefälligkeitsrezepte“ ausgestellt wurden, soll es sich auch um Tilidin, ein Schmerzmittel auf Basis eines synthetischen Opiats, gehandelt haben. Es ist in der Szene beliebt, weil es unter anderem angstfrei macht. Es macht aber bei längerer Einnahme auch abhängig und zügelt zudem den Appetit.

Warum der Arzt, der dreimal in der Woche nur halbtags und nur Privatpatienten behandelt, die „Gefälligkeiten“ ausführte, ist nicht bekannt. Auf der Internetseite wird darauf hingewiesen, dass keine weiteren Patienten mehr angenommen werden. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Praxis gut lief. Trotzdem, so die Erkenntnisse der Polizei, habe er Rezepte auf „Zuruf“ ausgestellt. „Es soll auch telefonische Bestellungen gegeben haben“, sagte Polizeisprecherin Nina Kaluza.

Die Polizei durchsuchte in der Hamburger Innenstadt zudem die Wohnung von Gzuz, Mitglied der Hip-Hop-Band 187 Strassenbande. Der Rapper selbst stand schon mehrmals im Visier von Polizei und Justiz. 13 Vorstrafen stehen in seiner Akte. Darunter ist ein Raubüberfall, für den er zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, die er in Hamburgs berüchtigter Justizvollzugsanstalt „Santa Fu“ absaß. 2017 saß er dann im Zusammenhang mit einer Körperverletzung zeitweise in Untersuchungshaft. Er soll in Bramfeld den Mitarbeiter eines Getränkemarktes geohrfeigt haben.

Gzuz droht bei einer erneuten Straftat Haft

Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass er bereits im vergangenen Jahr einen Strafbefehl wegen sexueller Belästigung erhalten hatte. Er hatte bei einem Festival in Sachsen-Anhalt einer Frau auf den Po gehauen. Vergangenes Jahr hatte er sich auch eine Anzeige von Tierschützern eingehandelt, nachdem ein Video in Umlauf kam, auf dem er einen Alsterschwan bepöbelt und schlägt.

Seiner Popularität, gerade bei jungen Fans, tut das keinen Abbruch. Der Bandname ist ein Markenzeichen. Das Geschäft läuft prächtig. Mit der Musik, mit Merchandising und einem Tattoostudio auf dem Kiez wird das große Geld gemacht. Ob der Rapper auch Nutznießer falscher Atteste oder von „Gefälligkeitsrezepten“ wurde, ist nicht bekannt. Es kann allerdings „eng“ für Gzuz werden: Bei seiner letzten Verurteilung wegen der Körperverletzung in Bramfeld hatte die Richterin ihm mit auf den Weg gegeben, dass bei einer erneuten Straftat Haft drohen könne.

Die aktuellen Ermittlungen gegen die Beschuldigten werden wegen Betrugs und Rezeptfälschung geführt. Die Ermittlungen führt das LKA 65. Die Abteilung ist für Milieukriminalität und Rocker zuständig, die in Hamburg – wenn es um die Hells Angels geht – eng mit dem Rotlichtmilieu verwoben sind. Festnahmen im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gab es nicht. Die Aktion selbst sei problemlos und ohne Störungen verlaufen, hieß es. Alle Beschuldigten sind weiter auf freiem Fuß.

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