Hamburg. Er war der legendäre „Donnerstagsräuber“. Jetzt wurde er dreimal rückfällig und schoss offenbar einen Haspa-Angestellten nieder.
Michael J. war offenbar bereit zu schießen, als er am Donnerstagabend um kurz vor 18 Uhr in die Haspa-Filiale an der Langen Reihe stürmte. Der mit einer Mütze und einem Schal maskierte 70-Jährige hatte eine scharfe Pistole dabei. Die Waffe aus tschechischer Produktion war schussbereit und geladen, als er zwei Mitarbeiter der Sparkasse bedrohte und sich von der Kassiererin mehrere Tausend Euro geben ließ. Die Beute stopfte er in einen Stoffbeutel. Dann flüchtete er auf einem schwarzen Klapprad.
Kurz darauf lag er mit Handschellen gefesselt am Boden. Eine Peterwagenbesatzung der Wache St. Georg, die zufällig vorbeikam, war von einer Zeugin auf den Bankräuber aufmerksam gemacht worden.
Banküberfall auf die Haspa-Filiale in St. Georg:
Betagter Bankräuber überfällt Haspa-Filiale in St. Georg
Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnt: Es ist ein Serientäter, den die Polizei dort am Donnerstagabend festgenommen hat. Ihm werden auch der Banküberfall am 12. Januar 2017 auf die Haspa an der Holstenstraße in Altona vorgeworfen, wo der damals 45 Jahre alte Mitarbeiter angeschossen und schwer verletzt wurde.
Mitschnitt der Überwachungskamera vom Haspa-Überfall 2017:
Auch ein weiterer Banküberfall Ende 2011 wird ihm angelastet. Bei beiden Taten trug er dieselbe Kleidung wie jetzt bei seiner Festnahme. Auch die Beschreibung, das Vorgehen, alles spricht für ihn. Aber Michael J. bestreitet die beiden Taten. Kriminaltechniker sollen ihm jetzt zweifelsfrei nachweisen, dass er es war. Die sichergestellte Waffe wird dabei eine Rolle spielen.
Immer wieder donnerstags
Es wird festgestellt, ob aus der Ceska auch 2017 die Kugel abgefeuert wurde, die den Haspa-Mitarbeiter in Altona verletzte. Und ein weiterer Umstand macht Michael J. verdächtig: Alle drei Taten ereigneten sich an einem Donnerstag.
Dass der 70-Jährige der berüchtigte „Donnerstagsräuber“ ist, räumt er selbst ein. In seiner Vernehmung beim Landeskriminalamt gab er an, dass er in den 1980er-Jahren eine Überfallserie von sieben Taten beging und als „Donnerstagsräuber“ verurteilt wurde.
J. führte 1990 Häftlingsrevolte an
Dabei war J. für die Beamten zunächst ein „unbeschriebenes Blatt“. Was der Polizeicomputer heute nicht mehr weiß: Der Mann ist ein Schwerkrimineller, der in der berüchtigten Haftanstalt Santa Fu einsaß und dort nicht nur Gefangenensprecher, sondern auch einer der führenden Köpfe der viertägigen Gefangenenrevolte 1990 war.
Die war ausgelöst worden, weil J. keinen Fernseher in seiner Zelle hatte. Der war ihm weggenommen worden, nachdem er sich geweigert hatte, in der Haft zu arbeiten. Ihm war der Lohn, umgerechnet etwa drei Euro, zu niedrig. In Justizkreisen war er nicht nur deswegen berüchtigt. J., der eine 13-jährige Haftstrafe absitzen musste, hatte die Behörde mit Beschwerden und Eingaben „überflutet“.
Bei der Revolte saß er mit anderen Gefangenen auf dem Dach der Anstaltskirche, wo Plakate ausgerollt wurden. Der damalige Justizsenator Wolfgang Curilla sprach mit den Revoltierenden. Zahlreiche Häftlinge gingen daraufhin in ihre Zellen zurück. Andere machten weiter. Das MEK beendete schließlich die Revolte.
Er revoltierte, weil er seinen Fernseher zurückwollte
Ein anderer führender Beteiligter an der Revolte war Harald R., der lebenslänglich bekommen hatte, nachdem er in einem Wald in Farmsen den Direktor einer Bankfiliale zu Tode gefoltert hatte, weil er irrtümlich glaubte, der Mann hätte seine Frau, eine Prostituierte, umgebracht.
Michael J. sah sich da anders. Er gab gern den ehrenvollen Ganoven, der sich nach einem seiner Überfälle ins Alsterhaus verdrückt hatte, dort bei einem Kaffee die Fahndung der Polizei aussaß und dann mit der Beute im schicken Sportwagen nach München düste.
Mit dieser „Legende“ dürfte es spätestens vorbei sein, wenn feststeht, dass er in Altona den Mitarbeiter der Haspa durch einen Bauchschuss lebensgefährlich verletzte. Zuletzt lebte der in Oberbayern geborene Mann in einem Mehrfamilienhaus im gutbürgerlichen Kieler Stadtteil Suchsdorf, in dem neben einem ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten auch ein ehemaliger Kieler Oberbürgermeister wohnt. Am Freitag durchsuchten zwei Beamte des LKA die Wohnung des Mannes. Michael J. wird in der Zukunft wohl wieder in einem Gefängnis leben. Am Freitagnachmittag wurde er dem Haftrichter vorgeführt.