Hamburg. Anwohner wehrten sich gegen Evakuierung, Probleme auch bei Pflegeheim. Auto- und Bahnverkehr versanken im Chaos.
Eigentlich sollte die Bombe schon ab 18.30 Uhr entschärft werden. Eine Stunde hatte der Sprengmeister vom Kampfmittelräumdienst dafür veranschlagt. Doch dann verzögerte sich die Evakuierung immer wieder. Der Autoverkehr im Umkreis der hauptverkehrsadern Wandsbeker Marktstraße und Brauhausstraße brach zusammen, die Busse am Wandsbeker ZOB fuhren nicht mehr, und die Bahnhöfe Wandsbeker Markt (U1), Wandsbeker Chaussee (U1, S1, S11) und Friedrichsberg (S1, S11) waren wie ausgestorben. Schließlich aber ging alles einfacher als gedacht.
Nach nur 45 Minuten Arbeit war der Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg am Mittwochabend in Wandsbek entschärft, obwohl er sogar zwei Zünder hatte. Schneller und reibungsloser als gedacht waren der Bug- und der Heckzünder der bei Bauarbeiten gefundenen Fliegerbombe ausgebaut. Das nur wenig verformte Monstrum konnte aus der 5 Meter tiefen Baugrube am Brauhausstieg 47 geborgen werden. Um 21.28 Uhr meldete der Sprengmeister Vollzug, und um 21.28 Uhr hoben Feuerwehr und Polizei die Sperrungen rund um die Fundstelle auf. Mit gut zwei Stunden Verspätung.
Busse, Bahnen, Autos – nichts ging mehr
Im 600 Meter großen Warnbereich konnten die Straßen wieder begangen und befahren, im 300 Meter großen Sperrbereich im unmittelbaren Umkreis der Bombe durften die evakuierten Wohnungen wieder betreten werden. Auch die Züge, die ab 20.15 Uhr angehalten worden waren, setzen sich wieder in Bewegung. Zunächst waren sie noch gefahren, hatten aber an den drei Bahnhöfen innerhalb der Warnzone nicht mehr angehalten.
1000-Pfund-Bombe in Wandsbek entschärft
Innensenator Andy Grote (SPD) bedankte sich am Donnerstag im Mediendienst Twitter für den Einsatz: "Die Männer gehen volles Risiko, dafür kann man ihnen nicht genug danken", sagte der Senator.
Der Sperrbereich war kleiner als üblich
Der Sperrbereich rund um den Fundort des Blindgängers war mit 300 Metern kleiner als üblich. Die tiefe Lage der Bombe in der Grube hätte ihre Sprengwirkung reduziert, sodass die für 500-Kilo-Bomben üblichen 500 Meter Sperrzone reduziert werden konnten. Trotzdem mussten 121 Gebäude evakuiert werden. 1065 Personen durften nicht mehr in ihre Wohnungen. 120 Menschen fanden sich in der eilends eingerichteten Notunterkunft im Matthias-Claudius-Gymnasium (Witthöftstraße) ein. Auch ein Pflegeheim musste evakuiert werden. Und das war weit schwieriger als gedacht.
Für die vielen bettlägerigen Bewohner musste Aufenthalt in Krankenhäusern organisiert werden, auch war der Abtransport kompliziert, weil Gänge und Türen im Heim sehr schmal sind. Schließlich konnten das Marienkrankenhaus und das Krankenhaus Wandsbek Platz für die Kurzzeit-Patienten schaffen.
Gerangel mit Polizeibeamten
Die Polizei war mit Lautsprecherwagen und Fußstreifen unterwegs und forderte die Menschen auf, die Straße zu verlassen. Nicht alle waren damit einverstanden. immer wieder kam es zu Unmutsäußerungen. Im engeren Kreis der Sperrzone wollten auch einige Hamburger nicht einsehen, dass sie ihre Wohnungen nicht mehr betreten durften. Bei Rangeleien wurden zwei Polizisten leicht verletzt. Ein Polizeisprecher versicherte allerdings, dass diese Reaktionen "normal" seien und bei jeder Entschärfung vorkämen. 198 Polizeibeamte waren im Einsatz. Auch die Feuerwehr befand, alles sei "gut gelaufen". Dabei hätte das Chaos weit größer ausfallen können.
Wenn die Lage der Bombe die übliche Absperrungen von 500 Meter (Sperrzone) und 1000 Metern (Warnzone) erfordert hätten, wären sieben Pflegeheime und ein Krankenhaus zu evakuieren gewesen, hieß es von Seiten der Feuerwehr. So waren in der verkleinerten Sperr- und Warnzone "nur" insgesamt 714 Gebäude mit insgesamt 7350 Personen betroffen, wobei die Evakuierungen nur ein Pflegeheim bzw. insgesamt 1065 Menschen in 121 Gebäuden traf.