Hamburg. Koch gesteht Gewaltverbrechen in St. Georg. Der Tote ist ein seit September vermisster Mann aus Hummelsbüttel.
Wochenlang hatten Gäste anscheinend ahnungslos in dem Restaurant Casa Alfredo in St. Georg gesessen und gegessen, während in einem der hinteren Zimmer, nur wenige Meter von den Tischen entfernt, ein Toter im Boden lag. Am Mittwochabend entdeckten Ermittler der Mordkommission die im Boden des italienischen Restaurants an der Kirchenallee einbetonierte Leiche. Bereits zu diesem Zeitpunkt ging die Polizei davon aus, dass es der seit Monaten vermisste Ercan D. ist. Diese Vermutung bestätigte sich am Donnerstag, als das Opfer eindeutig identifiziert werden konnte.
Wer durch St. Georg geht, sieht an einigen Ecken und auf Litfaßsäulen Suchplakate mit einem Bild von Ercan D., Spitzname: „CinCin“. Ein untersetzter Mann, rundes Gesicht, dunkelblauer Trainingsanzug, Am 27. September war der 49-Jährige spurlos verschwunden. Seither suchten seine Angehörigen verzweifelt und hofften bis zuletzt, ihn lebend zu finden.
Nach ersten Erkenntnissen der Polizei ist Ercan D. Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Die Mordkommission nahm noch am Mittwoch den Koch des Restaurants fest, den 51 Jahre alten Alfredo S. Er habe, so hieß es aus Polizeikreisen, die Tat gestanden.
Vermisster war der Polizei bekannt
Für die Polizei war es zunächst ein Routinefall. Der Vermisste war den Sicherheitsbehörden schon länger bekannt, mehrmals war gegen ihn im Zusammenhang mit Rauben und einmal sogar wegen eines Tötungsdelikts ermittelt worden. Gemeldet war der 49-Jährige zwar in Hummelsbüttel, in einer Wohnung am Poppenbütteler Weg. Tatsächlich hielt er sich aber regelmäßig bei seinen Brüdern in Wilhelmsburg auf.
Als Ercan D. Ende September tagelang nicht auftauchte, machten sich die Angehörigen Sorgen und erstatteten schließlich eine Vermisstenanzeige. Erst Wochen später verdichteten sich die Hinweise, dass der Mann einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sein könnte. Ende Oktober übernahm die Mordkommission den Fall.
Eine der Spuren führte die Ermittler in das Souterrain eines viergeschossigen Hauses gegenüber der Dreieinigkeitskirche in St. Georg. In dem schmucken Altbau eröffnete Anfang 2011 das Casa Alfredo. Zuletzt war Ercan D. dort lebend gesehen worden. Nach Abendblatt-Informationen soll das Restaurant kurz nach dem Verschwinden von Ercan D. renoviert worden sein – möglicherweise hatte der Täter die Bauarbeiten genutzt, um die Leiche unauffällig verschwinden zu lassen.
Leiche war bäuchlings einbetoniert
Die Hinweise waren offenbar so konkret, dass die Ermittler einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss erwirkten. Nachdem Leichen- und Blutspürhunde in dem Lokal angeblich angeschlagen hatten, rückte ein technischer Zug der Bereitschaftspolizei mit schwerem Gerät an.
Beamte sperrten am Mittwochmorgen den Fußweg ab und trugen Teile der Einrichtung, darunter Mobiliar, nach draußen, um in dem Restaurant mehr Platz zu haben. Immer wieder verließen Ermittler mit Mundschutz das Casa Alfredo, während sich draußen Schaulustige und Angehörige von Ercan D. versammelten. Viel zu sehen bekamen sie jedoch nicht, weil die Beamten die Fenster verhängt hatten.
Unterdessen stemmten die Polizisten in dem Restaurant den Boden mit einem Presslufthammer auf, trugen mit Schaufeln und Harken den zerbröselten Beton ab. Ganz vorsichtig und Schicht um Schicht. Während sich die Beamten immer weiter vorarbeiteten, suchten Ermittler der Mordkommission und ein Gerichtsmediziner den Schutt nach Leichenteilen ab. Um kurz vor 18 Uhr legten die Beamten dann zunächst den Kopf frei: Der Tote war bäuchlings einbetoniert worden.
Koch gestand die Tat bereits
Alfredo S. wurde festgenommen und im Polizeipräsidium vernommen. Nach Abendblatt-Informationen gestand er die Tat am Abend. „Er wird dem Haftrichter vorgeführt“, sagte ein Beamter. Warum und wie Ercan D. sterben musste, ist noch Gegenstand der Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Mordkommission.
Offenbar war Alfredo S. zwar der Namenspatron des italienischen Restaurants, die Geschäfte führt jedoch eine Frau. Die Kochkünste des 51-Jährigen jedenfalls waren hochgeschätzt. Das Restaurant, berichten Gäste, sei immer gut gefüllt gewesen. Der 51-Jährige, der als Frohnatur galt, war Spezialist für die mediterrane Küche und soll lange in Italien und Frankreich gelebt haben. Seine fünf Töchter, so steht es in einem Zeitungsartikel, der kurz nach Eröffnung des Restaurants erschien, hätten ihm gern beim Kochen über die Schulter geguckt.
Noch am Dienstag, so erzählt es ein Gast, habe Alfredo S. wieder im Casa Alfredo hinter dem Herd gestanden – zu diesem Zeitpunkt lag der Tote bereits länger eingemauert im Fußboden.