Am Sonnabend werden in Bad Nenndorf Hunderte Rechtsextremisten erwartet. Tausende Nazi-Gegner werden sich ihnen entgegenstellen.

Bad Nenndorf. Für die Polizei in Niedersachsen wird es wohl der größte Einsatz des Jahres: Hunderte Rechtsextremisten wollen am Sonnabend in Bad Nenndorf aufmarschieren, Tausende Nazi-Gegner werden sich ihnen entgegenstellen. Rund ein Dutzend Demonstrationen und Kundgebungen sind ab Freitag in der Kurstadt und in Nachbargemeinden angekündigt, sagte Polizeisprecher Adolf Deterding am Mittwoch. Geburtstagsfeiern und Motto-Partys von Anwohnern sowie ein ökumenischer Gottesdienst seien da noch nicht einmal mitgerechnet.

Seit 2006 versammeln sich Rechtsradikale aus dem In- und Ausland jeden Sommer in Bad Nenndorf zu einem "Trauermarsch“. Ziel der Umzüge ist das städtische Wincklerbad. Dort war von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum des britischen Militärgeheimdienstes untergebracht, in dem Nationalsozialisten inhaftiert waren, aber auch vermeintliche sowjetische Spione. Es kam zu Misshandlungen von Häftlingen. Der Missbrauch wurde von den Briten selbst aufgedeckt, das Lager daraufhin geschlossen.

Mit ihren Trauermärschen wollen die Neonazis angeblich der Opfer gedenken. Die Zahl der Teilnehmer an diesen Veranstaltungen stieg zunächst ständig an – 2010 zogen rund 900 Neonazis durch die Stadt. In diesem Jahr haben die Organisatoren die Veranstaltung in "Marsch der Ehre“ umbenannt.

Auch der Protest wuchs. Waren es zunächst nur einige Hundert Bürger, die sich den Neonazis entgegenstellten, demonstrierten in den vergangenen Jahren mehrere Tausend Menschen gegen die Rechtsextremisten. Unter dem Motto "Bad Nenndorf ist bunt“ plant das gleichnamige Bürgerbündnis auch in diesem Jahr neben Demonstrationen viele weitere Protestaktionen. So soll die Marschroute der Rechtsextremisten mit Luftballons, bunten Wimpeln und Transparenten geschmückt sowie mit fröhlicher Musik beschallt werden.

Die Nazi-Gegner erfahren dabei prominente Unterstützung. Bei der Abschlusskundgebung von "Bad Nenndorf ist bunt“ am Sonnabendmittag wollen unter anderem Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin und der Vorsitzende des Bundestagsuntersuchungsausschusses zur rechten Terrorzelle NSU, Sebastian Edathy (SPD), sprechen. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat ihre Unterstützung für die friedlichen Proteste gegen den Aufmarsch der Neonazis bekundet.

Ob alle Proteste gewaltfrei bleiben, ist indes fraglich. Die Polizei hat Erkenntnisse, "dass auch gewaltbereite Demonstranten anreisen“ werden. Mehrere antifaschistische Gruppen haben angekündigt, den Aufmarschweg der Rechten zu blockieren. Allerdings wollen sich auch Grünen-Politiker an Sitzblockaden beteiligen.

Bereits jetzt sind Beamte in Bad Nenndorf unterwegs, um im Gespräch mit Einwohnern mögliche Ängste auszuräumen. Auch am Sonnabend werden Konfliktmanager im Stadtgebiet im Einsatz sein. Wie in den Vorjahren wird Bad Nenndorf am Sonnabend für den Verkehr abgeriegelt. Ab etwa 5 Uhr morgens müssen sich alle, die in die Stadt hineinwollen, ausweisen und Taschen- sowie Fahrzeugkontrollen in Kauf nehmen. Zahlreiche Geschäfte bleiben deshalb geschlossen.

Für zusätzliche Aufregung sorgt die Ankündigung eines weiteren Neonazi-Aufzugs für Samstag in Hannover. Der Rechtsextremist Dieter Riefling aus Hildesheim hat eine Demonstration angemeldet, die im Anschluss an den "Trauermarsch“ in Bad Nenndorf durch die Landeshauptstadt führen soll. Mit Verweis auf ihre personellen Ressourcen genehmigte die Polizei aber nur eine zweistündige Kundgebung am Zentralen Omnibusbahnhof. Alle sieben Einsatzhundertschaften Hannovers seien den ganzen Tag in Bad Nenndorf im Einsatz.