Wagen mit totem Mann am Steuer prallt gegen Baum. Mord kommt erst bei Leichenschau ans Licht. Täter soll aus rollendem Mercedes geflüchtet sein.
Hamm. Alles sah nach einem Unfall aus, einem todbringenden Fahrfehler. Als hätte der Mann plötzlich das Lenkrad verrissen, die Kontrolle über den Wagen verloren und sei dann in der Dunkelheit gegen einen Baum geprallt. Nichts deutete darauf hin, dass die Mordkommission diesen Fall übernehmen muss. Doch bei der routinemäßigen Sektion der Leiche entdeckten Rechtsmediziner eine Kugel im Oberkörper des Mannes, der am Steuer gesessen hatte. Ali C., 28, war nicht an den Folgen des Aufpralls gestorben. Er war zu jenem Zeitpunkt bereits tot.
Am Montagabend um 21.44 Uhr bog der schwarze Mercedes, der auf den aus Tunesien stammenden Ali C. zugelassen war, von der Hammer Landstraße in den Hübbesweg ab. Dabei stieß der Wagen gegen einen am linken Straßenrand abgestellten A-Klasse-Mercedes. Der Wagen beschleunigte. Schlingernd streifte er am Dobbelersweg einen Audi A 4, einen C-Klasse-Mercedes und einen Ford Fiesta. Ein 51-jähriger Radfahrer, der ebenfalls auf dem Dobbelersweg unterwegs war, kam dem Auto in die Quere. Der Mann stürzte vom Rad, blieb verletzt liegen. Der Mercedes aber rollte mit nun noch höherer Geschwindigkeit weiter, prallte gegen einen BMW, durchbrach einen Zaun und prallte im Park zuerst gegen eine Bank und dann gegen einen Baum. Schwer eingeklemmt lag der Fahrer auf dem Lenkrad. Sein Leben war nicht mehr zu retten. Auch der Mann auf dem Beifahrersitz, der 26-jährige Kenan K., erlitt schwere Verletzungen und war nicht in der Lage auszusteigen. Doch: Er war ansprechbar. Noch am Abend schilderte er den Polizeibeamten, die zu diesem Zeitpunkt noch von einem Verkehrsunfall ausgingen, seine Version des Hergangs: Ein dritter Mann habe hinten im Auto gesessen, im Auto sei ein lautstarker Streit entbrannt. Plötzlich habe es einen lauten Knall gegeben. Ali C. habe sich offenbar so erschrocken, dass er das Lenkrad verrissen habe. Das Auto sei in den Park gerast, der dritte Mann aus dem fahrenden Wagen gesprungen und verschwunden. Kein Wort aber zur Identität des Mannes und wo man ihn finden könne.
Am Dienstag sezierten Rechtsmediziner die Leiche des Fahrers. Schon nach der ersten Leichenschau stellten sie fest: Es handelte sich keineswegs um einen gewöhnlichen Unfall. In den Oberkörper des 28-Jährigen, der in der Döhnerstraße in Hamm wohnte, war eine Pistolenkugel eingedrungen. Später stellten die Rechtsmediziner zweifelsfrei fest, dass der Schuss tödlich war.
Die Mordkommission schaltete sich in die Ermittlungen ein. Kenan K., der Beifahrer, wurde noch gestern im Krankenhaus mehrere Stunden lang verhört. Bereitschaftspolizisten machten sich in der kleinen Parkanlage am Dobbelersweg auf die Suche nach der Tatwaffe - jedoch ohne Erfolg. Allerdings entdeckten sie nahe dem Unfallort ein Schwert samt Scheide und einen Teleskopschlagstock. Möglicherweise waren diese Gegenstände vor dem Aufprall aus dem Wagen geschleudert oder geworfen worden. Zumindest erscheint es nicht als ganz unwahrscheinlich, dass die Waffen dem Fahrer oder Beifahrer gehörten. Bei der Polizei sind beide schon mehrfach durch Gewalt-, Drogen- und Einbruchsdelikte aufgefallen.
Die Ermittler befragten Nachbarn zu ihren Beobachtungen, sprachen auch noch einmal mit dem Radfahrer, der angefahren worden war - von einem Toten am Steuer eines Mercedes. Ob es tatsächlich einen dritten Mann gab, war bis gestern Abend noch nicht bekannt. Dafür spricht, dass die Tatwaffe noch nicht aufgetaucht ist. Doch müsste seine Flucht wahrlich filmreif verlaufen sein. Polizeisprecher Andreas Schöpflin: "Bislang ist das alles Spekulation."
Dennoch zeigten sich die Ermittler der Hamburger Mordkommission schon gestern optimistisch, dass der Täter schnell identifiziert werden kann. Ein Beamter der Mordkommission sagt: "Es gibt reichlich Spuren, denen wir nachgehen können."