Das 40 Jahre alte Opfer ist seit der Schlägerei am Bahnhof Niendorf-Markt behindert. Die beiden Angeklagten haben den Angriff gestanden.
Hamburg. Alleine essen, laufen, sogar das Atmen musste der fast zwei Meter große Mann nach der folgenschweren Prügelattacke wieder lernen. Bis heute ist das Opfer des Übergriffes motorisch und geistig behindert, sein Gedächtnis ist so eingeschränkt, dass er seine eigene Wohnung nicht mehr wiedererkennen kann. Zudem ist sein Orientierungssinn stark geschädigt. Bei einem Spaziergang im Wald verirrte er sich so sehr, dass er dort übernachten musste und erst am nächsten Tag gefunden wurde. „Er ist ein ganz anderer Mensch“, sagte sein Bruder vor Gericht. „Seitdem hat er diesen leeren Blick.“ Der 40-Jährige sei „ein Typ der schlichtet.“ Nie wäre er mit den Fäusten auf jemanden losgegangen.
Der ehemalige Kfz-Mechaniker saß am 29. Mai mit seiner Freundin auf einer Bank im U-Bahnhof Niendorf-Markt, als ein Mann auf seine Begleitung zukam und sie ansprach. Als der 40-Jährige den Mann zur Rede stellen wollte, versetzte dieser ihm einen Tritt gegen die Brust. Eine Rangelei entwickelte sich, ein zweiter Mann kam dazu und ging ebenfalls auf den 40-Jährigen los. Er versetzte dem Opfer einen Schlag gegen das Kinn, woraufhin der Angegriffene zu Boden ging und mit dem Kopf auf die Bahnsteigkante aufschlug. Dort blieb er regungslos liegen, die Täter flüchteten.
Die Überwachungskameras zeichneten das Geschehen auf – nach ein paar Sekunden war alles vorbei. Der Ingenieursstudent erlitt ein offenes Schädelhirntrauma mit mehrfachem Schädelbruch und Hirnblutungen, die Schäden sind nicht wieder rückgängig zu machen.
Beim Prozessauftakt vor dem Hamburger Landgericht legten die Angeklagten ein Geständnis ab. Die Männer müssen sich wegen schwerer Körperverletzung verantworten. Den Erklärungen ihrer Anwälte zufolge räumten sie die Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft fast vollständig ein. „Ich kann keine Worte finden, die den Folgen der Geschehnisse gerecht werden“, sagte der 33-jährige Angeklagte. „Ich hoffe sehr, dass sich der Gesundheitszustand des Mannes wieder bessert.“ Er gab zu, dem 40-Jährigen den folgenschweren Schlag gegen das Kinn gegeben zu haben.
„Ich wollte nur ein bisschen flirten“, sagte der 30-Jährige vor Gericht. Er sei angetrunken gewesen und habe lediglich etwas „rumblödeln“ wollen. Als der 40-Jährige mit den Worten „so, jetzt reicht's“ auf ihn zugekommen sei, habe der schmächtige Mann Angst bekommen. Um ihn abzuwehren, habe er dem Mechaniker gegen die Brust getreten. Dann sei sein 33-jähriger Bekannter dazu gekommen und habe ebenfalls auf den 40-Jährigen eingeprügelt. Als das Opfer mit dem Kopf aufschlug, habe er nur ein „grauenvolles Knacken“ gehört und „schon mit dem Schlimmsten gerechnet“. Zusammen mit dem 33-Jährigen flüchtete er daraufhin vom Tatort. Erst später habe er aus den Zeitungen erfahren, wie schwer die Verletzungen des Mannes sind.
Zwei Tage nach dem Angriff stellte sich der damals 29-Jährige bei der Polizei, der zweite Angeklagte wurde einen Tag später von den Beamten festgenommen. Drei weitere Verhandlungstage sind angesetzt. Ein Urteil wird nicht vor dem 17. November erwartet.