Polizei beklagt Rücksichtslosigkeit vieler Autofahrer. Senator will Null-Promille-Grenze

Hamburg. Zu schnell, zu rücksichtslos: Die Polizei gibt Hamburgs Verkehrsteilnehmern schlechte Noten. Noch nie hat es auf Hamburgs Straßen so viele Unfälle gegeben wie im vergangenen Jahr. Insgesamt registrierte die Polizei mehr als 66 000 Unfälle - fast 12 000 mehr als zu Beginn der regelmäßigen Jahresstatistiken vor 18 Jahren.

Auch die Zahl der Verletzten und Getöteten nahm im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu. 8934 Menschen wurden im vergangenen Jahr bei Unfällen leicht verletzt, 853 erlitten schwere Verletzungen. 34 Personen verloren ihr Leben. Somit verunglückten etwa 600 Menschen mehr als noch 2010, ein Plus von 6,5 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit nahm die Zahl der Unfallopfer um 5,5 Prozent zu.

Überdurchschnittlich stark stieg in Hamburg die Zahl der verunglückten Motorrad- und Radfahrer (plus 18 Prozent) sowie der Fußgänger (plus 13,8 Prozent). Autoinsassen waren etwas weniger gefährdet. Hier wurden "nur" knapp zwei Prozent mehr Unfallopfer gezählt.

Die häufigsten Unfallursachen waren laut Polizei zu geringe Sicherheitsabstände, Fehler beim Einfahren, Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren sowie überhöhte und nicht angepasste Geschwindigkeit.

Hamburgs neuer Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch, der die Unfallbilanz zusammen mit Innensenator Michael Neumann (SPD) und dem Chef der Verkehrsdirektion Dietmar Kneupper vorstellte, sagte: "Das Verkehrsklima ist rauer geworden. In dieser Stadt wird zu schnell gefahren." Er appellierte an die Verkehrsteilnehmer: "Wir brauchen ein Klima der Gelassenheit." Senator Neumann sprach sich zudem für eine Helmpflicht für Radfahrer, die Null-Promille-Grenze und regelmäßige Gesundheitschecks für Autofahrer aus. Ziel sei, dass kein Mensch mehr im Straßenverkehr sterbe.

Neumann warnte zugleich vor einer zu negativen Sicht. "Alle Zahlen deuten darauf hin, dass das Vergleichsjahr 2010 mit seinen lange Zeit winterlichen Straßenverhältnissen ein außergewöhnliches Jahr in der Unfallstatistik war." Viele Autofahrer seien damals wegen Eis und Schnee vorsichtiger gefahren oder hätten ihr Fahrzeug ganz stehen lassen, sagte der Innensenator. Es seien deutlich weniger Unfälle geschehen. Die höhere Zahl der Verkehrsopfer im Jahr 2011 müsse man auch vor diesem Hintergrund sehen. Im mittelfristigen Vergleich, so Neumann, zeige sich bei der Zahl der verletzten oder getöteten Menschen ein positiver Trend. Die Zahl von knapp 9800 Verunglückten bedeute immer noch den "zweitniedrigsten Wert des vergangenen Jahrzehnts".

Die Zahl der Verkehrstoten liegt mit 34 auf dem Niveau von 2009. Neumann verwies auf zwei besonders schwere Unfälle mit mehreren Toten: Im März 2011 raste ein 39-Jähriger in Eppendorf mit seinem Fiat in eine Fußgängergruppe, vier Menschen starben. Im Juli kollidierten ein Linienbus und ein Wagen der Berufsfeuerwehr in Tonndorf. Den Unfall überlebten zwei Fahrgäste nicht.

Gemessen an der Bevölkerungszahl starben in Hamburg 19 Menschen je eine Million Einwohner. Nur Berlin verzeichnet einen niedrigeren Wert mit 16 Toten je eine Million Einwohner. Der Durchschnitt liegt deutschlandweit bei 49 Verkehrstoten.