Ein ehemaliger Bandkollege von Lindenberg will Koautor bei einer Vielzahl seiner Hits gewesen sein.
Hamburg. Gleich wird er seinem Weggefährten und ehemaligen Freund vor Gericht begegnen. Wenn das Udo Lindenberg irgendwie nervös machen sollte, dann versteckt er die Unruhe gekonnt hinter seiner Sonnenbrille. Er trägt dasselbe Outfit wie am Abend zuvor, als er vom TV-Sender Hamburg 1 für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde: Nadelstreifensakko, braunen Hut, einen schwarz-purpur gestreiften Seidenschal. "Alles easy", murmelt der 63-Jährige und schlurft weiter, gefolgt von seinem bulligen Bodyguard Eddy Kante, der nach einem Kreuzbandriss auf Krücken in den Gerichtssaal humpelt.
Dort treffen zwei Legenden aufeinander: Der berühmte Rocker und Olaf Kübler, einer der weltbesten Jazzsaxofonisten. Kübler spielte in den 70er-Jahren mit Lindenberg zusammen in Klaus Doldingers Passport, reüssierte dann als Mitglied des Panik-Orchesters. Gemeinsam schrieben sie Musikgeschichte. Doch schrieben sie gemeinsam auch Lindenberg-Klassiker wie "Johnny Controletti" oder "Rudi Ratlos"? Kübler behauptet das und hat einen Urheberrechtsstreit vorm Landgericht angestrengt. Das Ziel des Klägers: Er will als Mitverfasser der Texte anerkannt werden.
Sie sitzen an einem Tisch. Der blonde, etwas gedrungene 72-Jährige rechts, links der Panik-Rocker, der sich dank Sonnenbrille weder in die Karten noch in die Augen schauen lässt. Das wirkt abgebrüht, Udo-typisch cool. Nur der Hut, den er durch Stirnrunzeln ständig rauf-und runterkippelt, könnte ein zarter Hinweis darauf sein, dass es hinter der coolen Fassade gärt.
Kübler beruft sich auf ein Urteil, das 28 Jahre zurückliegt. 1981 stellte das Landgericht rechtskräftig fest, dass Kübler der Mitautor zahlreicher Songs gewesen ist. "Das hätte vor keinem Gericht Bestand", sagt der Vorsitzende Richter Bolko Rachow, da das Urteil "sittenwidrig erschlichen" worden sei. Grund: Lindenberg hielt sich damals in den USA auf, verhandelt wurde in seiner Abwesenheit, und Kübler bekam recht. Danach habe der Rocker 80 000 D-Mark gezahlt, damit Kübler seine Behauptung, er habe andere Texte des Künstlers geschrieben, nicht mehr aufrechterhält. "Ich wollte die Sache einfach aus der Welt schaffen - und dann echt ein paar Songs mit ihm schreiben", sagt Lindenberg.
Dem Richter scheint nicht ganz einzuleuchten, warum Kübler vor Gericht gezogen ist. "Was wollen Sie hier erreichen?", fragt der Vorsitzende. Es ginge ihm um seine Anerkennung als Künstler, sagt Kübler. "Ich will das auf meine alten Tage geklärt haben." Stundenlang habe er damals mit Lindenberg zusammengesessen und getextet. "In der Szene wussten alle, dass die spezielle Sprache der Songs von Kübler kam", sagt Kübler über Kübler. Udo drauf, aber Kübler (mit) drin?
Während der Hut weiter kippelt, legt Lindenberg die Brille nun doch ab. So will er das nicht stehen lassen. Gerade die Texte sind das Kernstück des lindenbergschen Opus. Die schnodderige Art, wie er Alltagsgeschichten erzählte, beeinflusste zahlreiche junge Musiker wie Marius Müller-Westernhagen. "Du warst ein großer Inspirator", sagt Lindenberg zu Kübler. Mehr aber nicht.
Damals trafen sie sich mit anderen in den Kneipen, den kreativen Fusionsreaktoren jener Zeit. Wie Magma brodelten die Ideen in diesen Thinktanks. "Die Sprüche lagen doch in der Luft", sagt Lindenberg. Vielleicht habe er Sprachfetzen bei Unterhaltungen mit Kübler und anderen aufgeschnappt. Die habe er dann verdichtet und wie ein Mosaik zusammengefügt - jedoch nicht mit Kübler. "Natürlich habe ich aus dem Szene-Jargon geschöpft, wir waren ja alle Sprücheklopfer und sind es heute noch. Aber aus Sprachfetzen kann man kaum eine Urheberschaft ableiten."
Dieser Einschätzung scheint auch das Gericht zu folgen, das durchblicken ließ, dass die Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg haben wird. Koautorenschaft setze voraus, dass man die Texte gemeinsam und kontinuierlich erarbeite. Wenn einzelne Äußerungen oder Phrasen in die Songtexte eingebaut worden seien, sei das juristisch unproblematisch. Für den Kläger gelte da: "Guter Spruch, aber urheberrechtlich nicht geschützt."
Entspannt sei er, sagt Lindenberg nach der Verhandlung, aber "auch echt genervt". Von Kübler, der kommentarlos den Saal verlässt. "Es ist schade, wenn auf diese Weise eine Freundschaft zerbricht." Ein Urteil will das Gericht am 29. Januar verkünden.