Hamburg. Der langjährige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Die deutsch-französische Aussöhnung war sein Lebensthema.

Es war, als ob sich ein Kreis schlösse gegen Ende eines langen Lebens für die Politik: Im Alter von 85 Jahren war Gert Boysen, früherer CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und langjähriger Sprecher seiner Fraktion, im Juli 2023 Ehrengast beim Festakt zum Jahrestag des deutsch-französischen Versöhnungsgottesdienstes in der Kathedrale von Reims. Boysen hatte als junger Mann der ersten bedeutenden Wiederannäherung Deutschlands und Frankreichs beigewohnt, die Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle am 8. Juli 1962 in der Kirche der ostfranzösischen Stadt zelebrierten. Das Foto der beiden Staatsmänner, die ernst nebeneinander standen und ihre rechte Hand auf die linke Brustseite hielten, ging damals, 17 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, um die Welt.

Mehr als 60 Jahre später war Boysen der letzte deutsche Augenzeuge dieses historischen Moments, an den er in seiner Rede vor mehreren Hundert Gästen in der Kathedrale erinnerte. Der Christdemokrat, der mit seiner Tochter Jacqueline Boysen nach Frankreich gereist war, wurde wie ein Staatsgast empfangen – und in gewisser Hinsicht war er es auch. „Dieser Besuch in Reims war einer der Höhepunkte meines ganzen Lebens – beeindruckend und ergreifend“, sagte der Christdemokrat nach seiner Rückkehr dem Abendblatt. Jetzt ist Gert Boysen im Alter von 86 Jahren gestorben.

Gert Boysen stritt für die deutsche Einigung, als viele nicht mehr daran glaubten

In Kiel geboren wuchs er in Hamburg auf und absolvierte eine Lehre als Verlagskaufmann beim Axel-Springer-Verlag und kam in Kontakt mit dem Journalismus. Als „Lehrlingssprecher“ scheute er sich nicht, den Verlagsoberen Kontra zu geben. Prägend war seine Begegnung mit Erik Blumenfeld, Gründungsmitglied der Hamburger CDU und deren langjähriger Vorsitzender. Wie Blumenfeld, dessen Mitarbeiter er wurde, engagierte sich Boysen für die Verständigung zwischen den Völkern und die Aussöhnung mit Deutschland nach den Gräueln der Nationalsozialisten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Boysen war ein leidenschaftlicher Europäer, und er stritt für die deutsche Einheit, als viele nicht mehr daran glaubten. Der Christdemokrat hatte über die Parteigrenzen hinweg entscheidenden Anteil daran, dass sich Hamburg 1987 im Rennen um eine Städtepartnerschaft mit Dresden gegen andere Interessenten wie Stuttgart, Köln oder Essen durchsetzen konnte und 1990 die Partnerschaft mit Prag zustande kam.

Gert Boysen war über Jahrzehnte eine feste Institution im Rathaus

Zur CDU fand er früh, wurde Mitglied der Jungen Union und war von 1966 bis 1993 Bürgerschaftsabgeordneter. Boysen war seit 1973 Pressesprecher der CDU-Fraktion und dadurch über Jahrzehnte eine feste Institution im Rathaus. Er war deutschlandpolitischer Sprecher seiner Fraktion – übrigens der einzige in einem Landesparlament. Sein politisches Engagement reichte allerdings weit über Deutschland hinaus.

Gemeinsam mit dem damaligen CDU-Fraktionschef und späteren Ersten Bürgermeister Ole von Beust startete Boysen 1999 im Zuge des damaligen Friedensprozesses im Nahen Osten eine Initiative für eine Drei-Städte-Partnerschaft Hamburgs mit einer israelischen und einer palästinensischen Stadt. Diese Idee blieb ein Traum und ist heute angesichts des Krieges in Gaza und im Libanon undenkbar.

Das Bündnis der Hamburger CDU mit Ronald Schill hielt er für einen schweren Fehler

Boysen pflegte mit seiner von den Jahreszeiten unabhängigen Vorliebe für weite Wollpullover und Holzschuhe einen für CDU-Verhältnisse eher unkonventionellen Auftritt. Seine umgängliche und nahbare Art durfte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in manchen Fragen kompromisslos, ja stur war. Diese Prinzipienfestigkeit führte am Ende seiner politischen Laufbahn zum Zerwürfnis mit Ole von Beust, zu dessen engsten Mitarbeitern Boysen über viele Jahre gezählt hatte.

Dass von Beust nach der Bürgerschaftswahl 2001 bereit war, mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill und seiner Partei ein Bündnis einzugehen und dies auch in die Tat umsetzte, hielt Boysen für einen schweren Fehler. Nach 28 Jahren gab er seinen Posten als Fraktionssprecher auf.

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Gert Boysen vermisste in seiner Partei „Leidenschaft und Enthusiasmus für Europa“

Der deutsch-französischen Freundschaft und der europäischen Einigung galten Boysens Engagement und Interesse auch nach dem Rückzug aus der aktiven Politik. In seiner Partei vermisse er, wie er im vergangenen Jahr sagte, „Leidenschaft und Enthusiasmus für Europa“, dabei sei „die CDU einmal die Europa-Partei gewesen“.

„Gert Boysen spielte als Mitinitiator eine wichtige Rolle in der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dresden. Er hinterlässt ein bedeutendes Erbe in der Hamburger Politik und wird uns als engagierter und integrer Politiker in Erinnerung bleiben“, würdigt der CDU-Landesvorsitzende und -Bürgerschafts-Fraktionschef Dennis Thering seinen Parteifreund.