Hamburg. Zehn von 20 Grundschulen sind ausgestiegen; nur vier haben durchgängig teilgenommen. Linke fordert eine bessere finanzielle Ausstattung.

Die physische und psychische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler wie auch der Lehrkräfte hat als Thema an Schulen im Laufe der vergangenen Jahre an Bedeutung gewonnen. In den neuen Bildungsplänen ist die Gesundheitsförderung ausdrücklich als Aufgabe für alle Schulen verankert. Seit 2021 sollen zudem „Schulgesundheitsfachkräfte“ an 20 Grundschulen mit dem niedrigen Sozialindex 1 und 2 Schülerinnen und Schüler wie auch Eltern im Rahmen eines Pilotprojekts beraten und unterstützen. Aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bürgerschaftsfraktionschefin Sabine Boeddinghaus, die dem Abendblatt vorliegt, ergibt sich, dass etliche Stellen nicht besetzt sind.

Vorgesehen ist, dass eine Gesundheitsfachkraft (in der Regel mit einem Bachelor-Abschluss in Gesundheitswissenschaften oder Public Health) mit einer halben Stelle pro Schule eingesetzt wird. Laut Senatsantwort sind die halben Stellen an sieben der 20 Schulen derzeit nicht besetzt, obwohl das Pilotprojekt noch bis zum 30. April 2025 läuft. Fünf der sieben Schulen haben erklärt, keine Nachbesetzung zu wünschen, sich also aus dem Projekt vorzeitig zu verabschieden. An neun weiteren Standorten hat es seit dem Start 2021 Phasen ohne Gesundheitsfachkraft gegeben. Die Vakanzen reichten von fünf bis zu 18 Monaten. Lediglich an vier Schulen war seit dem Start des Pilotprojekts am 1. März bzw. 18. Oktober 2021 durchgängig eine Gesundheitsfachkraft tätig.

Schule Hamburg: Unbesetzte Stellen in der Gesundheitsförderung – die Gründe

„Aufgrund der persönlichen Bedingungen wie Schwangerschaften, Umzug oder langfristiger Erkrankungen kam es seitens der SGFK (Schulgesundheitsfachkräfte, die Red.) zu Ausfällen. Ferner war es aufgrund des Fachkräftemangels und der besonderen Anforderungen an eine SGFK zum Teil schwierig, die Stellen zeitnah qualifiziert nachzubesetzen“, schreibt der Senat zur Begründung. „Im Rahmen der selbstverantwortlichen Schulen haben Schuleiter und Schulleiterinnen die Möglichkeit zu prüfen, ob der Einsatz einer SGFK an ihrer Schule die erwünschte Wirksamkeit erzielt, und sie haben die Möglichkeit, sich gegen eine Nachbesetzung einer frei gewordenen Stelle zu entschließen, wenn schulinterne konzeptuelle Überlegungen dagegensprechen“, so der Senat weiter. Bei einem Viertel der 20 Pilotschulen war das offensichtlich der Fall.

„Gründe für die Entscheidung der jeweiligen Schulen, Stellen nicht mehr zu besetzen, nennt der Senat nicht. Doch es gibt gute Gründe: zu geringe Bezahlung, die Befristung und zu großer Einarbeitungsaufwand“, sagt Linken-Politikerin Boeddinghaus. „Und das ist bitter, denn es ist hinlänglich bekannt und durch zahlreiche Studien belegt, dass eine wachsende Zahl von jungen Menschen psychisch schwer belastet ist und einen hohen Unterstützungsbedarf hat“, so Boeddinghaus. Dabei könnten die Gesundheitsfachkräfte wertvolle Entlastung bieten – auch für die Lehrkräfte.

Hamburger Schulbehörde: dauerhaft Schulgesundheitsfachkräfte an elf Grundschulen

Erstaunlicherweise kommt der Zwischenbericht zum Pilotprojekt trotz der Stellenvakanzen und des Ausstiegs der fünf Schulen zu einer positiven Einschätzung. Die Autoren Prof. Dr. Peter Paulus (Leuphana Universität Lüneburg) und Dr. Thomas Petzel stellen laut Senatsantwort fest, das Projekt könne „zusammenfassend als erfolgreich bewertet werden. Die SGFK sind an den Schulen integriert, arbeiten bedarfsgerecht und kooperieren umfassend mit den Lehrkräften und dem weiteren pädagogischen Schulpersonal. Ihre Tätigkeit und ihr Beitrag zur Schülerinnen- und Schülergesundheit sowie zum Schulleben werden in den Schulen sehr positiv bewertet.“

Ein positives Fazit zieht auch Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD). „Schulgesundheitsfachkräfte sind an den Projektschulen gut integriert, sie haben eine hohe Reichweite und eine positive Wirkung auf Gesundheitsverhalten und Wohlbefinden im Schulalltag bei Schülerinnen und Schülern. Die gesundheitliche Versorgung durch die Schulgesundheitsfachkräfte kann die Teilhabe der Schülerinnen und Schüler am Unterricht und Schulleben steigern. Deshalb haben wir uns entschieden, ihre Tätigkeit an den teilnehmenden Schulen dauerhaft fortzusetzen“, sagte Bekeris dem Abendblatt. Nach Angaben der Schulbehörde sind mittlerweile sogar zehn Schulen aus dem Projekt ausgestiegen, wobei sich ein Standort bereits vor dem Start des Projekts zurückgezogen hatte. Damit sollen nach Bekeris‘ Willen Gesundheitsfachkräfte an elf Schulen dauerhaft finanziert werden.

Die Hamburger Linke fordert: Ausweitung des Projekts auf alle Schulen

Für Sabine Boeddinghaus reicht „ein solches mängelbehaftetes Modellprojekt“ nicht aus. „Wir benötigen schnell flächendeckend eine Schulgesundheitsfachkraft solide ausfinanziert auf tariflich abgesicherten Stelle an allen Schulen, beginnend mit den unteren Sozialindexen. Denn der Erfolg dieser Stellen ist im Zwischenbericht ausdrücklich festgehalten“, sagt die Fraktionschefin der Linken

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Das Projekt wird zu gleichen Teilen von der Stadt und dem Verband der Ersatzkassen finanziert. „Ziel ist es, Kinder- und Sorgeberechtigte in schwierigen Lebenslagen mit konkreten gesundheitsfördernden Maßnahmen und Angeboten zu erreichen und so dazu beizutragen, die Entwicklung gesundheitsfördernder Lebensweisen zu unterstützen und gesundheitliche Barrieren für den Bildungserfolg abzubauen“, heißt es in der Senatsantwort.