Hamburg. Mehrere Laienrichter wurden in Hamburg bereits abgewiesen oder abgesetzt. Was die Stadt in Zukunft plant, um die Justiz zu schützen.
Versuchen Extremisten die deutschen und auch die Hamburger Gerichte zu unterwandern? Offenbar ist diese Befürchtung nicht ganz falsch. Jedenfalls hat nun auch der Senat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken mitgeteilt, dass es bisweilen in rechtsextremen Kreisen Aufrufe an die eigenen Anhänger gebe, bei Schöffenwahlen als Laienrichter für deutsche Gerichte zu kandidieren. So soll wohl Einfluss auf die Rechtsprechung in Deutschland genommen werden.
In Hamburg ist das zwar bisher laut Senatsantwort kein ganz großes Thema. Gleichwohl aber hat es in diesem Jahr bereits drei Fälle gegeben, in denen eine mögliche extremistische Ausrichtung von Schöffen eine Rolle spielte. In einem Fall am Landgericht wurde „ein Schöffe wegen Besorgnis der Befangenheit aufgrund politischer Betätigung abgelehnt“, so der Senat. „Der abgelehnte Schöffe war bis zu seinem Austritt im März 2024 Mitglied der Partei Bündnis Deutschland und für die Europawahl 2024 als designierter Kandidat dieser Partei vorgesehen. Der abgelehnte Schöffe ist daraufhin aus diesem Verfahren ausgeschieden.“
Justiz Hamburg: Zwei Amtsenthebungsverfahren gegen Schöffen
In zwei anderen Fällen kam es laut Senatsantwort zu Amtsenthebungsverfahren beim Hanseatischen Oberlandesgericht. „Anlass des Amtsenthebungsverfahrens waren in einem Verfahren schriftliche Äußerungen des Ersatzschöffen, wonach er ‚eine zu tiefste Abneigung gegen gläubige Moslime und bestimme Afrikanische Gruppen‘ habe“, schreibt der Senat, die Rechtschreibfehler entsprechen offenbar dem Original der Äußerung.
„Ein Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einer Partei bestand nicht. Der Ersatzschöffe wurde mit Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 29. Januar 2024 des Amtes enthoben“, so der Senat weiter. Zur Begründung habe das Hanseatische Oberlandesgericht ausgeführt, der Ersatzschöffe habe seine Amtspflichten gröblich verletzt, „indem er durch sein Verhalten, namentlich seine schriftlichen Äußerungen, deutlich gemacht habe, dass er auf unabsehbare Zeit nicht bereit sei, das Schöffenamt unparteiisch auszuüben und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden“.
Gerichte Hamburg: Nicht alle Laienrichter werden überprüft
In dem zweiten Amtsenthebungsverfahren ging es um einen Schöffen, „der bis zu seinem Austritt im März 2024 Mitglied der Partei Bündnis Deutschland und für die Europawahl 2024 als designierter Kandidat dieser Partei vorgesehen war“. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat den Antrag laut Senat aber „nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls mit Beschluss vom 19. August 2024 abgelehnt“. Der Schöffe wurde also seines Amtes nicht enthoben. Ihm sei „kein konkretes Fehlverhalten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter zur Last gelegt worden“.
Einen wirklichen Überblick über die Verfassungstreue aller in Hamburg mehr als 4500 Schöffinnen und Schöffen hat die Stadt aber offenbar nicht. Denn eine standardmäßige Überprüfung aller Bewerberinnen und Bewerber durch den Verfassungsschutz ist „mangels Rechtsgrundlage nicht vorgesehen“, so die Senatsantwort. Eine selbstständige Überprüfung jedes einzelnen Bewerbers etwa auf Äußerungen in Social Media sei den zuständigen Gremien nicht zumutbar.
Justiz Hamburg: Künftig sollen Bewerber überprüft werden
Gleichwohl strebt der Senat einen besseren Schutz der Gerichte vor einer möglichen Einflussnahme von Extremisten an, und zwar dadurch, dass die Stadt auf die Änderungen der dafür wesentlichen Bundesregelungen hinwirkt. „Das Thema potenziell verfassungsuntreuer Schöffinnen und Schöffen, die sich vor dem Hintergrund einer extremistischen Einstellung gezielt für das Schöffenamt bewerben, ist aktuell Gegenstand der rechtspolitischen Diskussion“, so der Senat. „Durch eine Änderung von § 44a des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) wird das Ziel verfolgt, Extremistinnen und Extremisten keinen Zugang zum Schöffenamt zu ermöglichen. Die zuständige Behörde begleitet das laufende Gesetzgebungsverfahren aktiv.“
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Schöffinnen und Schöffen hätten für Strafverfahren „eine wesentliche Bedeutung“, betont der Senat. „Als ehrenamtliche Richterinnen und Richter üben sie während der Hauptverhandlung das Richteramt grundsätzlich in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht aus wie die Berufsrichterinnen und -richter.“
Linke warnt: „Müssen Justiz stärker vor Rechten schützen“
Auch Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir fordert einen besseren Schutz der Gerichte vor der Einflussnahme von Extremisten. „Rechte Positionen sind mit den Grundwerten der Justiz unvereinbar: Nazis und andere Rechte haben in der Justiz nichts zu suchen“, so Özdemir. „Dass allein seit Anfang des Jahres in mehreren Fällen Schöffen mit rechten Positionen aufgefallen sind, ist besorgniserregend und macht deutlich, dass wir die Justiz stärker vor dem Einfluss und dem Zugriff durch rechte Akteur*innen schützen müssen.“