Hamburg. Die Razzia sprengte alle Dimensionen – dann war jahrelang Stille. Nun gibt es Neues zu den Hamburger Ermittlungen im Gesundheitswesen.
In einem der spektakulärsten und längsten Ermittlungsverfahren der Hamburger Staatsanwaltschaft überhaupt zeichnet sich ein Ende ab. Viereinhalb Jahre nach der Razzia bei der Pharma- und Medizinfirma Alanta Health Group in Alsternähe steht die Entscheidung an: Anklage oder Ermittlungen einstellen? Naturgemäß lässt sich die Staatsanwaltschaft nicht in die Karten schauen. Allerdings gibt es neue Hinweise auf das Verfahren. Sie entstammen einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage vom Gesundheitsexperten der Linksfraktion, Deniz Celik.
Die Staatsanwaltschaft hatte im Dezember 2019 mit 480 Polizisten 58 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt, Geschäftsräume der Alanta Health Group in Hamburg und anderswo sowie Wohnungen und Häuser durchsucht. Mehr als 1000 Kartons mit Akten, Computern und Handys wurden abtransportiert. Diese Zahlenangaben schwanken.
Fest steht: Es geht um Abrechnungsbetrug, vor allem bei Krebsmitteln, sogenannten Zytostatika. Sie werden zumeist individuell für Patienten hergestellt und sind deshalb besonders teuer. Alanta hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Und es ist möglich, dass aus den jahrelangen Ermittlungen nichts Gerichtsfestes herauskommt.
Abrechnungsbetrug in Hamburg? Ermittlungen gegen Alanta offenbar kurz vor Abschluss
Der Senat spricht nun davon, dass „die polizeiliche Auswertung der Ermittlungen im Wesentlichen im Februar 2024 abgeschlossen worden“ sei. Weitere Recherchen befänden sich „im Abschluss“. Den Beschuldigten und ihren Anwälten sei Akteneinsicht gewährt worden. „Anschließens erfolgt der Abschluss der Ermittlungen.“ Und das kann heißen: Was in Jahren ausgewertet wurde, reicht oder reicht eben nicht für eine Anklage.
Die Zahl der Beschuldigten hat sich von zuletzt 45 auf nunmehr 51 erhöht. Die Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) wurde ebenfalls eingeschaltet. Das hat offenbar auch damit zu tun, dass es Vorwürfe gab, eine Mitarbeiterin der Gesundheitsbehörde (damals Senatorin: Cornelia Prüfer-Storcks/SPD) könne Alanta dabei geholfen haben, die Stadtteilklinik Hamburg (Mümmelmannsberg) zu erwerben, die nach Handelsregisterangaben heute Alanta Med GmbH heißt.
Alanta Health Group: „Geschäftsmodell in Einklang mit geltenden Gesetzen“
Der Kauf dieses Hauses ermöglichte es Alanta, eigene Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu betreiben. Hier sehen die Ermittler einen Schlüssel, um einen mutmaßlichen Abrechnungsbetrug nachzuweisen. Denn die Zusammenarbeit zwischen Zytostatika-Apotheken oder Pharmaherstellern mit Arztpraxen ist insofern untersagt, als dass generell Medikamenten-Produzenten keinen Einfluss darauf haben dürfen, wie Ärzte Krebsmittel verschreiben und wo die Patienten die Rezepte einlösen.
Alanta sieht das in seiner Bilanz so: „Alle MVZ der Alanta-Gruppe sind nach Auffassung der Geschäftsführung und ihrer Rechtsberater gemäß den gesetzlich vorgegebenen Genehmigungsverfahren bestandskräftig zugelassen worden, weswegen auch das Geschäftsmodell der Alanta-Gruppe nach unserer Auffassung und der unserer Rechtsberater in vollständigem Einklang mit geltenden Gesetzen steht.“ Das Unternehmen hat nach jüngsten verfügbaren Zahlen einen Umsatz von knapp 600 Millionen Euro und rund 900 Mitarbeiter.
- Rezept-Betrüger schummeln sogar bei Abnehmspritze Ozempic
- Corona-Masken: Stellte Arzt reihenweise falsche Atteste aus?
- UKE: Erste Ergebnisse zu Vorwürfen gegen beurlaubten Chefarzt
Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt seit 2017
Linken-Gesundheitspolitiker Celik sagte dem Abendblatt: „Ich hoffe sehr, dass die Staatsanwaltschaft nach so vielen Jahren endlich das Ermittlungsverfahren zum Abschluss bringt und Anklage erhoben wird. Die Öffentlichkeit und die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten brauchen die Gewissheit, dass Pharmafirmen sich nicht an ihren Versichertenbeiträgen bereichern können und jegliche Form der Korruption im Gesundheitswesen wirksam bekämpft wird.“ Dabei ist aber auch Celik klar, dass eine Schuld im Alanta-Verfahren erst bewiesen werden muss.
Auch für die Staatsanwaltschaft steht viel auf dem Spiel. Nach einer derartigen Razzia wie der im Dezember 2019 und dem Anfangsverdacht, der bereits zwei Jahre zuvor aufkam, sind die Erwartungen an die Ergebnisse der Recherchen groß. Der Senat teilte Celik mit: „Es handelt sich um einen hochkomplexen, vielschichtigen Sachverhalt mit entsprechenden Tatvorwürfen, einer weit über das übliche Maß hinausgehenden Anzahl an auszuwertenden und in Bezug zu setzenden Daten und Unterlagen sowie um eine Vielzahl an Beschuldigten.“ Man kann diese Sätze auch so lesen: So richtig klar sehen die Ermittler nicht.