Hamburg. Hamburger zählt zu meistgesuchten Verbrechern Europas. Gericht verhängt Haftstrafen gegen drei Männer wegen Rauschgiftgeschäften.

Die zwielichtigen Typen hatten ihn schon am Jackenärmel gepackt. Sie waren maskiert und mit einer Maschinenpistole gewaffnet. Doch im letzten Augenblick konnte Milan G. (Name geändert) noch einer Entführung entkommen. Der 35-Jährige flüchtete in eine Sportsbar und verschloss dort die Tür. Nun ergriffen auch die Männer, die ihm Übles wollten, die Flucht. Hintergründe des geplanten Verbrechens waren offenbar Auseinandersetzungen im Rauschgiftmilieu. Die Taten sollen im Auftrag des mutmaßlichen Drogenbosses Mansour Ismail geschehen sein.

Jetzt erging gegen drei Männer, die nach Überzeugung des Landgerichts an den Rauschgiftgeschäften beziehungsweise der versuchten Entführung vom 1. November 2023 beteiligt waren, das Urteil. Ein 31-Jähriger, der das Verbrechen demnach maßgeblich mit geplant hatte, wurde unter anderem wegen versuchter Freiheitsberaubung, Drogenhandels sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz zu neun Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen einen 23-Jährigen verhängte das Gericht drei Jahre und zehn Monate Haft. Die Strafe für einen 33-Jährigen lautete auf zweieinhalb Jahre Gefängnis. Damit blieb das Gericht knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die Freiheitsstrafen von zehneinhalb Jahren, drei Jahren und sieben Monaten beziehungsweise zwei Jahren und neun Monaten beantragt hatte. Die Verteidigung hatte für den Hauptangeklagten auf maximal sieben Jahre Gefängnis plädiert.

Prozess Hamburg: Taten im Auftrag von internationalem Drogenboss?

Das Landgericht Hamburg sah es als erwiesen an, dass die drei Angeklagten in unterschiedlichen Konstellationen Geschäfte mit Kokain und Marihuana machten. Dafür hatte sich der 31-Jährige nach Überzeugung des Gerichts mit weiteren Tätern zu einer international agierenden Bande zusammengeschlossen. Auch die anderen beiden Männer sind demnach an den Deals beteiligt gewesen und haben sich an der versuchten Freiheitsberaubung beteiligt.

Das Gericht ist überzeugt davon, dass dies im Auftrag von Mansour Ismail geschah. Der Mann aus Hamburg zählt zu den meistgesuchten Verbrechern Europas. Ismail soll unter anderem Auftraggeber mehrerer Morde in der Hansestadt sein, die allerdings bei einem Versuch blieben. Um die Hintergrunde der Taten der drei Angeklagten aufzuklären, hat das Landgericht Hunderte Nachrichten in Chats ausgewertet.

Hunderte Chatnachrichten wurden ausgewertet, Videos überprüft

Demnach war es der Plan, den 35-Jährigen vor der Sportsbar mit einer Maschinenpistole zu bedrohen, ihn in ein Auto zu ziehen und dort einzuschüchtern. Als der Mann jedoch in der Sportbar Zuflucht suchte, rüttelten die Täter zunächst an der Tür der Bar, bekamen sie jedoch nicht auf und ließen dann von ihrem Plan ab. In Textnachrichten, die das Gericht ebenfalls auswertete, ist zu lesen, wie die Täter mitteilen, dass ihr Vorhaben nicht geklappt hat, weil das Opfer sich habe retten können. Sie würden ihre Waffen jetzt wieder in ihrem Auto verstauen. Und: Es sei alles voller Polizei.

In dem über 16 Verhandlungstage dauernden Prozess wurde unter anderen ein Video gezeigt, auf dem zu sehen war, wie die vermeintliche Entführung des 35-Jährigen ablaufen sollte: Der Mann tritt vor die Tür der Sportsbar in Hamburg-Eidelstedt und geht auf Gestalten zu, die auf der anderen Straßenseite warten. Plötzlich dreht er sich um und rennt zurück zum Eingang der Sportsbar und verschwindet im Inneren des Gebäudes. In Notrufen, die ebenfalls im Prozess abgespielt wurden, ist zu hören, wie ein Mann panisch ins Telefon ruft. Er erzählt, dass er sowie weitere Gäste sich in der Sportbar verstecken und hinter Sofas und auf den Toiletten Schutz gesucht haben.

Prozess Hamburg: Angeklagter hatte neun Maschinenpistolen in seiner Wohnung

Die Maschinenpistole, die der 31-jährige Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts bei der versuchten Entführung dabeihatte, ist nicht die einzige Waffe, mit der der von den Bahamas stammende Mann zu tun hatte. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung wurden bei dem 31-Jährigen neun Maschinenpistolen, mehreren Magazine sowie mehr als 700 Patronen gefunden – und darüber hinaus 50 Pakete Kokain.

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Diese waren offenbar Teil jener Drogen, die an etliche Abnehmer im Stadtgebiet Hamburgs verkauft werden sollten. Welche Drogen aus welcher Bunkerwohnung wohin geliefert werden sollten, ist nach Überzeugung des Gerichts ebenfalls über Chats koordiniert worden. Dabei liefen etliche Aufträge über einen Mann, der sich „Ghost“ nannte. Andere Code-Wörter, mit denen Absprachen für den Rauschgifthandel getroffen wurden, lauteten beispielsweise Paris, Berlin, Dubai oder Afrika.

International war die Rauschgiftorganisation offenbar auch sonst orientiert. Dafür ist der 33-Jährige nach Überzeugung des Gerichts extra aus den Bahamas angereist, um für die Organisation als Drogenhändler zu arbeiten.