Hamburg. Ein 18 Jahre alter Fahranfänger gilt als Verursacher. Alkohol oder Drogen waren nicht im Spiel. Aufschluss sollen nun Fahrzeugdaten liefern.

Nach dem Verkehrsunfall am Jungfernstieg/Ecke Reesendamm, bei dem Anfang Juli ein 39 Jahre alter Mann getötet wurde, steht nach Informationen des Abendblatts fest, dass der 18 Jahre alte Fahrer weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand. Unklar ist weiter, wie es zu dem folgenschweren Unfall kommen konnte. Bei den Ermittlungen sollen jetzt Videoaufzeichnungen und die im Unfallfahrzeug verbaute Technik des über 600 PS starken Mercedes AMG GLE 63S Coupé helfen.

Der Unfall hatte für Entsetzen gesorgt. Das Fahrzeug war an der belebten Ecke in der Innenstadt von der Fahrbahn abgekommen, über einen Fußgängerbereich gerast, auf dem zu dem Zeitpunkt wegen des schlechten Wetters nur leere Tische und Stühle eines gastronomischen Betriebes standen, dann aber in einen geparkten VW Transporter geprallt, der wie ein Geschoss nach vorne katapultiert wurde und dabei den 39-jährigen Busfahrer der Hamburger Hochbahn erfasste.

Der Familienvater erlitt schwerste Verletzungen, denen er kurz darauf im Krankenhaus erlag. Der Mercedes war nach dem Zusammenprall mit dem Transporter in den Eingangsbereich der dortigen Haspa-Filiale geschleudert.

Tödlicher Unfall am Jungfernstieg: Fahrzeugdaten sollen ausgewertet werden

Der Vater des Unfallfahrers, der auf dem Beifahrersitz saß, sagte später aus, dass sein Sohn kurz bewusstlos geworden sei. Laut Zeugenaussagen soll das Fahrzeug schon vor dem Unfall wegen der rasanten Fahrweise aufgefallen sein.

Hier kommt eine besondere Technik ins Spiel. Es geht um die Blackbox, die in solchen Fahrzeugen verbaut ist. Sie zeichnet Daten auf, die aus den verschiedenen Steuergeräten im Fahrzeug stammen. Davon gibt es in modernen Fahrzeugen mehr als 100. Auch Rückschlüsse auf die Fahrweise, wie extreme Beschleunigung, sind durch solche Daten möglich.

Nach Informationen des Abendblattes soll das Aufzeichnungsgerät beim Hersteller liegen und dort ausgelesen werden. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Nötig ist dafür auch ein richterlicher Beschluss.

Auch Bilder aus Überwachungskameras sollen bei Ermittlungen helfen

Was die Geräte alles aufzeichnen können, zeigt der „Event Data Recorder“, dessen Einbau in Fahrzeuge in den USA schon länger Pflicht ist. Er zeichnet beispielsweise die Geschwindigkeit bei einem Unfall auf. Daten gibt es aber auch über die Stellungen der Pedale wie Gas und Bremse.

Relevant sind bei den Ermittlungen zu dem Unfall neben den Zeugenaussagen auch Aufnahmen aus Überwachungskameras, die nach Informationen des Abendblattes ebenfalls sichergestellt wurden. Sie könnten das Fahrzeug erfasst haben und Aufschluss über die Fahrweise geben.

Unproblematisch soll dagegen die Zusammenarbeit mit der Familie des Unfallfahrers sein. Sie sei „kooperativ“. Das Fahrzeug selbst, das nach dem Unfall von der Polizei sichergestellt und zum Verwahrplatz an der Halskestraße gebracht wurde, ist als Firmenwagen angemeldet.

Tödlicher Unfall am Jungfernstieg: Gutachten kann Hinweise auf Geschwindigkeit geben

Mit einfließen werden in die Unfallrekonstruktion auch die Daten der Unfallaufnahme. Dafür hatte die Polizei unter anderem einen 3-D-Scanner eingesetzt, der die Unfallstelle millimetergenau dokumentierte. Wichtig wird auch das Gutachten des Sachverständigen sein, den die Ermittler der Polizei hinzugezogen hatten. Vermutlich werden seine Untersuchungen auch Hinweise auf die Geschwindigkeit geben, mit der der Mercedes unterwegs war, als der Unfall passierte.

Der Unfall hatte eine große Hilfswelle zugunsten der Angehörigen des getöteten Busfahrers ausgelöst. Zwei Initiatoren privater Spendenaufrufe sammelten. Durch sie kamen mehr als 100.000 Euro zusammen – mehr Geld, als die Initiatoren, darunter ein Kollege des getöteten Hochbahnmitarbeiters, erwartet hatten.

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Der Unfall hatte aber auch eine heftige Diskussion über junge Autofahrer, insbesondere im Zusammenhang mit einer hohen Motorisierung, ausgelöst. Tatsächlich geht die Zahl der Verkehrsunfälle mit „jungen Erwachsenen“, worunter die 16- bis 24-Jährigen fallen, seit Jahren tendenziell zurück. 2016 gab es noch 11.255 Verkehrsunfälle, an denen ein Beteiligter aus der Altersgruppe stammte. Im vergangenen Jahr waren es 10.143 Verkehrsunfälle. Gleichzeitig stieg der Anteil der Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung in Hamburg an.

Insgesamt waren junge Erwachsene im vergangenen Jahr in Hamburg an knapp 16 Prozent aller Verkehrsunfälle beteiligt gewesen. Solche Fahranfänger gelten seit Jahrzehnten als „Problemgruppe“ im Straßenverkehr. Ihnen wird eine höhere Risikobereitschaft als älteren Verkehrsteilnehmern zugeschrieben. Gleichzeitig sind sie in der Regel mobiler als andere Altersgruppen.