Hamburg. Power-Chef bezieht zu den Abendblatt-Enthüllungen über mangelhafte Arbeitsbedingungen bei EM-Ordnern Stellung. Großrazzia der Behörden.
Der Kleinwagen, der pünktlich um 12 Uhr in der Hamburger Innenstadt direkt vor der Abendblatt-Redaktion hält, ist zwar nicht groß, aber dennoch nicht zu übersehen. An den Türen ist in großen Buchstaben „Power“ zu lesen, darunter steht etwas kleiner „Personen-Objekt-Werkschutz GmbH“. Carsten Klauer, Chef der Hamburger Sicherheitsfirma, steigt vom Beifahrerplatz aus.
Klauer, Krawatte, adretter Anzug, will vor allem eines: seinen Namen und auch den guten Namen seiner Firma verteidigen. Im ausführlichen Gespräch mit dem Abendblatt will er erläutern, wie das Sicherheitskonzept bei der EM funktionierte, woher die zahlreichen Ordner und Ordnerinnen kamen und wie deren Arbeitsbedingungen in Wahrheit sind. Vor allem will er aber auf die Vorwürfe reagieren, dass ein Subunternehmen von Power bei den EM-Vorrundenspielen in Hamburg offenbar Ordner beschäftigt hat, die nicht einmal den Mindestlohn bekommen und vermutlich schwarz bezahlt werden.
EM-Sicherheit: Schwarzarbeit und Ordner ohne Mindestlohn
Eine erst 18 Jahre alte Ordnerin, die beim ersten EM-Spiel in Hamburg zwischen den Niederlanden und Polen im Einsatz war, hatte dem Abendblatt detailliert geschildert, wie sie über einen Aushang in Wandsbek zum Job kam und man ihr mitteilte, dass der Lohn jeweils am 20. des Folgemonats bar ausgezahlt werde. Klauer kennt den Fall – und er will ihn aktiv angehen.
Carsten Klauer ist in der Sicherheitsbranche aufgewachsen, sein Vater gründete Mitte der 1950er-Jahre ein Inkasso-Unternehmen, das sich auch detektivischen Aufgaben widmete. Nach der Übernahme einer renommierten Detektei erweitere er die Firma um weitere Sicherheitsdienstleistungen und gründete 1980 die Power Personen-Objekt-Werkschutz GmbH, die heute zu den 25 führenden Sicherheitsdienstleistern in Deutschland gehört. Der Umsatz des Unternehmens lag zuletzt bei etwa 67,2 Millionen Euro.
Seit dem Tod seines Vaters 2012 leitet Carsten Klauer die Unternehmensgruppe. Für den Diplom-Ingenieur war Power nie nur ein Unternehmen oder einfach eine Firma. Für ihn ist Power wie eine Familie. So steht es auch im Leitbild des Unternehmens. „Wir verhalten uns wie in einer Familie, indem wir uns gegenseitig unterstützen, gemeinsam Verantwortung tragen und für das Unternehmen starkmachen.“
Dass der Name seines Unternehmens, das seit 25 Jahren Partner des HSV sei und schon für die Sicherheit bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland verantwortlich war, jetzt mit einem Skandal in Verbindung stehe, mache ihn sehr betroffen.
Power hat Zusammenarbeit mit Subunternehmen gekündigt
Was Carsten Klauer besonders wichtig ist: „Als hanseatisches und familiengeführtes Unternehmen sind wir uns unserer Verantwortung bewusst. Daher erhalten alle unsere Mitarbeiter mindestens den Tariflohn, der deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, und darüber hinaus erhält ein großer Anteil unserer Mitarbeiter für zusätzliche Qualifikationen noch eine übertarifliche Zulage“, so Klauer beim Gespräch mit dem Abendblatt in einem kleinen Konferenzraum im vierten Stock der Redaktion.
Trotzdem – oder gerade deswegen: Klauer muss einräumen, dass der geschilderte Fall von Schwarzarbeit und Mindestlohn-Unterschreitung vermutlich kein Einzelfall ist. „Nachdem wir selbst die Ermittlungen übernommen haben, konnten wir mehrere Mitarbeiter ausmachen, die offenbar ebenfalls nur 10 Euro Stundenlohn erhalten“, sagt Klauer, stellt aber sofort klar: „Das sind keine Mitarbeiter von Power, sondern von Partnerfirmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir sind diesen Fällen sofort nachgegangen, weil sie für uns inakzeptabel sind und gesetzeswidrig, und selbstverständlich haben wir die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen sofort beendet.“
Power hatte nicht genügend Ordner für die EM
Das grundsätzliche Problem: Obwohl Power die EM am liebsten komplett mit eigenen Mitarbeitern besetzt hätte und eine große Anzahl an Ordnern selbst beschäftigt, habe das Kontingent nicht gereicht, um die von der Uefa vorgegebene Zahl von Ordnern zu stellen. Zudem hat Power den Auftrag als offizieller Sicherheitsdienstleister für die Europameisterschaft erst wenige Monate vor dem Turnierbeginn erhalten.
Nach eigenen Angaben beschäftigt die Firma etwa 1300 fest angestellte Mitarbeiter in ganz Deutschland sowie knapp 700 freie Mitarbeiter, die meisten arbeiten auf 538-Euro-Basis. „Aus diesem Grund haben wir mit verschiedenen Partnerunternehmen zusammengearbeitet“, sagt Klauer. Er spricht meistens von Partnerunternehmen, Kritiker sprechen von Sub- und Subsub- unternehmen.
Zoll: 29 Arbeitgeber für Ordner bei Untersuchung
Bei einer Razzia im Bereich Wach- und Sicherheitsgewerbe hatte der Zoll Ende Juni 167 Arbeitnehmer im Volksparkstadion zu ihren Beschäftigungsverhältnissen befragt. Das Ergebnis: Es konnten 29 Arbeitgeber festgestellt werden. „Das heißt nicht, dass Power 28 Subunternehmen beschäftigt hat“, erklärt Klauer und stellt klar, dass Power selbst mit Mitarbeitern aus fünf verschiedenen Standorten im Einsatz war – und daher nicht als ein Unternehmen, sondern als fünf gelistet war.
Bleiben allerdings immer noch 24 weitere Subunternehmen – unterhalb von Power – die an dem Tag im Volkspark für die Sicherheit zuständig waren. Power selbst spricht von Partnerunternehmen.
Partnerunternehmen? Oder Subunternehmen?
Das Problem: Nicht bei jedem Unternehmen handelt es sich um ein direktes Partnerunternehmen von Power. Denn aufgrund alter Verträge hatten drei Partnerfirmen von Power die Möglichkeit, selbst wiederum Subunternehmen zu beauftragen.
Ein Prinzip, das scharf kritisiert wird. „Diese Konstellation folgt einem typischen Muster, das wir auch auf Baustellen und anderswo beobachten können“, kritisiert Links-Politiker Stoop und führt aus: „Ein Veranstalter oder Bauherr vergibt einen Auftrag, der vom Hauptauftragnehmer wiederum an diverse Subunternehmen vergeben wird. Oft zu Dumpingpreisen, die auf Kosten der Arbeitssicherheit und Löhne gehen.“
Tarifgehalt beträgt 13,90 Euro
Klauer wehrt sich gegen den Vorwurf, dass Unternehmen aus finanziellen Gründen Fremdfirmen beauftragen. „Wir sparen keinen Cent, wenn wir Subunternehmer einsetzen, im Gegenteil“, so Klauer. „Das, was die Subunternehmer pro Stunde uns in Rechnung stellen, entspricht in etwa dem, was wir an Kosten für unsere Mitarbeiter aufwenden, also neben dem Lohn zusätzlich Lohnnebenkosten, Qualifizierungskosten, Ausrüstungskosten sowie Verwaltungskosten.“ Nach eigenen Angaben sei das für einfache Servicekräfte wie Parkplatzeinweiser der Mindestlohn von 12,41 Euro und für ausgebildete Sicherheitskräfte das Tarifgehalt von 13,90 Euro.
Um „den schwarzen Schafen das Handwerk zu legen“, wie Klauer es nennt, arbeitet Power nach eigenen Angaben eng mit dem Zoll zusammen und hat selbst Ermittlungen aufgenommen. „Wir konnten herausfinden, für welche Firma die betroffenen Ordner tätig waren, und haben diese mit den Vorwürfen konfrontiert“, sagt Klauer.
Wie erwartet habe die Firma die Anschuldigungen zurückgewiesen und zugesichert, alle erforderlichen Unterlagen einzureichen, um nachzuweisen, dass die Sicherheitskräfte ordnungsmäßig angemeldet und bezahlt worden seien. Doch die versprochenen Beweise waren nicht überzeugend. Für Klauer gibt es deswegen nur eine Schlussfolgerung: „Die Firma muss hochgenommen werden.“
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Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Hamburger Sicherheitsfirma wegen Schwarzarbeit im großen Stil überführt wird. Vor zwei Jahren hat schon einmal ein Fall Schlagzeilen gemacht. Das Unternehmen aus der Hansestadt soll damals auch für die Stadt gearbeitet haben.
Zudem hat gerade erst am Montag die Hamburger Finanzbehörde mitgeteilt, dass Steuerfahnder aus Hamburg wegen des Verdachts des Steuerbetrugs in Millionenhöhe bei privaten Sicherheitsdiensten in mehreren Bundesländern und in Bulgarien mehr als 40 Objekte durchsucht haben. Insgesamt geht es um einen Steuerschaden von mehr als achteinhalb Millionen Euro.
Sind die mangelhaften Arbeitsbedingungen bei Ordnern Einzelfälle?
Also wirklich alles nur Einzelfälle? Oder handelt es sich um ein grundlegendes Problem in der Branche? Carsten Klauer scheint sich da selbst nicht ganz sicher zu sein. Nach 90 Minuten plus Nachspielzeit in der Abendblatt-Redaktion ist erst einmal genug geredet. Nun müsse gehandelt werden, verspricht er, bevor er sich wieder auf den Weg zurück ins Büro am Berliner Tor macht. Diesmal nicht mit dem Kleinwagen, sondern zu Fuß.
Die EM ist vorbei. Die Diskussionen um die Sicherheit in den Stadien und die Arbeitsbedingungen der Ordner und Ordnerinnen hat gerade erst begonnen.