Hamburg. Kerstan reagiert auf Nabu-Kritik und kündigt kurzfristige Erweiterungen an. Bericht zeigt: Stadt muss bebaute Grünflächen kompensieren.

Er wollte sich eigentlich „irritiert“ zeigen: Malte Siegert, Vorsitzender des Hamburger Nabu-Landesverbands, war am Dienstag mit der Kritik ins Rathaus gekommen, dass auch fünf Jahre nach der Einigung des rot-grünen Senats mit der Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ immer noch nicht wie zugesagt mindestens zehn Prozent der Hamburger Landesfläche unter Naturschutz stehen.

Doch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hatte sich auf diesen Tadel offenbar vorbereitet und verkündete in der Landespressekonferenz, neben Siegert sitzend, es sei nun beschlossene Sache, dass in den kommenden Wochen die bestehenden Naturschutzgebiete Kirchwerder Wiesen und Boberger Dünen so ausgeweitet werden, dass es endlich klappen werde mit der Zehn-Prozent-Marke.

Hamburger Gebiete unter Naturschutz: Anteil liegt bereits bei 9,83 Prozent

Und: Noch in dieser Legislatur sollen die Vollhöfner Weiden am südlichen Rand des Hafens als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden, wie Kerstan sagte. „Gut, dann machen wir da auch einen Haken dran“, sagte Malte Siegert. Er zeigte sich im Großen und Ganzen zufrieden mit dem jüngsten Zwischenstand der Umsetzung des Vertrags für Hamburgs Stadtgrün, den der Nabu, Initiator der Volksinitiative, im Jahr 2021 als Vertragspartner mit dem Senat geschlossen hatte.

Der Vertrag dreht sich um einen zentralen Konflikt in der Stadtentwicklung: Wie kann es gelingen, dass Hamburg trotz des nötigen Wohnungsbaus eine Stadt mit viel Grün bleibt? Dafür sorgen sollen verbindliche Vorgaben, etwa zu den Naturschutzgebieten. Deren Anteil ist von 9,71 Prozent der Landesfläche im Jahr 2020 auf nunmehr 9,83 Prozent gestiegen, wie Kerstan am Dienstag sagte.

Zu den Vereinbarungen gehört auch, den Anteil von Landschaftsschutzgebieten – damals 18,9 Prozent – zu erhalten. Kerstan zufolge fällt der Anteil mit nun 19,02 Prozent aktuell sogar geringfügig größer aus. Gleich geblieben ist ihm zufolge der Anteil der Flächen des Biotopverbunds in Höhe von 23,2 Prozent (wobei in den Biotopflächen zum Teil Landschaftsschutzgebiete enthalten sind).

Senat muss für bebaute Grünflächen aktuell rund 24.000 Quadratmeter kompensieren

Der diesjährige Bericht zur Umsetzung des Vertrags zeigt allerdings auch: Für den Wohnungsbau mussten zuletzt offenbar Grünflächen weichen. Im Idealfall soll der Senat Flächen des sogenannten grünen Netzes innerhalb des zweiten grünen Rings frei von Bebauung halten. Gelingt dies nicht, müssen Ausgleichsflächen in gleicher Größe innerhalb des zweiten grünen Rings ausgewiesen werden. Aktuell liegt dieser „Kompensationbedarf“ bei 23.890 Quadratmetern – das entspricht etwa der Fläche von drei Fußballfeldern. Die absehbar nötige Kompensation wird von der Umweltbehörde mit 40.390 Quadratmetern beziffert.

Der Nabu würde es zwar am liebsten sehen, dass gar keine Kompensationen nötig sind. Bisher gehe es allerdings nur um kleine Flächen, sagte Siegert. Es sei der wohl größte Erfolg im Rahmen der Vereinbarungen mit dem Senat, dass der Naturschutz in der Stadtentwicklung mittlerweile eine wichtige Rolle spiele. „Die Vereinbarkeit aller Projekte mit dem ,Vertrag für Hamburgs Stadtgrün‘ ist nunmehr ein entscheidender Prüfstein und alle beteiligten Behörden, Bezirke und städtischen Partner, die diesen Vertrag unterschrieben haben, scheinen sich auch wirklich daran zu halten.“ 

Neue Berechnung zur Bodenversiegelung in Hamburg – mit einem Haken

Bis zur finalen Umsetzung des Vertrags sei aber „noch ein Stück des Weges“ zu absolvieren. „Es fehlt unter anderem eine Überarbeitung der Landschaftsschutzgebietsverordnungen, die teilweise aus der Nachkriegszeit stammen“, sagte der Vorsitzende des Hamburger Nabu-Landesverbands.

Einiges zu tun bleibt auch noch zur Klärung der Frage, wie hoch der Grad der Bodenversiegelung in Hamburg ist. Wichtig ist das unter anderem deshalb, weil eine großflächige Bebauung und Überdeckung des Bodens im Sommer die Entstehung von Wärmeinseln begünstigt.

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Zwar hat die Umweltbehörde wie berichtet ein neues Versiegelungsmonitoring vorgelegt, das präziser sein soll als frühere Schätzungen. Erstmals werteten Fachleute der Behörde hoch aufgelöste Luftbilder mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) aus, um die Landbedeckung in Hamburg abzubilden. Allerdings nutzten sie dafür Daten aus dem Jahr 2020. Den Berechnungen zufolge lag der Grad der Bodenversiegelung damals bei 31 Prozent – und damit um acht Prozent unterhalb des Werts, der anhand der alten und laut Behörde „deutlich ungenaueren Methodik“ für das Jahr 2020 geschätzt worden war: 39 Prozent.

Umweltsenator: „Startschuss für einen Marathon“

Den Umstand, dass immer noch kein Monitoring zum aktuellen Stand der Bodenversiegelung in Hamburg vorliegt, erklärt die Umweltbehörde damit, dass sie im Jahr 2021 begonnen habe, ein KI-gestütztes Rechenmodell mit den jüngsten damals verfügbaren Luftbildern zu füttern, die eben aus dem Jahr 2020 stammten. Derzeit werde das KI-Modell für die Luftbilder der Jahre 2021 und 2022 angepasst, um „erste Tendenzaussagen zu ermöglichen“.

Nach Einschätzung des Umweltsenators markierte der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün den „Startschuss für einen Marathon“ im Einsatz für Wälder, Parks und Wiesen der Hansestadt. Zumindest auf den ersten Metern habe der Senat sich „gut geschlagen“.