Hamburg. Aber Kriminalität weiter auf hohen Niveau. In Corona-Jahren gab es sogar einen Anstieg. Doch der Wert gestohlener Räder ist immer höher.

Das ist eine gute Nachricht für Hamburg: Die Zahl der Fahrraddiebstähle ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2022 zurückgegangen. Und zwar erheblich. 1216 Fälle weniger als noch im Vorjahr wurden 2023 angezeigt, wie das Abendblatt exklusiv vorab erfuhr. Das ist ein Rückgang von rund 8 Prozent. 2022 wurden noch 14.735 Fahrräder gestohlen. Jetzt rutschte die Marke erstmals seit Jahren unter 14.000. Bei der Polizei führt man das auch auf die bessere Sicherung von Fahrrädern zurück. Am Donnerstag werden die Zahlen im Rahmen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS)vorgestellt.

Der Fahrraddiebstahl ist eine der ganz wenigen wichtigen Bereich aus den Eigentumsdelikten, in denen die Zahlen rückläufig sind. Während die Zahl der Trickdiebstähle oder der Taten „rund um das Kfz“, hinter der sich Autoaufbrüche oder Teileklau von Fahrzeugen verbergen, zunehmen, wurden weniger Fahrräder gestohlen.

Polizei Hamburg: Corona hatte keinen Einfluss auf die Zahl der Fahrraddiebstähle

Was zunächst ungewöhnlich klingt, hat einen plausiblen Hintergrund. Fahrraddiebstahl war in Hamburg, trotz Corona, auf hohem Niveau geblieben. Lag die Zahl der Autoaufbrüche im Corona-Jahr 2021 noch um die 20 Prozentpunkte unter dem Niveau vom Vor-Corona-Jahr 2019, war es bei den Fahrrädern anders. Es wurden 2021 über 18 Prozent mehr Fahrraddiebstähle angezeigt als 2019.

Auf längere Zeit gesehen ist der Fahrraddiebstahl im vergangenen Jahr unterdurchschnittlich gewesen. In den vergangenen zehn Jahren kamen in Hamburg 150.062 Fahrräder durch Diebstahl weg, also damit rund 15.000 durchschnittlich im Jahr. Besonders viele Fahrräder wurden in den Jahren 2013 bis 2016 gestohlen. Einen Höchststand in der Zeit hatte man 2016 mit 17.485 Taten erreicht.

Gestohlene Fahrräder sind immer teurer

Nichts sagt die Zahl der Fahrraddiebstähle über den Wert der „Drahtesel“ aus, die gestohlen wurden. Im vergangenen Jahr wurde der Wert von 3620 der gestohlenen Fahrräder mit jeweils unter 15 Euro angegeben. Die meisten gestohlenen Fahrräder, genau 6577, hatten einen Wert von 500 bis 2500 Euro. Zehn Jahre zuvor waren es lediglich 4849 Fahrräder mit diesem Wert gewesen, die gestohlen wurden. Schaut man sich die Fahrräder mit einem Wert von über 5000 Euro an, ist der Unterschied noch eklatanten. 2022 wurde 172 Fahrräder geklaut, die mehr als 5.000 Euro wert waren. 2012 waren es 29.

Für Experten ist es ganz entscheidend, welche Art von Fahrrädern den Rückgang begründet – „Schrottrad“ oder „Edel-Bike“. „Fahrraddiebstahl ist einerseits Beschaffungskriminalität. Drogenabhängige stehlen Räder, um so ihre Sucht zu finanzieren“, sagt ein Beamter. „Andererseits wird Fahrraddiebstahl durch gut organisierte Banden verübt, die mit Transportern durch Hamburg fahren und gezielt nach lukrativer Beute Ausschau halten.“

Junkies oder organisierte Banden als „Haupttäter“ vermutet

Das glaubt auch Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er fordert deswegen ein härteres Vorgehen gerade gegen die organisierten Täter, die oft aus Ost- und Südosteuropa anreisen. „Viele hochwertige Fahrräder sind mit einem Tracker versehen“, so Reinecke. So kann der Standort eines gestohlenen Fahrrads via GPS lokalisiert werden. „Das passiert auch immer wieder“, so Reinecke. Manchmal führt das Signal dann geradewegs zu einem am Straßenrand abgestellten Transporter, in dem die Polizei dann neben dem gestohlenen Fahrrad auch weitere Fahrräder entdeckt.

Die Geschichte, die die Beamten dann oft aufgetischt bekommen, könnte Reinecke vorsingen. „Meistens wird erzählt, dass die Fahrräder von einer nicht näher bekannten Person auf irgendeinem Parkplatz angekauft wurden. Zwar kann man dann noch die anderen Fahrräder daraufhin überprüfen, ob sie in der Fahndung sind. Doch das ist bei gestohlenen Fahrrädern eher selten der Fall. So lässt man den Mann mit den restlichen Fahrrädern ziehen.“

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Reinecke sieht genau hier den Ansatzpunkt. Man könnte auch wegen des Verdachts der Hehlerei ermitteln und den Transporter als Tatmittel einziehen. Dann wird das Fahrzeug veräußert. Das ist rechtlich möglich. Wird im Rahmen eines Verfahrens entschieden, dass der Mann sein Fahrzeug zurückbekommen soll, wird ihm der Zeitwert ausgezahlt.“ Das würde sich in der einschlägigen Szene herumsprechen.

Polizei Hamburg: Erfolg wie bei Soko „Castle“ möglich

„Der Effekt“, da ist sich Reinecke sicher, wäre der gleiche wie beim Wohnungseinbruch. Nachdem die Soko „Castle“ gezielt gegen professionelle Täter vorging und durch das Zusammenführen harte Strafen gegen die Einbrecher herbeiführen konnte, hatte auch das in der entsprechenden Szene für die erhoffte Reaktion gesorgt. Reinecke „Solche Einbrecher machten vermehrt einen Bogen um Hamburg.“