Hamburg. Torsten Flomm ist Vorsitzender des Hamburger Grundeigentümer-Verbands. Er fordert von der Politik mehr Planungssicherheit.

Seit Kurzem haben wir es schwarz auf weiß – Deutschlands Gebäude kommen den ehrgeizigen Klimazielen nicht hinterher. Laut Zahlen der Agora Energiewende hat der Gebäudesektor die Obergrenze von 101 Millionen Tonnen CO2 deutlich um acht Millionen Tonnen gerissen. Zwar ging damit der Ausstoß des Klimagases um drei Millionen Tonnen zurück – diese Verbesserung führen Experten aber vor allem auf den geringeren Heizbedarf wegen der vergleichsweise milden Witterung zurück.

Glaubt man Torsten Flomm, wird sich daran so bald nichts ändern. Seit fast sieben Jahren ist er Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbands Hamburg mit seinen 30.000 Mitgliedern. In dieser Funktion kennt er nicht nur die Sorgen der Vermieter, sondern die Probleme aller Haus- und Wohnungseigentümer. „Im Moment kommen erstaunlich wenig Fragen zur energetischen Modernisierung“, sagt er im Podcast „Was wird aus Hamburg“.

Das Hin und Her des Gesetzgebers habe Investoren verunsichert, sagt Flomm

Eine der Ursachen für die verpassten Klimaziele und den Investitionsstau sieht der Jurist im Hin und Her beim Gebäude-Energiegesetz: „Die Leute versuchen immer noch zu verstehen, was der Gesetzgeber wirklich von ihnen möchte.“ Klar ist: Es muss etwas passieren. Bezogen auf den Gesamtausstoß von 673 Mio. Tonnen mag das knappe Siebtel des Gebäudesektors klein sein; doch hier gehen die Emissionen wie im Verkehr langsamer zurück als gewünscht. Und von Aufbruch ist wenig zu spüren.

Der Vater von drei Söhnen spürt eine tiefe Verunsicherung bei den Immobilienbesitzern: „Das ist Teil des Problems. Es gab in den vergangenen Jahren so viele gesetzliche Neuregelungen, dass man inzwischen jeden neuen Entwurf nur für einen Zwischenstand hält. Deswegen warten alle ab.“ Erst wenn Gewissheit herrsche, werde sich das ändern. „Klimaschutz muss verlässlich sein. Diese Bundesregierung – aber auch die Vorgänger – hat dem Klimaschutz einen Bärendienst erwiesen.“

Immobilien Hamburg: Wohnungsbauziele werden deutlich verfehlt

Im gesamten Immobilienbereich wird viel zu wenig investiert. Wie alle Experten erwartet Flomm, dass das Ziel, in Hamburg 10.000 Wohnungen im laufenden Jahr zu errichten, deutlich verfehlt wird. „Wenn Rohstoffe teurer werden und Baukosten exorbitant steigen, kann sich Hamburg davon nicht lösen.“

Der Grundeigentümerverband war Gründungsmitglied des Bündnisses für das Wohnen, trat dann aus Protest gegen die Mietpreisbremse aus, um 2017 wieder dazuzustoßen. Es war Flomms Entscheidung, aus dem „Schmollwinkel“ herauszutreten: „Ich halte das Bündnis für ausgesprochen segensreich und für sehr erfolgreich.“ Dieses Bündnis bringt Politik, Verwaltung, Wohnungsbauunternehmen und Mietervereine ins Gespräch. „Diesen Schatz in Hamburg sollten wir hüten und bewahren.“ Der Verbandschef sagt aber auch: „Wir können die allgemeine wirtschaftliche Situation durch das Bündnis für das Wohnen nicht ändern.“

ifo-Institut rechnet bundesweit nur mit 225.000 neuen Wohnungen

Und diese Lage ist prekär: Das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo rechnet im laufenden Jahr nur noch mit 70.000 neuen Ein- und Zweifamilienhäusern. Zudem dürften 125.000 neue Einheiten in Mehrfamilienhäusern entstehen. Rechnet man schließlich die 30.000 zusätzlichen Wohnungen in Bestandsgebäuden hinzu, käme man deutschlandweit auf gerade einmal 225.000 neue Wohnungen – 44 Prozent unter dem selbst gesteckten Ziel der Bundesregierung. „Wir hören eigentlich kaum noch von jemandem, der investieren und ausbauen will“, sagt Flomm. „Das Problem ist überall das gleiche: Alle warten ab, keiner baut. Die Quittung bekommen wir in spätestens zwei Jahren.“

Der Vorsitzende des Grundeigentümerverbandes fordert die Politik auf, Neubaustandards abzusenken oder zumindest einzufrieren. „Wenn wir die Anforderungen herunterfahren, würde der Neubau auf jeden Fall günstiger werden.“ Einen Rückgang der Grundstückspreise erwartet er als Mitglied im Gutachterausschuss nicht. „Da befinden wir uns auf dem Preisniveau, das wir vor Corona hatten. Viel weiter runter wird es nicht gehen.“

Potenziale sieht Flomm im Schließen von Baulücken und Aufstockungen

Potenziale für neue Wohnungen sieht der Jurist im Schließen von Baulücken und Aufstockungen von Bestandsgebäuden. Doch der Teufel steckt im Detail: „Da stoßen wir auf einen bunten Strauß von Problemen – es ergeben sich beispielsweise Anforderungen für den Rettungsweg oder den Brandschutz.“ Immerhin greifen inzwischen einige Erleichterungen, wonach ein Fluchtweg nicht mehr zwingend über das eigene Grundstück führen muss.

Andere Herausforderungen aber bleiben: „Wer das Dachgeschoss ausbauen möchte, muss damit rechnen, dass die Bestandsmieter die Mieten kürzen. Und der Bauherr muss zugleich neue Abstellräume schaffen. Jeder Umbau bringt Schwierigkeiten mit. Dabei könnte die Stadt durchaus ein oder zwei Geschosse mehr vertragen.“ Um das zu erreichen, bedürfe es eines Ausbau-Programms im großen Stil.

Die Wärmepumpe hält Flomm für ein kluges Instrument

Beim Klimaschutz fordert er mehr Verlässlichkeit ein. Der 60-Jährige erläutert das Problem: „Investoren brauchen Planungssicherheit. Einmal definierte Ziele müssen gelten und können nicht nach einem halben Jahr schon wieder verschärft werden. Gerade die gewerbliche Wohnungswirtschaft hat eine längerfristige Investitionsplanung.“ Die Planungssicherheit sei dahin. Zwar gebe es mit dem Gebäudeenergiegesetz zumindest für Heizungen nun eine Vorgabe. „Aber nach dem Hin und Her fragen sich viele, wie lange das gilt. Viele Unternehmen, die von dem Thema etwas verstehen, bezweifeln, ob überhaupt umzusetzen ist, was der Gesetzgeber möchte.“

Solaranlagen werden bei neuen Dächern bald Pflicht – manchmal aber sind sie zugleich unerwünscht, weil sie der Erhaltungsverordnung widersprechen.
Solaranlagen werden bei neuen Dächern bald Pflicht – manchmal aber sind sie zugleich unerwünscht, weil sie der Erhaltungsverordnung widersprechen. © Zstock - stock.adobe.com | stock.adobe.com

Die Wärmepumpe hält Flomm dabei für ein kluges Instrument. „Ihre Anwendungen sind vielseitiger als lange gedacht.“ Ursprünglich habe man Wärmepumpen vor allem für Neubauten geplant, deren Heizungsanlage darauf ausgelegt ist. Inzwischen gebe es Anwendungen für Altbauten, in denen sie mit alten Heizkörpern betrieben werden könnten. „Man bekommt ein Gebäude mit einer Wärmepumpe vernünftig erwärmt, auch wenn der Rest des Gebäudes noch in einem alten, wenig sanierten Zustand ist.“ Flomm schränkt aber ein: „Das darf kein Dauerzustand sein: Irgendwann muss man natürlich an die Isolierung, die Fenster oder die Heizkörper ran.“

„Rein rechnerisch lohnt sich die energetische Modernisierung normalerweise leider nicht“

Zugleich warnt der Verbandsvertreter vor überhöhten Erwartungen. „Das sind Investitionen in die Zukunft, in die Umwelt. Rein rechnerisch lohnt sich die energetische Modernisierung normalerweise leider nicht.“ Daran änderten Fördergelder wenig. „Sie sind häufig an Auflagen geknüpft, meist geht es nur um die Differenz zwischen dem normalen Aufwand und dem erweiterten Aufwand. Dadurch habe ich noch kein Geld gespart.“ Flomm hat festgestellt, dass die Investoren vor allem aus einer Motivation heraus handeln: „Das sind Idealisten, und Idealisten sind schwer zu entmutigen. Sie wollen nicht unbedingt Geld oder Energie einsparen, um damit ihr Gebäude billiger zu bewirtschaften, sondern möchten etwas für die Umwelt tun.“

Eine Priorisierung der Investments ergebe sich aus dem Gesetz: „Wenn ich das Dach erneuere, muss ich demnächst Solaranlagen installieren beziehungsweise das Dach zusätzlich noch begrünen.“ Zudem sei es immer sinnvoll, das Haus zu dämmen, also mehrfachverglaste Fenster einzubauen, die Fassaden, Kellerdecken und Dächer zu dämmen. „Da ergibt es wenig Sinn, mit der Heizung anzufangen. Sie soll nur das liefern, was das Gebäude benötigt – das aber weiß ich erst, wenn das Gebäude vernünftig saniert ist.“

podcast-image

Das Problem der Häuser ist nicht die Technik, sondern oft der Mensch

Technik könne viele Probleme lösen – aber längst nicht alle. „Das Hauptproblem ist oft das menschliche Verhalten. Wer nur die Heizung aufdreht, wenn ihm gerade ein bisschen fröstelt, und dann das Fenster aufreißt, wenn ihm zu warm wird, wird immer zu viel Energie verbrauchen. Leider handeln noch viele so.“

Die angekündigte Entbürokratisierung am Bau sieht Flomm erst in den Startlöchern, die Hansestadt sei schon etwas weiter. „In Hamburg versucht man, durch das elektronische Bauantragsverfahren voranzukommen. Ich bin sehr gespannt, ob und wie das am Ende funktioniert.“ Insgesamt kritisiert der Jurist, der zu Studienzeiten für den Sportteil beim Abendblatt gearbeitet hatte, zu viele Fesseln für Investoren. Dazu zählt er auch die sogenannten städtebaulichen Erhaltungsgebiete. Diese sind aufgrund ihrer Eigenart besonders geschützt, etwa Gründerzeitquartiere im Generalsviertel oder Harvestehude, die Gartenstädte oder die Steenkamp-Siedlung.

Flomm: Erhaltungsverordnungen bremsen den Klimaschutz

„Diese Erhaltungsverordnungen bringen große Einschränkungen für Sanierungen oder Klimaschutzinvestitionen mit“, kritisiert Flomm. Statt das gesamte Dach mit Solaranlagen zu belegen, wird dann beispielsweise nur eine Dachseite erlaubt. Auch soziale Erhaltungsverordnungen seien gut gemeint, wirkten oft aber kontraproduktiv. „Bis vor Kurzem war dort der Einbau eines Fahrstuhls in ein altes Mehrfamilienhaus unzulässig. Da musste der gehbehinderte Mieter im dritten Stock eben ausziehen. Was soll so etwas?“ Das Argument, mit den Sanierungen würden zugleich die Mieten steigen, lässt der Jurist nicht gelten: „Das mag so sein. Aber derjenige, der auf den Fahrstuhl angewiesen ist, muss ihn überall bezahlen, entweder in seinem alten Quartier oder in einem neuen.“

Flomm wirbt darum, insgesamt differenzierter auf Vermieter zu blicken. „In der Öffentlichkeit empört man sich zu Recht über große Investorengruppen aus dem Ausland, die sich Tausende Wohnungen kaufen, das Maximum herausholen, ohne sich groß um die Immobilien zu kümmern.“ In Vergessenheit gerieten dabei die vielen Vermieter, die ein oder zwei Wohnungen für ihre Altersvorsorge besitzen. „Wir haben sehr viele Menschen, die die Miete einmal anpassen, wenn die Wohnung neu vermietet wird und dann nie wieder.“

Grundeigentümerverband kritisiert schwarze Schafe in der Branche

Zu oft würden alle über einen Kamm geschoren, und im Mittelpunkt ständen stets die schwarzen Schafe. „Sie machen uns allen das Leben schwer“, sagt der Jurist. „Die Politik versucht, sie mit Vorschriften zu stoppen. Die gelten dann für alle, nicht nur für die schwarzen Schafe, und bremsen auch Investoren aus, die nichts Böses wollen.“ Aus diesem Grund kann er auch einer Mietpreisbremse nichts abgewinnen. „Die Investoren, die wir bremsen wollen, bekommen wir so nicht gebremst.“

Mehr zum Thema

Torsten Flomm sieht ein grundsätzliches Problem: „Teilweise haben wir einen Mieterschutz beschlossen, um die Großen zu disziplinieren, der dann aber die Kleinen behindert.“ Unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes müssten entweder alle oder keiner belastet werden. „Der Gesetzgeber sollte die Kleinen ein bisschen mehr ins Kalkül mit einbeziehen und schauen, wie viel Schaden die Regelungen anrichten. Bislang gehen die kleinen Vermieter oft leider als Beifang mit ins Netz.“

Fünf Fragen an Torsten Flomm

Meine Lieblingsstadt heißt natürlich Hamburg. Es gibt auch andere schöne Städte, aber mit Hamburg sind wir sehr gut aufgestellt.

Mein Lieblingsstadtteil ist Alsterdorf, wo ich auch wohne. Ich liebe die gewachsenen Strukturen, der Stadtteil ist zentrumsnah und liegt zugleich schon im Grünen.

Mein Lieblingsort ist der Platz auf der Krugkoppelbrücke mit Blick auf die Innenstadt. Dieses wunderschöne Panorama ist kaum zu toppen.

Mein Lieblingsgebäude ist, wenn ich denn überhaupt ein Lieblingsgebäude habe, das Einfamilienhaus, in dem ich wohne. Ein tolles Gebäude ist natürlich das Rathaus, auch wenn es stilistisch nicht so ganz aus einem Guss ist – da haben sich die Erbauer aus vielen Zeiten etwas abgeguckt.

Einmal mit der Abrissbirne geht es in die City-Nord. Dort steht ein alter Wohnblock mit Geschäften auf der oberen Fußgängerebene. Vorne Überseering, hinter Mexikoring. Den habe ich während meiner Zeit bei der Tochtergesellschaft des Verbandes verwaltet. Der ist so furchtbar. Da muss dringend etwas Neues hin.