Hamburg. Wissenschaftsrat empfiehlt Promotionsrecht für forschungsstarke Programme an Fachhochschule. Was dabei einzigartig ist.

Es ist ein Durchbruch, auf den die zweitgrößte Hochschule der Hansestadt schon seit vielen Jahren hofft: In drei forschungsstarken Programmen darf die HAW Hamburg künftig den Doktortitel verleihen. Dieses eigenständige Promotionsrecht verleiht das Land der Fachhochschule – und folgt damit einer Empfehlung des Wissenschaftsrats. Dieser gilt als das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland.

Derzeit promovieren die allermeisten Doktoranden hierzulande an Universitäten; nur rund ein Prozent der Nachwuchsforschenden schreibe eine Doktorarbeit unter Beteiligung oder Federführung einer Fachhochschule, teilte das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) im Juni nach einer neuen Untersuchung mit. Acht Bundesländer haben demnach zwar schon Regelungen, die ein Promotionsrecht für Fachhochschulen möglich machen.

HAW Hamburg bekommt eigenständiges Promotionsrecht

Ein praktiziertes eigenständiges selektives Promotionsrecht gibt es laut CHE in Hessen und Sachsen-Anhalt. Nach Einschätzung des Wissenschaftsrats wird die HAW Hamburg aber die erste Fachhochschule hierzulande sein, die ihr eigenständiges Promotionsrecht in drei forschungsstarken Bereichen nur mithilfe eigener Professoren ohne Partnerhochschulen umsetzt.

Von einem „Riesenerfolg“ für die HAW Hamburg spricht Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). „Das ist ein großer Gewinn für die Forschungslandschaft in Hamburg.“ Insbesondere für Masterstudierende aus dem In- und Ausland werde die HAW damit attraktiver.

HAW darf Doktortitel verleihen: Wissenschaftsrat bewertete forschungsstarke Programme

Auf Bitten der Wissenschaftsbehörde im Dezember 2021 hatte der Wissenschaftsrat untersucht, ob für die HAW-Programme Computermodelle für das Ingenieurwesen und angewandte Datenwissenschaft, interdisziplinäre Sozial- und Gesundheitsforschung sowie Technologien für nachhaltige Energie- und Umweltsysteme ein fachgebundenes Promotionsrecht ratsam sei. Nun liegt das Gutachten vor: Der Wissenschaftsrat befürwortet, dass Nachwuchsforschende in allen drei Programmen an der HAW Hamburg promovieren dürfen. Die Empfehlung gilt zunächst befristet für acht Jahre; anschließend soll eine erneute Begutachtung stattfinden.

Der Bedarf an praxisbezogenen Erkenntnissen aus der Wissenschaft zu Fragen der Energiewende und des Klimaschutzes, der Datenanalyse und der Gesundheit sei enorm, sagte HAW-Präsidentin Ute Lohrentz. Mit ebensolchen Fragen beschäftigten sich bald Nachwuchsforschende in den drei Promotionsprogrammen. Lohrentz dankte insbesondere dem Vizepräsidenten für Forschung und Transfer, Peter Wulf und seinem Team für ihr Engagement auf dem Weg zu einem eigenständigen Promotionsrecht.

HAW Hamburg behalf sich bislang mit Kooperationen zu anderen Unis

Ob Fachhochschulen eigenständig den Doktortitel verleihen können dürfen, war früher sehr viel umstrittener als heute. Viele Fachhochschulen argumentierten, dass ihre Forschungsleistung wachse und sie deshalb das Promotionsrecht erhalten sollten. Viele Universitäten – allen voran die Technischen Universitäten – entgegnen, dass insbesondere die Grundlagenforschung immer noch hauptsächlich bei ihnen stattfinde, wohingegen Fachhochschulen hauptsächlich praxis- und lehrorientiert seien und deshalb kein Promotionsrecht benötigten.

Die HAW Hamburg behalf sich deshalb mit Kooperationen zu Universitäten im Ausland, vereinbarte 2009 ein Abkommen mit der University of the West of Scotland (UWS), das es Forschen der HAW Hamburg ermöglichte, an der UWS zu promovieren. Im September 2013 fand die erste Promotionsfeier der HAW statt. Im Oktober 2013 kam die Universitat Politècnica de València in Spanien als weiterer Partner für Promotionen hinzu.

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Fachhochschulen werden immer beliebter bei Studierenden

Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) werden dem CHE zufolge bei Studierenden immer beliebter. Im Jahr 1980 habe sich erst rund ein Viertel der Studienanfänger in Deutschland für eine HAW entschieden; 2022 habe schon knapp die Hälfte der Erstsemester an einer HAW mit dem Studium begonnen. „Kein Bundesland wird es sich dauerhaft leisten können, seinen Fachhochschulen bzw. HAW die eigenständige Betreuung einer Promotion zu verwehren, die Entwicklung ist nicht aufzuhalten“, sagte Ulrich Müller, Leiter politische Analysen beim CHE.

Ein flächendeckendes pauschales Promotionsrecht für alle Fachhochschulen sei allerdings nicht erstrebenswert. Ein selektives Promotionsrecht auf der Ebene von forschungsstarken Fachbereichen oder hochschulübergreifenden Promotionskollegs sei der richtige Ansatz. Denn dabei gebe es klare und hohe Anforderungen. Dies sichere nicht nur die Qualität der entstehenden wissenschaftlichen Arbeiten, sondern sorge auch für eine Akzeptanz der HAW-Promotionen.